In
der hohen Dünung der nordspanischen Küste dampft die „Oceana“
der Hapag gen Süden. Die Dämmerung fällt bei unsichtigem
Wetter schnell und früh, es ist März und der Dampfer auf der
ersten der diesjährigen Ausflugsfahrten nach dem Mittelmeer. Am nächsten
Morgen will man in Lissabon sein, um den Vergnügungsreisenden des
Tajo mit seinen Fischerbooten, das Kloster in Belem mit dem Grab Vasco
da Gamas und das Königsschloß Cintra oben in den Bergen
zeigen. Vier Doppelschläge hallen über das Deck. Acht Glas !
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links:
DS
"Oceana"/DDCG
Der
erste Funkoffizier betritt die Funkstelle, um seinen Kollegen abzulösen...
„Was liegt vor, Herr Möller ?“ Der von Wache gehende Zweite nimmt
mit einem Seufzer der Erleichterung den Fernhörer vom Kopf. „Nichts
besonderes, Herr Hartmann! Zu 20:18 MGZ hat sich die „Resolute“ auf Welle
23 Meter angesagt. Das Schiff ist zwischen Hongkong und Manila und will
seinen Norddeichverkehr über uns leiten. 20:45 kommt „General Artigas“,
der ist morgen früh |
gleichzeitig
mit uns in Lissabon. Er kann Monsanto nicht erreichen und bittet um Vermittlung
seines Anrufes. 22:30 will die „Arcona“ eine größere Anzahl
Ozeanbriefe schicken. Sie ist morgen früh in Rio und hat heute noch
tüchtig Reklame gemacht. Um 23:25 die „Europa“, gleichfalls mit Ozeanbriefen,
läuft morgen bei Tagesanbruch in New York ein. Das ist alles!“ Der
1. F.O. wirft einen Blick auf die neben ihm hängende Wachzeitentafel,
die Verkehrszeiten und Wellenlängen angibt. „Na, das ist ja ganz hübsch!
So ein Vermittlungsschiff hat doch seine Vorzüge, - es ist immer etwas
los!“ Der Zweite schmunzelt. „Gute Wache!“ „Danke, gute Ruhe !“
Hartmann
setzt sich auf den Arbeitsplatz, klappt die Schreibmaschine auf und nimmt
den Fernhörer auf den Kopf. Sein Gesicht belebt sich. Im Augenblick,
als er sich an den Apparaten niederläßt, verschwindet der enge
Horizont, in den außen das Schiff gespannt ist, und die Kleinheit
der Funkstelle mit ihrer raumausgenützten Beengtheit. Fast rund um
den Erdball kann er von hier aus seine Morsezeichen durch den Raum schicken.
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Ob
der Schneesturm im Nordatlantik um die Masten der „Europa“ heult, oder
das Kreuz des Südens über der „Cap Arkona“ steht – er kann sie
in Sekunden erreichen. Ein ungeheures Verkehrsnetz webt sich um die Erde.
Eigene
Gesetze beherrschen den Äther. Eine straffe Organisation, in Jahrzehnten
aufgebaut und der Praxis angepaßt, ist erforderlich, um eine glatte
Abwicklung des Verkehrs zu gewährleisten. Der Funkoffizier muß
mit dieser Regelung und aus seinen Apparaten, auf Kurz-, Mittel- und Langwellen,
wie auf einer Klaviatur spielen können.
Rings
um seinen Arbeitsplatz ist alles Notwendige in Greifweite. Vor sich hat
er die versenkbare Schreibmaschine, denn heute wird jedes Telegramm, jeder
Wetterbericht, jede Funkpresse direkt vom Gehör in die Maschine getippt.
Rechter Hand hat er zwei Tasten, in Kopfhöhe vor sich die Kurz- und
Lang- wellenempfänger mit ihren Einstellungen, im Rücken befinden
sich der Kurzwellensender von 800 Watt und der tönende und Notsender
von 1,2 Kilowatt.
Links
befindet sich ein Stöpselbrett, mit dem noch andere Empfänger
angeschaltet werden können. Die weißen und schwarzen Stecker
neben der Schreibmaschine ermöglichen die Wahl eines beliebigen Senders.
Formulare liegen, mit Durchschlagpapier versehen, über den Tasten.
links:
Funkarbeitsplatz auf DS "Oceana"/DDCG
Über
der Schreibmaschine:
Empfänger E363S (220-2500
kHz), darüber: Vorsatzfilter |
Hartmann
wirft einen Blick auf die Uhr:
20:05 MGZ
Schnell
ein paar Eintragungen im Tagebuch, ein Durchblättern des aufgearbeiteten
und vorliegenden Telegrammaterials. Allein von der letzten Wache ist es
ein hoher Stoß. Die Funkstation ist wie ein Brennspiegel, in dem
sich das ganze Leben und Treiben des Schiffes fängt, um dann wieder
nach allen Seiten zu strahlen. Was läuft alles durch die Finger des
Funkoffiziers: Wettermeldungen für die Schiffsleitung, Peilungen,
Proviant-, Wasser- und Kohleanforderungen, Bestellungen des Reisebüros
für den morgigen Ausflug, Fahrgasttelegramme mit Glückwünschen,
mit geschäftlichen Erledigungen, alles vertraut sich dem Äther
an.
20:15
- Hartmann schaltet sich mit einem kleinen Hebel von der 600-m-Welle auf
den Kurzwellenempfänger. – Auf der anderen Seite der Welt dreht ein
anderer Beamter an den Skalen seines Senders. 23 m !
Er
drückt die Taste: „DDFT DDFT DDFT de DDCG DDCG DDCG QTC K
„Resolute“
von „Oceana“, hier liegt Verkehr vor, komm! –
Schon
nach einer Minute haben sich die Schiffe im Empfänger gefunden und
Telegramme und Ozeanbriefe werden von den Morsezeichen durch den Raum getragen.
rechts:
DS "Resolue"/DDFT
Das
Schiff lief 1917 als "William O'Swald" vom Stapel, fuhr als "Brabant" unter
holländischer, dann als "Resolute" unter US-Flagge. 1923 kaufte
Hapag das 19703 BRT Schiff und behielt den Namen bei. 1935 wurde es nach
Italien verkauft, als "Lombardia" 1943 in Neapel durch Bomben beschädigt
und 1946 in La Spezia abgewrackt.
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Bevor
die „Oceana“ quittiert, d.h. den Empfang der Telegramme bestätigt,
zirpt ein neuer Ton dazwischen: Norddeich Radio, die deutsche Großfunkstelle,
hat sich mit eingeschaltet, und bestätigt den Empfang der „Resolute“-Depeschen
schon an die „Oceana“. „Eine Ersparnis“, brummt Hartmann, und nimmt gleich
darauf ein halbes Dutzend Depeschen von Norddeich, die für das Weltreiseschiff
im Fernen Osten bestimmt sind. Im Anschluß kommen noch ein paar Radios
für das eigene Schiff, Anfragen über den Verlauf der Reise, Mitteilungen
an Schiffsleitung und Touristenbüro.
20:35
- Der Funkoffizier schaltet um auf Welle 600 Meter um die portugiesische
Küstenfunkstelle Monsanto zu benachrichtigen, daß sie vom „General
Artigas“ gerufen wird. Erledigt! Kleine Ruhepause, angefüllt mit Eintragungen
im Tagebuch, mit Fertigmachen der eben erhaltenen Radiotelegramme, Zukleben,
Ausschreiben der Empfangsbestätigungen. Klingel! Ein Telegraphenjunge
erscheint: „Bitte bestellen!“
20:48
- Umschalten auf lange Welle. Tatsächlich, der „Artigas“ wartet schon
auf 1987 Meter. „Rufen Sie Monsanto auf Welle 2050!“ Zwei Minuten später
stehen die beiden anderen Funkstellen im Verkehr.
20:55
- Umschalten auf Welle 600 Meter! Nichts los! Es ist noch soviel Zeit,
um in den von der „Resolute“ empfangenen Ozeanbriefen, die morgen in Lissabon
zur Post müssen, einige Schreibfehler zu verbessern.
21:18
-
Umschalten auf den englischen Wetterbericht von Rugby! Die Tiefs und Hochs
des nordeuropäischen Wetters reichen so weit nach Süden, daß
sie auch hier in Portugal noch wichtig sind. Und der Pilot des Wasserflugzeugs,
das auf dem Achterdeck des Schiffes steht, - zu Rundflügen der Fahrgäste,
- möchte bei seinen Flügen nicht von plötzlichen Wetteränderungen
überrascht werden.
21:30
- Knapp ist der Rugbywetterbericht aus der Schreibmaschine gezogen, als
von der 18750-Meter-Welle umgeschaltet wird auf allgemeinen Verkehr: Welle
2098 Meter. „Aha, der „Artigas“ mit seinem Radio!“ Empfangen, quittiert,
schön !
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21:45
- Nordatlantik-Kurzwellenperiode, 36-Meter-Welle!
22:00
- Nauen schickt deutsche Pressenachrichten, 29,55 Meter.
22:30
- Die „Cap Arcona“ / DHDL meldet sich vom Südatlantik
mit ihren Ozeanbriefen. Die Aufnahme auf der „Ozeana“ geht glatt, aber
der Südamerika- Schnelldampfer hat Schwierigkeiten mit dem Empfang.
Über den brasilianischen Küstenbergen tobt ein Tropengewitter.
Doch man schafft bis 23:10 die Aufnahme von 75 Ozeanbriefen.
links:
"Cap Arcona"/DHDL
Baujahr
1927 - 27600 BRT - 21Kn - Im Mai 1945 wurde dieser berühmteste
Hamburg-Süd-Liner in der Neustädter Bucht zum Grab für 5000
KZ-Häftlinge |
rechts:
1930 liegen "Cap Arcona"/DHDL (hinten) und
"Oceana"/DDCG
gemeinsam in Hamburg
Um
23:14
kommt
der örtliche, portugiesische Wetterbericht von Montanto Radio auf
1000 Meter. Fernsprecher zur Brücke: Zwei Minuten später wird
das Formular „Nachrichten für Seefahrer“ vom Quartiermeister in Empfang
genommen.
23:25
ruft die „Europa“/DOAI auf Kurzwelle. Ozeanbriefe
für Europa.
23:55
läutet die Brücke an: Wir möchten das Nauen-Zeitsignal.
Gut! Welle 18 050 Meter. Dreimal in Minutenabstand tönt das „Stopp“
zu dem im Kartenhaus über den Chronometer gebeugten wachhabenden Offizier.
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00:07
- Der Funkoffizier schaltet gerade auf Norddeich-Blindfunk, die Liste von
Funktelegrammen, die die deutsche Küstenfunkstelle an Schiffe gibt,
mit denen sie nur in einseitiger Verbindung steht, als sich die Tür
auftut. Die Wachablösung, der dritte Funkoffizier, kommt herein. „Guten
Morgen!“ „Guten Morgen!“ „War viel los?“ „Na, nicht so schlimm, langweilig
war es auch nicht!“
Hartmann
schreibt sein „Von Wache“ und erhebt sich mit steifen Gliedern. „Wenn Sie
Zeit haben, machen Sie die Ozeanbriefe noch fertig, sonst lassen Sie mich
um 6 Uhr wecken!“ „Jawohl, Herr Hartmann! Gute Ruhe!“ „Danke, gute Wache!“
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