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Herr
Georg Westphal war wohl der älteste deutsche "Marconi wireless operator".
Ende 1959 ist er im hohen Alter von 86 Jahren, bis zuletzt rüstig
und geistig rege, nach kurzer Krankheit gestorben. Nachfolgend beschreibt
er ein für ihn besonders eindrucksvolles Erlebnis aus dem Jahre 1912:
"Schon als junger Mensch hatte ich Sehnsucht nach der Ferne. Angeregt durch die erfolgreichen Versuche Marconis, bewarb ich mich im Jahre1904 bei der Marconi Gesellschaft in London für die Laufbahn als "wireless operator". Anfang 1905 wurde ich einberufen und konnte, da ich in der Landtelegrafie schon vorher ausgebildet war, bereits am 1. März 1905 auf dem Schnelldampfer "Kronprinz Wilhelm", NDL, unter der Leitung eines "Seniors" in den Borddienst eintreten. Auf einer ganzen Anzahl deutscher Schnelldampfer habe ich als "chief operator" im Laufe der Jahre Dienst getan, nach der Gründung der DEBEG im Jahre 1911 wurde ich Angestellter dieser Gesellschaft. |
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D.S.
"Kaiserin Auguste Victoria"
Die 24581 BRT grosse "Kaiserin Auguste Victoria" war 1906 beim Stettiner Vulcan gebaut worden und verkörperte das neue Motto der Hapag: Luxus statt Geschwindigkeit! Wie schon das Schwesterschiff "Amerika" sollte es den zusätzlichen Tag auf See nicht als Verzögerung sondern als Geschenk erscheinen lassen. Im Innern übertraf sie alles, was je zuvor auf See geboten wurde: Das Interieur war im Jugendstil gehalten, es gab einen Wintergarten voller Palmen und Personenfahrstühle. So etwas war selbst dem verwöhnten First-Class-Publikum noch nicht geboten worden! (Text aus: "150 Jahre Hapag-Lloyd") |
Am 14. April 1912 ankerte die "Kaiserin Auguste Victoria", auf der ich damals Stationsleiter war, kurz vor ihrer Ausreise nach New York auf der Elbe bei Altenbruch. Gerade hatten wir mit dem Notsender auf der Hafenwelle 300 m ein Diensttelegramm an Cuxhaven abgegeben, als wir von Norddeichradio aufgefordert wurden, Funkstille für den Seenotverkehr der untergehenden "Titanic" zu halten. |
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Nach
unserem graphischen Schiffsverkehrsplan musste die "Titanic" ungefähr
südöstlich der Neufundlandbänke sein, so dass eigentlich
der etwa 2000 sm von uns entfernte Seenotverkehr nicht durch unseren Notsender
gestört werden konnte. Trotzdem wurde streng diszipliniert Funkstille
gehalten. Im Äther herrschte absolute, ganz ungewohnte Ruhe.
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Die
Nachricht vom tragischen Untergang des Riesenschiffes auf seiner ersten
Reise hatte uns alle außerordentlich erregt. Unser Kommandant, der
spätere Kommodore Ruser, hat bei unseren Versuchen, dem wieder einsetzenden
Funkverkehr Einzelheiten zu entnehmen, kaum die Funkstation verlassen,
bis wir erfuhren, dass der Cunard-Liner
"Carpathia" die Rettungsaktion
übernommen hatte." Soweit der Bericht von Georg Westphal.
Sicher wäre der Verlust an Menschenleben noch größer gewesen, wäre es dem Kollegen des Herrn Westphal, dem Marconifunker Phillips auf der "Titanic", nicht gelungen, auf dem Funkwege Hilfe herbeizuholen. Dieses Ereignis bewies der Welt schlagartig die zwingende Notwendigkeit der Einrichtung von Funkanlagen an Bord der Schiffe. So reagierte denn auch der internationale Schiffssicherheitsvertrag prompt mit verschärften Bestimmungen. |
![]() ![]() Oben: Die "Carpathia" erreicht New York Rechts: "Titanic"-Funker Phillips |
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Auch
heute noch wird jeder Schiffsunfall von Fachleuten untersucht und geprüft,
ob aus dem Vorkommnis Lehren zu ziehen sind, die das bestehende Sicherheitsnetz
noch "dichter" machen könnten.
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