Oppenheim
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Das
220. Exemplar bestellte Bruder Lambert Sixt aus dem oberbayerischen Ettal,
ist doch der Pater des dortigen Benediktinerklosters ein aktiver Anhänger
der Telegrafie, managt den Klosterfunk. Und so verpackte Sylvester Föcking
in seiner Arbeitsklause in der Wormserstraße zum wiederholten und
gewiß nicht letzten Male seine Doppel-CD „Seefunk-Telegrafie-Nachrichten
aus aller Welt“. In akribischer Recherche hat der frühere Funkoffizier
der Handelsschiffahrt Telegrafieaussendungen der letzten Jahrzehnte von
Küstenfunkstellen aus aller Welt zusammengetragen – teils aus Sammlungen
der Seefahrtschule Bremen, teils aus privaten Archiven.
Was
dem Laien wie eine eintönige Abfolge von langen und kurzen Tönen
in den Ohren piept, bedeutet für gestandene Fahrensleute unwiederbringliche
Erinnerungen – stirbt doch der Seefunkverkehr immer mehr aus, denn heutzutage
sind die Schiffe mit an Satelliten ausgerichteten Kommunikationssystemen
ausgestattet. Noch vor 30 Jahren aber war das Morse-Alphabet die einzige
Möglichkeit, sich über weite Strecken zu verständigen. Gab
es 1984 noch mehr als 500 Küstenfunkstellen, so sind heute fast alle
stillgelegt.
Wenig
mehr als 100 Jahre ist es her, daß der Italiener Guglielmo Marconi
am 2. Juni 1896 seine Erfindung, mit Hilfe elektromagnetischer Wellen Nachrichten
zu übertragen, zum Patent anmeldete. Aber erst nach der „Titanic“-Katastrophe
am 14. April 1912 wurde es für alle Schiffe mit mehr als 50 Passagieren
Pflicht, eine Funkanlage zu installieren.
Da
kommt bei so manchem weitgereisten Seefunker Wehmut auf, hört er beispielsweise
den berühmten „Wecker“ von „Norddeich Radio“. Not- Dringlichkeits-
und Sicherheitsverkehr, Eiswarnungen, Wetterberichte und Pressemeldungen
lassen die Hörer noch einmal den Telegrafie-Alltag auf See nachempfinden
und erahnen, mit welch feinem Gehör der Funker die Morsezeichen aus
der Flut von Tönen herauszufiltern hatte. Zu den Höhepunkten
der Doppel-CD gehören zweifellos die Abschiedsmeldungen (Farewells)
namhafter Küstenfunkstellen, die sich mit einem letzten „CQ“ verabschiedeten.
„Leider
viel zu spät“ habe er sich zusammen mit Funker-Kollegen daran gemacht,
alles über den Seefunk zu archivieren, meint Föcking, der sich
auf den akustischen Teil spezialisiert hat. 1963 machte der gelernte Elektriker
aus Kleve am Niederrhein sein Funkpatent in Bremen, befuhr dann bis 1972
die Weltmeere: „Nur die Äquatortaufe habe ich nie gemacht“. Gerade
mal drei Tage vor der Schließung des Suezkanals während des
Sechs-Tage-Krieges 1967 zwischen Israel und Ägypten verließ
der die Schiffahrtstraße, und Colombo kennt er wie seine Westentasche.
– lag er doch dort 1965 einst 123 Tage auf Reede: „Irgendwer hat immer
gestreikt.“
Alles
andere als ruhig ist heute der Ruhestand des Oppenheimers, der zuletzt
als technischer Administrator in der AZ für reibungslose Kommunikationswege
sorgte. Die CD entsteht zum Selbstkostenpreis, und von den 15 Mark, die
frühere Kameraden und andere Interessierte gern hinblättern,
gehen noch sieben Mark Spende als Spende an die Seefunkkameradschaft Bremen.
Diese unterstützt damit auch die Wiederbelebung eines historischen
Telegramms am 15.05.00 nach 100 Jahren.
„Viele
Ehemalige haben sich durch die CD an die schönste Zeit ihres Lebens
erinnert und sich wieder für den Seefunk und die Kollegen interessiert“,
weiß Sylvester Föcking. Zum ersten Mal stellte er seine CD bei
der alljährlichen Generalversammlung der Seefunkkameradschaft im September
in Bremen vor, bei der stets viele Erinnerungen, genannt „Funkergesafte“,
ausgetauscht werden. Und wer sich auf den neuesten Funkerstand bringen
will, loggt sich einfach in Föckings Homepage http://www.seefunker.de
ein.
(Inhaltsverzeichnis
der beiden CDs)
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