Strom und Funk an Bord
Bericht © 2007: Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB

Das wohl erste Schiff mit einer elektrischen Stromversorgung und Beleuchtung war der von Thomas Alva Edison ausgerüstete Dampfer “Columbia“. Auf seiner Jungfernfahrt von New York nach San Francisco im Jahre 1880 (damals noch um Kap Horn herum) waren die 115 Kohlefadenlampen, schon auswechselbar mit Edisongewinde, die Sensation schlechthin. Dieses Beispiel machte Schule. Edison war ein entschiedener Vertreter  des Gleichstroms. Zwei Jahre später baute er in Manhattan das erste Kraftwerk mit 110 V Netzspannung. Aber schon in den darauf folgenden Jahren entwickelte Nikolaus Tesla seine Vorstellungen von Wechsel- und Drehstrom, die für die Elektrizitätsversorgung großer Gebiete entscheidende Vorteile versprachen und bei deren Verwirklichung ihn der Industrielle Westinghouse unterstützte. Aber 110 V Gleichstrom setzte sich zunächst auf Schiffen ebenso durch wie in den Zentren der Städte. Vor allem in Europa gab es später auch Gleichstromnetze mit 220 V, ebenso auf Schiffen. Für diese Netze wurden elektrische Geräte zunächst überwiegend gebaut. Über Jahrzehnte hinweg waren daher die durchaus erkennbaren Vorteile des Wechselstroms für die Schiffahrt kein Argument für eine Umstellung. Denn Kabellängen von maximal einigen hundert Metern, wie sie auf Schiffen anfallen, ließen sich auch mit Gleichstrom problemlos bewältigen. Mit Gleichstrom konnte man ebenfalls Lampen, Motore, Heizungen aller Art, Lüfter, Kühlschränke und Radios betreiben und über einen Vorwiderstand auf einfache Weise Akkumulatoren laden. Das wussten selbst die Lehrer im Physiksaal meiner Oberschule zu schätzen, solange wir Gleichstrom hatten. Dieser Gesichtspunkt war wichtig, denn Fahrzeuge aller Art, also auch Schiffe, kennen bei Nichtgebrauch einen Nullzustand, bei dem alles abgeschaltet wird. Mit der gespeicherten Energie eines Akkumulators kann daher bei der Wiederinbetriebnahme der erste Stromerzeuger wieder in Gang gebracht werden. Sonst hilft bei kleineren Generatoren nur eine Kurbel.

Generatoren

Üblicherweise sind für die Stromerzeugung an Bord mehrere Generatoren vorhanden. Ihr Typ und Einsatz hängt von der Art der Hauptmaschine ab sowie davon, in welchem Fahrtzustand das Schiff sich gerade befindet. Zu Edisons Pionierzeiten, vor der Erfindung des Explosionsmotors, gab es nur Dampfschiffe. Um schon im Hafen Strom zu erzeugen, musste man also zunächst einen Dampfkessel mit Kohlen heizen und konnte dann einen Dampfdynamo betreiben, eine Kombination aus Dampf- und Dynamomaschine. So arbeiteten auch an Land die ersten Kraftwerke (neben der Nutzung der Wasserkraft). Bei späteren Dampfschiffen mit Ölfeuerung lief das Anfahren andersherum ab. Zunächst wurde mit einem Dieselaggregat Strom erzeugt. Denn mit dem Strom von diesem Generator musste in der Regel zunächst das (billige aber schwere) Heizöl vorgewärmt werden, damit es durch die Düsen im Kessel fließen konnte. Bei genügendem Kesseldruck konnte dann ebenfalls der Dampfdynamo die Stromerzeugung übernehmen.

So einen Dampfdynamo habe ich 1957 auf meinem dritten Schiff noch erlebt. Mich hat er regelrecht fasziniert, wie geräuscharm er seine Arbeit tat und die Pleuel und Schiebestangen dabei hin und her flutschten. Überhaupt war das Fahren unter Dampf, mit Schraubendrehzahlen um einhundert, eine ungemein ruhiges und vibrationsarmes Erlebnis, zu dem manche gut restaurierte Dampfyachten noch heute für teures Geld einladen [1]. Denn die moderne Seefahrt hat sich in den letzten Jahrzehnten vom Dampf weitgehend verabschiedet, etwas auf Kosten des Maschinenpersonals, denn bei schnellaufenden Dieselmotoren ist die Nutzung eines Gehörschutzes bei Arbeiten im Maschinenraum eigentlich zwingend. An der Dampfmaschine selbst kann das Ende der Dampf-Ära kaum liegen, die hat ja konstruktiv mit dem Explosionsmotor vieles gemein, auch die Turbine hat sich bei anderen Energiearten durchgesetzt. Aber die wirtschaftliche Erzeugung, Weiterleitung und Aufrechterhaltung des Dampfdrucks ist und bleibt offenbar mit einigen Problemen und u. U. auch Gefahren verbunden.

Die meisten Schiffe, selbst die allergrößten, werden heute von Dieselmotoren angetrieben. Bei ihnen wird der Strom für das Bordnetz zunächst ebenfalls von einem kleineren Dieselaggregat geliefert. Erst wenn keine Maschinenmanöver mehr zu erwarten sind, wenn das Schiff also gleichmäßig voraus fährt, gibt es häufig noch eine Gemeinsamkeit von Motor- und älteren Dampfschiffen: Man koppelt einen sogenannten Wellengenerator an die Schraubenwelle, der dann die Stromversorgung übernimmt. Bei Schiffen mit mehreren Schrauben und vor allem bei modernen diesel-elektrischen Antrieben sind natürlich auch andere Verfahren denkbar, die Energie der Hauptmaschine(n) mit für die Bordstromversorgung zu nutzen.

Winschen

Die besten Winschen bei der Benutzung von Ladebäumen oder beim Ankerhieven sind in der rauen Praxis diejenigen, die sich in der Drehrichtung leicht umsteuern und in der Drehzahl problemlos und möglichst kontinuierlich ändern lassen. Ursprünglich konnten das die Dampfwinschen am besten. Dazu musste natürlich der Kessel auch im Hafen bei den Lade- und Löscharbeiten unter Druck gehalten werden. Gleichstromwinschen dagegen wurden geregelt wie bei der alten Straßenbahn: Mit einer Kurbel musste der Bedienende vorsichtig einen im Innern des Steuerpults liegenden Kontaktkranz abtasten und möglicht immer genau mit einem von ihnen Kontakt halten. War das nicht der Fall, was Ungeübten schwerfallen kann, dann drehte sich die Winsch zwar auch, aber im Innern des Steuerpults stand zwischen den Kontakten ein elektrischer Lichtbogen, der bei längerem Betrieb die Kontakte verbrannte.

Mit diesem Problem hatte sich besonders der Elektriker auf meinem zweiten Schiff (einem Motorschiff) auseinandersetzen müssen, interessant auch als ein Beispiel, welche Fehler so im Schiffsalltag einreißen können und lange nicht erkannt werden: An der Winsch vorn auf der Back war der Kontaktabbrand ungewöhnlich stark. Andauernd musste er neue Kontakte einsetzen; irgendetwas stimmte da nicht. Das Schiff hatte eine Zeitlang keinen Elektriker gefahren; der Chief (leitende Ingenieur) unterstützte ihn daher nach Kräften und stellte ihm den Plan der Winsch zur Verfügung, damit er ihn ausgiebig studieren konnte. Auf diesem Plan war ein Umschalthebel „Ankerspillbetrieb – Winschenbetrieb“ eingetragen, aber an der Winsch konnte er ihn zunächst nicht finden. Nach langem Suchen fand er dann zwar einen Hebel, der es hätte sein können, aber er rückte und rührte sich nicht. Mit einiger Phantasie konnte er sich schließlich vorstellen, dass dieser Hebel tatsächlich der gesuchte war, aber mit einer fleißig immer wieder erneuerten dicken Farbschicht in der Schnellgangstellung „Winschenbetrieb“ fixiert, nach der Devise „Farbe ist der Feind alles Beweglichen“. Nun war das Problem klar: Wurde in dieser Stellung ein Anker gehievt, dann stimmte für diese schwere Last die Übersetzung nicht, und der Motor zog einen elend hohen Strom, der die Kontakte sehr schnell verbrannte. Der Elektriker hat dann in mühevoller Arbeit den Hebel wieder beweglich gemacht und neue Kontakte eingesetzt. Aber damit diese Reparatur wenigstens einigermaßen von Nutzen war, musste er sich als Neuling an Bord über den Chief beim Bootsmann erst noch die nötige Autorität verschaffen, damit in Zukunft der Ganghebel ja korrekt bedient und von Farbe freigehalten wurde . . .

Funkempfänger

In einem Punkt weist das Gleichstromnetz von Schiffen eine Besonderheit auf: Aus Sicherheitsgründen ist es ja üblich, elektrische Installationen an einem geeigneten Punkt zu erden. Auf Schiffen hat man sich nun als Regel (die bekanntlich Ausnahmen zulässt) dazu entschlossen, den Pluspol zu erden! Denn bei der Erdung des Minuspols hätte sonst bei Feuchtigkeit oder gar auslaufendem oder eindringendem Wasser im Schiff die Gefahr bestanden, dass mit dem negativen Pol wie bei jeder Batterie auch der Metallkörper des Schiffes elektrolytisch angegriffen werden könnte. Das musste natürlich unbedingt vermieden werden.

Die allerersten Empfänger an Bord, die Detektorempfänger, brauchten allerdings überhaupt keine Stromversorgung; hören konnte man mit ihnen aber nicht allzu weit und auch nur mit Kopfhörern. Die ersten Röhrenempfänger waren für Batteriebetrieb ausgelegt und benötigten für die Heizung einen 4-V-Akkumulator und für die Anoden- und Gittervorspannungen eine Anodenbatterie, waren also ebenfalls vom Bordnetz unabhängig (Beispiele: Lorenz ERU 129 und Telefunken E 381). Mangels Zeitzeugen muss wohl offen bleiben, wie manche der auf dieser Webseite beschriebenen älteren Empfänger mit indirekt geheizten Röhren (Beispiele: E 436 und E 437) an Bord mit Strom versorgt worden sind. Denn deren Röhren RENS 1284 waren im Grunde für Wechselstromheizung gedacht. Auf Gleichstromschiffen ist für sie eigentlich nur eine Heizung aus einem 4-V-Akkumulator vorstellbar, oder aber über einen speziellen Umformer für Wechselstrom, der auf größeren Passagierschiffen durchaus zum Standard gehört haben könnte. Spätere am Bordnetz betriebene Seefunkempfänger waren als Allstromgeräte ausgelegt. Ihr Stromkreis für die Heizung der Röhren war für 110 oder 220 V umzuklemmen, während die Anodenspannung direkt von der Bordspannung abhing. Bei diesen Geräten führte die Erdung des Pluspols natürlich dazu, dass die Röhrenschaltungen bildlich „Kopf standen“: Gleichstrommäßig waren die Anoden mit Masse verbunden und die Kathoden mit der hochliegenden Minusspannung. Bei einem gut entwickelten Gerät wie dem E-66a von Siemens spielte das natürlich keine Rolle.

Auf meinem ersten Schiff 1956 hatte ich jedoch einen Notempfänger Debeg E 500. Bei dem hörte man schon bei wenig aufgedrehtem Lautstärkregler aus dem Lautsprecher deutlich einen typischen singenden Ton, der von den Kommutatoren des Gleichstromdynamos an Bord herrühren musste. Selbst Netzgleichstrom ist ja nicht so sauber wie Batteriestrom. Die Ursache beschäftigte mich. Erfahrungsgemäß war in einem Empfänger die für so eine Störeinkopplung empfindlichste Stelle die Leitung vom Lautstärkeregler zum Gitter der ersten NF-Verstärkerröhre. Eine Sichtprobe im geöffneten Gerät zeigte, dass diese Leitung geschirmt war; der Schirm war mit der Gerätemasse kontaktiert. Das ist allgemein so üblich, aber ob das auch hier bei der „Kopf stehenden“ Schaltung das Richtige war? Ich sagte mir dann, dass eine Röhre ja immer zwischen Gitter und Kathode gesteuert wird und lötete die Abschirmung daher versuchsweise an die Kathode dieser Röhre an. Und siehe da, der singende Störton war weg!

Korrekterweise hatte ich damals die Debeg, die die Funkanlage auf diesem Schiff betreute, von meiner Änderung unterrichtet. Dort war dieser Mangel des E 500 schon seit längerem bekannt und für die neue Serie mit der Erhöhung der Kapazität von drei Elektrolytkondensatoren behoben worden, ohne die Erdung der Abschirmung zu verlegen. So kann man es natürlich auch machen.

Nebenbei bemerkt verhalf mir eine andere Eigenheit des E 500 zu einem sehr einleuchtenden Schauexperiment über die Strahlungseigenschaften von Antennen. Auf dem St.Lorenz-Strom in Kanada war ich eines Tages erstaunt, auf diesem Empfänger ständig eine Funkbake durchzuhören, völlig unabhängig von der Skalenabstimmung. Auf dem Hauptempfänger E-66a kam diese Bake sehr stark bei etwa 535 kHz, lag also offenbar an Land in unmittelbarer Nähe. Das schien beim E 500 wohl ein ZF-Durchschlag zu sein, denn seine Zwischenfrequenz lag auf 550 kHz. Aber warum habe ich diese Bake auf dem E 500 nicht schön früher einmal gehört? Irgendetwas musste da noch mitspielen. Versuchsweise öffnete ich den Schalter für die Haupt-Sendeantenne. Da war der Durchschlag weg. Dann schloss ich diesen Schalter wieder und drehte am Antennenvariometer des (ausgeschalteten) Mittelwellensenders. Zu tiefen Frequenzen hin war kein ZF-Durchschlag zu hören, bei der Antennenabstimmung für 500 kHz schon deutlich, und oberhalb 500 kHz wurde der Durchschlag bis zum Anschlag des Variometers immer stärker. Dabei wurde der E 500 von einer Empfangsantenne gespeist; die Haupt-Sendeantenne arbeitete rein passiv mit der Antennenanpassung des Mittelwellensenders zusammen! Infolge ihrer Resonanzabstimmung auf die Frequenz der Funkbake war der Antennenstrom in ihr natürlich enorm angestiegen. Und wenn in einer Antenne ein Strom fließt, egal ob wie üblich durch einen angeschlossenen Sender oder in diesem Fall durch Strahlung von fern gespeist, dann strahlt sie auch ab, so auch auf die Empfangsantenne des eigenen Schiffes für den E 500. Für den war unter diesen Bedingungen die Empfangsenergie so stark, dass sie trotz Vorselektion über die Mischstufe hinweg die ZF erreichte und damit hörbar wurde. 

Aber zurück zum Thema Stromversorgung. Eine ziemlich ausgefallene Empfänger-Installation an einem Gleichstrom-Bordnetz hatte ich auf meinem dritten Schiff angetroffen. In der Mannschaftsmesse achtern stand ein Rundfunkgerät, aber es war nie in Betrieb. Auf mein Fragen wurde mir erklärt, das Gerät sei für Wechselstrom (wer hat denn das bloß beschafft?) und werde von einem eigenen rotierenden Umformer (auch das noch) mittschiffs unter einem Treppenaufgang gespeist. Aber dieser Umformer sei defekt. Und warum? Ausgeschaltet wurde, solange alles funktionierte, nur der Empfänger! Der Umformer lief also im Dauerbetrieb durch, bis er nicht mehr konnte. Ihn zu reparieren hätte wenig Sinn, er wäre ja in absehbarer Zeit wieder defekt gewesen.
Auf die gewählte Lösung des Problems kann man vielleicht nur kommen, wenn man wie ich als Radiobastler für ein ganzes Jahr im Pazifik verchartert war und als Funker einen Lötkolben zur Verfügung hatte: Ich baute den Wechselstrom-Empfänger auf Allstrom um. Der Netztrafo wurde ausgebaut, um Platz für den bei Allstromgeräten unvermeidlichen Heizvorwiderstand zu schaffen, und die Heizungen der Vorröhren des Empfängers (alle mit 6,3 Volt 0,3 Ampere) von Parallel- auf Serienspeisung umverdrahtet. 
Foto oben: Umbau des Empfängers am Arbeitsplatz des Funkoffiziers. Hinzukaufen musste ich in einem amerikanischen Hafen lediglich eine Lautsprecherröhre 25L6 mit ebenfalls 0,3 Ampere Heizstrom und einen Sockel dafür, ferner einen geeigneten Heizvorwiderstand mit Abgreifschelle sowie Trennkondensatoren für die  Antennen- und Erdbuchsen. Kritische Hochfrequenzschaltungen wurden bei diesem Umbau überhaupt nicht angetastet. Das funktionierte wie geplant; der Kapitän ersetzte mir die Auslagen.

Funksender

Trotz aller bisher genannten Anwendungsmöglichkeiten des Gleichstroms an Bord war der direkte Betrieb leistungsfähiger Röhrensender weder mit 110 V noch mit 220 V möglich. Dieses Problem hatten früher auch Funkamateure in Städten mit Gleichstromnetzen. Nur wenige wagten unter örtlich günstigen Voraussetzungen eine Abhilfe - durch das Anzapfen des 500-V-Fahrdrahtes der Straßenbahn! Mit ca 8000 V war der Spannungsbedarf für die alten Löschfunkensender aber noch wesentlich höher!

Allein für die Funksendetechnik entstand also schon sehr früh an Bord ein Bedarf an Wechselstrom. Da eine Löschfunkenstrecke so schnell wieder erlosch, dass 1000 Überschläge in der Sekunde möglich waren, wählte man (zumindest auf deutschen Schiffen, denn das System Marconi benutzte andere, sogar rotierende Funkstrecken, um das Abreißen des Funkens zu beschleunigen) einen Wechselstrom von 500 Hz, also mit 1000 Spannungsmaxima pro Sekunde. Dieser wurde zunächst mit einer Kombination aus Gleichstrommotor und Wechselstromdynamo aus dem Gleichstrom-Bordnetz gewonnen und lieferte üblicherweise 220 V Ausgangsspannung. Für den Notsendebetrieb aus der 24-V-Batterie war ein Umformer von 24 V Gleichstrom auf 220 V 500 Hz vorgesehen. Später lernte man die Motor-Dynamo-Kombinationen durch Einanker-Umformer zu ersetzen. Diese Umformer waren ebenso wie die Notbatterie in oder in unmittelbarer Nähe der Funkstation installiert und wurden nur für den Funkverkehr eingeschaltet. Sie hatten also wenig Verschleiß, im Gegensatz zu dem geschilderten „tragischen“ Schicksal des Umformers für das Wechselstromradio in der Mannschaftsmesse. Die eigentliche Hochspannung wurde dann mit einem Transformator direkt im oder am Sender erzeugt. Denn in der Anfangszeit hatten die Sender ja eine ziemlich offene Bauweise und bestanden aus mehreren Komponenten. Beim Löschfunkensender wurde die 220-V-Spannung im Rhythmus der Morsezeichen getastet. An den Tastkontakten musste man also schon vorsichtig sein, an den anderen Baugruppen des Senders natürlich noch mehr!

Aber die Vorherrschaft der Löschfunkensender dauerte nur ein bis zwei Jahrzehnte, dann konnte man die benötigten Sendeleistungen auch mit den neuen Elektronenröhren erzeugen. Löschfunkensender sendeten ein ziemlich breites Spektrum aus, was bei höherer Funkverkehrsdichte das gleichzeitige Nebeneinander mehrerer solcher Sender problematisch machte. Röhrensender dagegen arbeiten auf einer definierten Frequenz, bedeuteten also einen unverkennbarer Fortschritt. Trotzdem mag die Umstellung auf die neue Technik nicht immer einhelligen Beifall ausgelöst haben. Bei der Umrüstung blieben die Löschfunkensender zunächst als Notsender erhalten, und die vorhandenen 500-Hz-Umformer erwiesen sich noch als gut brauchbar. Es bot sich daher an, die Röhrensender für Schiffe ebenfalls für eine Versorgung mit 220 V 500 Hz auszulegen!

Beim Studium der Unterlagen alter Röhrensender aus der Zeit um 1915-1930 auf dieser Webseite stößt man allerdings auch auf ganz andere Generatoren mit anderen Versorgungsspannungen; die Technik war eben in den Anfangsjahren noch nicht sehr einheitlich. Die zunächst verwendeten einstufigen Röhrensender (Beispiele: MRS I, S307, S309) dürften es den damaligen Funkern wirklich nicht leicht gemacht haben. Denn bei ihnen hatte sowohl die Bedienung des Schwingkreises als auch die der Antennenanpassung Einfluss auf die erzeugte Frequenz. Dass solche Sender sich bei dem häufigen Frequenzwechsel im Seefunkdienst nicht durchsetzen konnten, ist aus heutiger Sicht überhaupt kein Wunder. Im Vergleich dazu war der sogenannte Betrieb der Senderöhren in „Selbstgleichrichtung“ (mit 500 Hz Wechselspannung an der Anode, um die Gleichrichterröhren einzusparen) noch harmlos. Später war ein solcher Betrieb nur noch bei Notbetrieb aus der 24-V-Batterie üblich. Denn die Selbstgleichrichtung war dem Sender anzuhören; sein Spektrum war breiter als sonst üblich. Der erfolgreiche Einsatz des einstufigen Senders ARS78 bei Norddeich Radio ist wohl dadurch zu erklären, dass dieser Sender schon Gleichrichterröhren hatte (für die nachgerüstete Telefonie war das nötig) und dort immer auf der gleichen Frequenz betrieben werden konnte.

Erst ab den 30iger Jahren setzten sich dann zweistufige Mittelwellensender durch. Bei ihnen war die eingestellte Frequenz von der Antennenanpassung praktisch unabhängig. Diese Technik ist noch gut dokumentiert anhand des Blockschaltbildes des Telefunken-Senders S 119: Aus den 220 V 500 Hz wurden mit einem Transformator die negative Sperrspannung für die Tastung der Steuerstufe sowie umschaltbare Gittervorspannungen für die Leistungsstufung der Endstufe erzeugt. Ein zweiter Transformator lieferte eine Anodenspannung für die Steuerstufe und eine höhere Anodenspannung für die Endstufe. Die Erzeugung der Heizspannungen für die Röhren ist in dem Blockschaltbild nicht erfasst. Als besonders einfach erwies sich bei dieser Stromversorgung die Erzeugung der Modulationsleistung für tönende Telegrafie: Diese Leistung, immerhin etwa so groß wie die Ausgangsleistung selbst, konnte einfach der 220-V-500-Hz-Versorgung entnommen werden! Das hatte allerdings einen urigen Nebeneffekt: Wurde das Gleichstrom-Bordnetz vom Wellengenerator betrieben, dann äußerte sich das beim Funken in schwerer See in einem unkonstanten Modulationston des Senders! Denn wenn die Schiffsschraube unter diesen Bedingungen ab und zu aus dem Wasser herauskam, drehte sich mit ihr auch der Wellengenerator entsprechend schneller, die Bordspannung stieg an und mit ihr auch die Frequenz der Wechselspannung. So konnte man am Empfänger deutlich miterleben, wie das ferne Schiff in der See arbeitete!

Tönende Telegrafie (früher A2, heute A2A)

Woher kam eigentlich im Küsten- und Seefunkdienst die Notwendigkeit für die tönende Telegrafie? Dazu muss man sich in die Zeit der Umstellung vom Löschfunkensender auf den Röhrensender hineindenken und die alten Empfängerbeschreibungen genau lesen. Das breite Spektrum des Löschfunkensenders konnte man in jedem Detektorempfänger oder Röhrenradio relativ schnell finden. Im Vergleich dazu war es recht schwierig, beim Durchdrehen des Abstimmknopfes einen unmodulierten Telegrafiesender anhand seines tuckernden Tastgeräusches überhaupt erst einmal zu erkennen. Erst dann konnte man ihn mit einem besonderen Telegrafieüberlagerer als Pfeifton hörbar machen. Aber dieser Überlager musste bei den allerersten Röhrenempfängern noch für jede Empfangsfrequenz getrennt eingestellt werden! Das alte, manchem vielleicht noch vertraute Audion mit Rückkopplung oder den heute üblichen Superhetempfänger mit Telegrafieüberlagerer (BFO auf der ZF) gab es zunächst noch nicht. Ein Sender mit tönender Telegrafie war also leichter zu finden, sowohl im Detektorempfänger als auch ohne Telegrafieüberlagerer im Röhrenempfänger. Aus diesem Grunde gab es zu Anfang auch die Röhrensender mit Selbstgleichrichtung, die nur A2 konnten.

Hervorzuheben ist, dass auch bei tönender Telegrafie stets die gesamte Aussendung getastet wurde, also nicht nur die Modulation, sondern ebenfalls der Träger. Im Küsten- und Seefunkdienst wurde auch die tönende Telegrafie immer mit eingeschaltetem Telegrafieüberlagerer (BFO) empfangen! Das erscheint bei einer tonmodulierten AM-Aussendung zunächst widersinnig. Aber man wollte ja nicht unbedingt diesen Ton hören, sondern in erster Linie deutliche Morsezeichen. Denn bei der Überlagerung einer A2-Sendung mit einem Telegrafieüberlagerer ergibt sich nicht nur eine höhere Empfindlichkeit des Empfängers. Es entsteht gleichzeitig ein außerordentlich markantes Morsesignal, das sich aus drei Tonfrequenzen zusammensetzt: Der Überlagerer produziert bei A2 sowohl einen Ton mit dem Träger als auch mit jedem der beiden Seitenbänder des AM-Signals! Konsequenz: Dreht man über ein Frequenzband und hört unter mehreren tonlos (A1) getasteten Sendern einen mit tönender Telegrafie, erregt dieser unwillkürlich eine höhere Aufmerksamkeit.

Zur Wirkung der trägergetasteten A2 ist mir noch eine schöne Geschichte aus dem Amateurfunk von 1960 in Erinnerung: Zu jener Zeit hatten die meist selbst gebauten Amateurfunkgeräte noch keine allzu genaue Eichung. Daher machte Willi, DL9UJ aus Ulm, einmal im Monat am Sonntagvormittag für den süddeutschen Raum auf dem 80-m-Band eine Eichfrequenzsendung, alle 50 kHz von Bandanfang bis zum Bandende. Auch ich kontrollierte damit gerne die Eichkurve meines Steuersenders (VFO). Auf jede Eichfrequenz setzte er einen konstanten Träger und gab sein Rufzeichen mit einem getasteten Modulationston. Im CW-Band ging das noch relativ gut, aber wenn er auf den Eichfrequenzen im Fonieband senden wollte, gab es bei den damals üblichen AM-Runden ein heilloses Durcheinander. Sein Träger verursache mit jedem AM-Signal ein starkes Pfeifen, in dem sein tongetastetes Rufzeichen ziemlich unterging. Daher verstand kaum jemand den Grund dieses neuen störenden Pfeifens. Ich kannte aus meiner Küsten- und Seefunkzeit die Wirkung einer trägergetasteten A2 und machte ihm auf einer Postkarte den Vorschlag, bei seinem Sender Träger und Modulation parallel zu tasten. Danach war sein Auftritt im AM-Gedrängel durchschlagend: Die vorher störenden AM-Träger wirkten nun für seine A2 in AM-Empfängern wie Telegrafieüberlagerer; sein Rufzeichen war deutlich hörbar. Und nachdem die Eichfrequenz frei gemorst war, konnte man DL9UJ mit seiner Tonmodulation immer noch in AM hören. „Willi, wenn Du mit deiner A2 kommscht, die ist derart durchdringend, da bleibt kein Auge trocken“, kommentierte dann eine Schwabenstimme die neue Situation.

Umstellung auf Wechselstrom

Drehstrom-Kraftwerke entstanden von Anfang an außerhalb großer Ortschaften, an Orten, an denen Energie wie Wasserkraft oder Kohle günstig bereitgestellt werden konnte. Daher waren schon in den 20iger und 30iger Jahren die ersten Abnehmer von Wechsel- und Drehstrom Gewerbebetriebe und Ortschaften im Versorgungsbereich der nach und nach entstehenden Hochspannungsleitungen. Bereits 1933 baute man den Volksempfänger VE301 sowohl für Gleich- und Wechselstrom als auch für Batteriebetrieb (bis 1945 gab es in Deutschland immer noch ländliche Gebiete ohne Stromversorgung). Nach dem 2. Weltkrieg erleichterte der Wiederaufbau in Deutschland auch in den Städten die Umstellung auf Wechselstrom. Sie begann üblicherweise am Stadtrand, denn der neue Strom kam ja von außerhalb, und arbeitete sich nach und nach bis zum alten Gleichstromkraftwerk in der Stadtmitte vor, das dann stillgelegt werden konnte. In der Bundesrepublik war die Umstellung etwa Mitte der 50iger Jahre abgeschlossen. Dagegen sollen nach einer englischen Wikipedia-Seite in der Innenstadt von New York manche alte Gleichstromgeräte noch bis 2005 betrieben worden sein.

Der Beginn des Schiffbaues in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg war ebenfalls noch vom Gleichstrom geprägt. Aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Wechselstrom mit seinen Vorteilen auch auf Schiffen genutzt werden würde. Daher hatte z. B. die Debeg schon 1954 die Sender S 519 für Mittelwelle und S 526 für Kurzwelle im Programm, die wahlweise mit einem Stromversorgungsgerät StG 519 für 220 V 500 Hz aus einem Umformer an Gleichstrom-Bordnetzen oder dem StG 519-50Si für 50-Hz-Netze kombiniert werden konnten. Zwar musste man nun an einem Wechselstromnetz bei den Mittelwellensendern die Modulationsleistung für die tönende Telegrafie (A2) mit einem Tongenerator und einem Gegentakt-Röhrenverstärker erzeugen, also mit dem gleichen Aufwand wie bei Sprechfunksendern. Denn ein „500-Hz-Netz“ für die direkte Modulation stand nun nicht mehr zur Verfügung. Dafür fiel mit diesem neuen Weg der schon beschriebene Schönheitsfehler weg: Der Modulationston war nicht mehr von der Drehzahl des Wellengenerators abhängig! Der Seefunk-Empfänger E-566a, der 1957 zum Einsatz kam, war bereits ein reines Wechselstromgerät, für seinen Betrieb an älteren Schiffen mit Gleichstromnetz war ein Wechselrichter erforderlich. Die gegen Ende der 60iger Jahre auch bei kommerziellen Funkempfängern einsetzende Transistorisierung nutzte ebenfalls die Vorteile des Wechselstroms für die Erzeugung der dazu erforderlichen niedrigen Betriebsspannungen. Empfänger und Notsender ließen sich ohne weiteres für  24 V auslegen und vereinfachten damit auch die Versorgung aus der althergebrachten Notbatterie enorm.

Etwas langwieriger war für die Schiffahrt wohl die Entwicklung von praxisgerechten, mit Wechsel- oder Drehstrom betriebenen Winschen. Aus meiner Fahrenszeit 1956-58 sind mir noch Artikel über sogenannte Leonard-Winschen in der Zeitschrift „Hansa“ in Erinnerung. Aber das war eigentlich noch eine ältere Technik zur Drehzahlregelung von Gleichstrommotoren. Die Verfügbarkeit regelbarer Wechselstromantriebe mag die Einführung des Wechselstromes an Bord noch verzögert haben. Erst ab den 60iger Jahren wurden Schiffsneubauten zunehmend mit Wechselstromtechnik ausgerüstet. Dabei kam mehr und mehr auch die moderne Halbleitertechnik zur Anwendung. Sie ersetzte nicht nur die alten Sirutoren als Gleichrichter zum Laden von Akkumulatoren. Leistungsfähige Siliziumhalbleiter, Thyristoren, Triacs und über Frequenzumsetzer geregelte Drehstrommotore führten in den kommenden Jahren schließlich zu dem heutigen Stand der Antriebstechnik, der wohl kaum noch Wünsche offen lässt.

Allerdings etablierten sich bei der Einführung des Wechselstromes in der Schiffahrt wieder zwei verschiedenen Netzspannungen, 110-115 V und 220-230 V, übernommen von den Verhältnissen an Land. Auf diesen Unterschied muss auch heute noch jeder Passagier vor Antritt der Schiffsreisen achten, immerhin kann er ihn mit einem Transformator noch relativ einfach ausgleichen. Parallel dazu führte sich aber noch eine andere Unterscheidung ein, die sich bei manchen Geräten nicht so einfach korrigieren lässt: Je nach Wunsch des Schiffseigners werden die elektrischen Installationen an Bord für 50 Hz oder 60 Hz ausgelegt. Für den Betrieb des Schiffes selbst ist das belanglos. Für 50 Hz gebaute Transformatoren arbeiten auch bei 60 Hz. Nur selten sind 60-Hz-Transformatoren so knapp dimensioniert, dass ihr Ruhestrom an 50 Hz bereits zu hoch wird. Kritisch dagegen waren manche Uhren und Tonbandgeräte, deren Laufgeschwindigkeit mit der Netzfrequenz verknüpft war. Da musste so mancher Seemann feststellen, dass Aufnahmen nach dem Wechsel der Netzfrequenz nicht mehr in der richtigen Tonhöhe abgespielt werden konnten.

Derzeit ist die moderne Technik ja dabei, selbst die altbewährte Schraubenwelle im Schiffbau abzuschaffen (und damit den Wellengenerator!): Die Antriebskraft des Schiffes von Dieselgeneratoren zunächst in Form elektrischer Energie zu erzeugen wird ja schon länger genutzt. Aber den Strom dann an schwenkbare Gondeln am Heck zu leiten, in denen Elektromotore die Schrauben direkt antreiben, während das Schwenken der Gondeln das althergebrachte Ruder ersetzt, erinnert im Prinzip an den bei kleinsten Fahrzeugen schon lange verwendeten Außenbordmotor! Nun wird dieses Verfahren, wie am Beispiel der “Queen Mary 2“ publikumswirksam gezeigt, selbst bei den größten Schiffen angewendet.


[1]www.ssdelphine.com
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Version: 06-Oct-07 / Rev.: 11-Jun-11 / HBu