Einführung der Telegrafie an der Unterweser
Quelle: "75 Jahre BLG"   -  Abgeschrieben von Heinrich Busch

Die Reeder hatten schon immer ein Interesse an frühzeitiger Information über die Ankunftszeit ihrer Schiffe. Bis in die 1840er Jahre wurde die Ankunft eines an der Wesermündung gesichteten Schiffes für Bremerhaven oder Brake per Landbote gemeldet. 1846/47 errichtete ein Kaufmann aus Altona eine optische Telegrafenlinie zwischen Bremerhaven und Bremen, die aber nur bei klarer Sicht und am Tage arbeitete. Kurz darauf konnte ein elektromagnetisch arbeitender Telegraf in Betrieb genommen werden, der einen Informationsdienst zu jeder Tages- und Nachtzeit ermöglichte. 1856 wurde das erste, allerdings noch sehr anfällige Seekabel verlegt. Es verlief vom oldenburgischen Fedderwardersiel zum Leuchtturm „Hohe Weg“ im Wattenmeer. Mit der Indienststellung des Leuchtturms „Roter Sand“ im Jahre 1885 wurde das Kabel bis dorthin verlängert. Damit reichte dieses einadrige Kabel 22 Kilometer in die See hinaus. Bei der damaligen Geschwindigkeit der Schiffe bedeutete das einen Informationsvorsprung von etwas mehr als einer Stunde.
 Auch die 1886 und 1887 erbauten Leuchttürme „Eversand“ und „Meyers Legde“ erhielten einen Telegrafenanschluss, sodass es bereits einen ständigen Informationsfluss über Schiffsbewegungen in der Aussenweser gab.
Über das Seekabel wurden per Morsezeichen neben den Schiffsbewegungen alle Vorkommnisse von Bedeutung gemeldet und Nachrichten weitervermittelt, die von den Schiffen selbst signalisiert worden waren. 
Schnelle Information wurde um so dringender, je grösser die Schiffe und damit die logistischen Probleme bei der Abfertigung wurden. Ganz besonders galt dies für die grossen Passagierdampfer. Anschlusszüge mussten bereitsgestellt, der Gepäcktransport organisiert und Hotels benachrichtigt werden. Um einige Stunden schnellere Information brachte da schon einen erheblichen logistischen und damit wirtschaftlichen Vorteil.

Funkstation auf Leuchtturm "Robbenplate" (Photo von 1928)

1900 richtete der Norddeutsche Lloyd auf eigene Rechnung auf dem Feuerschiff „Borkum-Riff“ einen Seefunkdienst nach dem „Marconi-System“ ein. Die drahtlose Telegrafie stand damals noch am Anfang ihrer Entwicklung. Die Signale dieses Funkdienstes wurden zunächst zur Seetelegrafenanstalt „Borkum Leuchtturm“ gesendet und von dort über Kabel weitergeleitet. Die Kommunikation zwischen den Leuchttürmen bzw. dem Feuerschiff „Borkum-Riff“ und den fahrenden Schiffen lief über „Semaphortelegramme“, einem optischen Nachrichtenaustausch zwischen Seeschiffen und Signalstellen, die an das Telegrafennetz angeschlossen waren. Der Funk schob die Nachrichtenübermittlung immer weiter bis an die Schiffahrtswege auf offener See hinaus.
Die drei berühmten NDL-Dampfer „Kaiser Wilhelm der Grosse“, „Kronprinz Wilhelm“ und „Kaiser Wilhelm II“ wurden mit Bordfunkstellen nach dem Marconi-System ausgerüstet. Sie konnten bei Begegnungen ausserhalb der Sichtweite miteinander kommunizieren und Nachrichten an die NDL-Station auf dem Feuerschiff und bei Annäherung an Bremerhaven an eine Station in der Lloydhalle in der Nähe der Kaiserschleuse weiterleiten. Ein Passagier des „Kronprinz Wilhelm“ beschrieb im Jahre 1905 in einem Artikel diese neue Errungenschaft:

„Wie der ‚Kaiser Wilhelm der Grosse‘  ist auch der ‚Kronprinz Wilhelm‘ von der Marconi-Gesellschaft mit einem für drahtlose Telegrafie bestimmten Apparat ausgestattet, dessen sich die Passagiere bedienen können. Am Abend des 2. August hatte mir der freundliche Beamte mitgeteilt, dass er hoffe, in der folgenden Nacht mit dem ‚Kaiser Wilhelm der Grosse‘ in Verbindung treten zu können. 

Oben links:   DS "Kaiser Wilhelm der Grosse" 1897 gebaut vom Stettiner Vulkan, 14349 BRT, 28000 PS, 22,5 Kn
Oben rechts:   DS "Kronprinz Wilhelm"   gebaut 1901 vom Stettiner Vulkan, 14908 BRT, 35000 PS, 23 Kn
Er versprach mir, mich zu geeigneter Zeit wecken zu lassen. Morgens 2 Uhr klopfte es an die Kabinentür. Zu dunkler Nacht stieg ich hinauf zu dem Telegrafenhäuschen. Hoch oben am Mast knisterte es und die Funken leuchteten. Freudestrahlend begrüsste mich der eifrige Telegrafist. Er hatte Anschluss und ein Gruss vom Kapitän des anderen Dampfers an unsere Schiffsleitung war schon da. Auf einmal kam ein neues Zeichen. ‚Eine Privatdepesche! Zwölf Mark verdient‘ jubelte der pflichttreue Mann in seinem fachmännischen Eifer ! Von dem anderen Schiff sahen wir in der dunklen Nacht nichts, und gerade auch deshalb ist mir diese Stunde, in der ich mit eigenen Augen diesen neuen Fortschritt menschlicher Erfindungskraft sah, so unvergesslich“

Bis zum Jahre 1910 konkurrierten die Marconi-Gesellschaft und die deutsche „Telefunken“ heftig. Per Vertrag verbot Marconi dem NDL die Kommunikation mit Küsten- und Seestationen die von der Telefunken errichtet worden waren. So konnten NDL-Schiffe z.B. nicht mit Schiffen der Hamburger Hapag in Kontakt treten. 1910 wurde dann von allen Beteiligten, auch der Reichspost, die 1907 den Funkbetrieb mit Norddeich Radio aufgenommen hatte, eine einheitliche Betriebsgesellschaft für den Seefunkdienst in Deutschland gegründet. Im Jahre 1913 arbeiteten an der deutschen Küste 17 feste Funkstationen an Land und acht auf Schiffen. Im gleichen Jahr hatten schon 301 deutsche Schiffe ein Funkstation an Bord. Bei Beginn des ersten Weltkrieges ermöglichten Grosstationen an Land bereits den Funkverkehr von Kontinent zu Kontinent. Der Funkverkehr begann Häfen und Schiffahrt eine weltweite Kommunikation und vorausschauende Planung in grossem Umfang zu ermöglichen. 


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Version: 09-Feb-00 / Rev.: 17-Aug-06 / 11-Jun-11 / HBu