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September
1966, ich bin Funker auf der „Kandelfels“/DEER
und auf der Fahrt vom Persischen Golf nach Amerika. Wir haben gerade „Gibraltar“
passiert, unser erster US-Hafen soll New York sein. Da wir ein Wetterschiff
sind, setze ich alle drei Stunden ein „OBS“ ab. Täglich zeichne ich
zweimal eine Wetterkarte, eine um die Mittagszeit, eine um Mitternacht.
Über das Wetter der kommenden Tage sind wir also bestens informiert.
Die „Kandelfels“ fährt fast in Ballast, wir haben nur 2000 Tonnen
geladen, Fässer im Zwischendeck, gut mit Drahtseilen gelascht. Der
Funkverkehr in diesem Seegebiet, selbst wenn man ihn nur beobachtete, war
für einen „Hansa“-Funker immer interessant, besonders in der Nähe
der Kanarischen Inseln und später bei den Azoren, wer erinnert sich
nicht an diese Rufzeichen, „Las Palmas“/EAL, „Tenerife“/EAT, sowie „Sao
Miguel“/CUG und „Horta“/CTH? Noch heute habe ich diese Zeichen im Ohr,
als hätte ich sie gestern gehört. Von allen Stationen habe ich
Morsezeichen auf einer Kassette.
Wetterkarte
vom Nordatlantik
(Musterkarte) |
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Zone 1 (Acores) bis Zone 4 (Acores) Zone 1 = 44° N – 37° N und 20° W – 30° W Zone 2 = 44° N – 37° N und 30° W – 40° W Zone 3 = 37° N – 30° N und 20° W – 30° W Zone 4 = 37° N – 30° N und 30° W – 40° W Ich hatte in diesen Tagen häufiger ein QSO auf Mittelwelle mit einem „Kümo“ aus Hamburg, dessen Reeder als ausgesprochen „geizig“ bekannt war. Der Kollege erzählte mir, daß er in Bremen eine „Funksicherheitsprüfung“ gehabt hätte, in der so gut wie alles beanstandet worden war. So besaß er nur eine Mittelwellen-Funkanlage mit einem Quarz für 500 kHz und einer einzigen Arbeitsfrequenz. Man hatte das Schiff letztendlich mit einer Auflage fahren lassen, in Rotterdam zusätzliche Quarze für Arbeitsfrequenzen einzubauen. Diese Auflage des Prüfbeamten wurde wohl nicht beachtet. So fuhr der arme OM weiterhin mit seinen zwei Frequenzen. Das Schiff sollte in Mittelamerika in Charter gehen. Der OM erzählte mir auch, daß auf der Brücke die Holzwände unter den Brückenfenstern nicht fest, sondern alle lose und nur dagegengestellt waren. Wie war ich froh, bei der D.D.G.-„Hansa“ zu sein. |
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Nachdem
wir die Azoren passiert hatten, erhielten wir ein Telegramm über „Norddeich
Radio“, in dem uns die Reederei mitteilte, daß wir aufgrund des Ostküstenstreiks,
Kurs auf die Bermudas nehmen sollten, um uns dort mit der „Wachtfels“ zu
treffen. Die „Wachtfels“ kam aus dem Golf von Mexiko. Wir sollten in Hamilton
im Päckchen zusammenliegend, die Ostküstenladung der „Wachtfels“
übernehmen, die danach ihre Reise nach Tripolis fortsetzen sollte.
Die Ladungsübernahme, so hoffte man in Bremen, würde so lange dauern, bis der Streik in den US-Häfen beendet sei. Bevor wir jedoch den Kurs auf die Bermudas änderten, sollten wir noch einen heftigen Sturm erleben, - den heftigsten Sturm, den ich überhaupt je erlebte während meiner Seefahrtzeit -. Er wurde dann auch später im „Mariners Weather Log“ zum „Monster of the Month“ benannt. Nach den Aufzeichnungen der Wetterkarte sahen wir (der 2. Offz. und ich, das Sturmtief ankommen und machten den Kapitän darauf aufmerksam. Wir hofften, er würde dieses Sturmtief südlich umfahren. Doch bei einem Kapitän aus „Ostrhauderfehn, ein vergeblicher Versuch: „Dat hebbt wi nie nich mookt, jümmers för de Hansa, jümmers liek ut!“. Karte der Bermudas |
Die „Kandelfels“ war ein gutes Seeschiff, und sie hielt sich tapfer, wenn auch einiges kaputt ging. Ich weiß nicht mehr, wie hoch die Wellen waren, aber wir schaukelten wie wild, Windstärke 12! |
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Als
besonders unangenehm empfindet man es in der Dunkelheit, ich erinnere mich,
daß ich einmal kurz während meiner wachfreien Zeit auf der Brücke
stand und aus dem Fenster blickte, ganz oben in der Ecke des Brückenfensters
sah ich die Wellenkante, sofort zog ich mich wieder zurück in meinen
Funkraum. Als ich ein Buch aufheben wollte, flog mir von hinten der Verstärker
der Musikanlage in den Rücken. Als wir uns im Auge des Sturmtiefs
befanden, war es plötzlich ganz ruhig, „Gott sei Dank, dachte ich,
geschafft!“ Heute weiß ich, was Rückseitenwetter bedeutet! Mit
vorangestelltem „TTT“ setzte ich die Wettermeldungen unseres QTH’s an das
OWS „E“ ab, das mich darum gebeten hatte.
„Monster of the Month“ |
Es war eine fürchterliche Nacht, am nächsten Morgen jedoch, als es hell wurde, wir hatten immer noch Windstärke 12, sah alles schon viel ungefährlicher aus. Fest in eine Ecke geklemmt saß auf meinem Stuhl, und hielt den Funkverkehr mit dem Wetterschiff aufrecht. Der FO des OWS erzählte mir später, daß sich sein Schiff, ein Zerstörer aus dem Zweiten Weltkrieg, während des Sturmes fast 45° nach beiden Seiten gelegt hatte. |
Der
Kollege vom Hamburger Kümo rief mich auch wieder, er hatte meine Wettermeldungen
aufgenommen. Da sie aber dem Sturmtief ausgewichen waren, hatten sie weiterhin
gutes Wetter gehabt. Als es dann endlich wieder ruhiger wurde, und der
2. Offizier einen Inspektionsgang durch das Zwischendeck vornahm, stellte
er fest, daß sich die Stahltrossen, die um die Fässer gespannt
waren, gelöst hatten. Nur noch ein wenig länger Schlechtwetter,
und alle Fässer wären in das untere Deck gefallen, wie es dann
ausgesehen hätte, darüber mochte keiner nachdenken.
Nachdem wir das „Monster“ abgewettert hatten, wurde die Kurs- änderung vorgenommen, wir steuerten jetzt Richtung Bermuda. QTH
des Wetterschiffes ca. 33° N, 49°5 W
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Der
Kapitän bat mich, ein Telegramm an die Agentur in Hamilton abzusetzen.
„Bermuda Radio“/VRT war eine sehr gute Küstenfunkstelle, sie arbeitete
exakt und ich hatte sofort eine Verbindung auf 8 MHz.
QTH = 32° 23‘ N, 64° 40‘ W KW 4277.0 kHz 09.00 – 09.30 6487.5 kHz 00.00 – 00.30 8718.4 kHz 13.00 – 13.30 21.20 – 21.45 12709.2 kHz 12.18 – 12.45 19.18 – 19.45 16.18 – 16.45 16947.6 kHz 18.00 – 18.30 außerdem: 6279.75 kHz 00.30-02.00 23.00 – 24.00 Sammelanruf: h+03 jede ungerade Stunde auf den jeweils betriebenen Frequenzen, 18.03 auch auf 16947.6 kHz KW R/T 4422.2 kHz 8789.6 kHz 13199.5 kHz 17293.5 kHz A3, A3A und A3H 4419.0 kHz 8786.4 kHz 13116.0 kHz 17290,0 kHz A3H |
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Irgendwann
liefen wir dann in Hamilton ein, legten uns neben die „Wachtfels“, die
schon auf uns gewartet hatte, und übernahmen die Ladung, die für
die Ostküste der USA bestimmt war. Da ich als Funker bei der Hansa
keine Abrechnung machen mußte, hatte ich Zeit, mir die Insel anzuschauen.
Es gab wundervoll gepflegte Häuser und alles war perfekt sauber. In
der City entdeckte ich ein Moped-Verleihgeschäft, das war das richtige
für mich, für 'nen „Appel und 'n Ei“ mietete ich mir eines, und
fuhr damit los. Zuerst erkundete ich die nördliche Seite, also alles
um St. Georg herum, dann ging es bis rüber nach Irland Island, eine
wunderschöne Fahrt.
Als ich über die „Long Bird Bridge“ fuhr, durch das Motorengeräusch des Mopeds konnte ich andere Geräusche nicht so gut hören, spürte ich plötzlich ein Kribbeln im Bauch, im selben Moment rauschte von hinten kommend eine „Boeing 747“ über mich hinweg. Ich hatte das Gefühl, als hätte sie mich berührt, so tief flog sie. Von weitem konnte ich sie auf dem zivilen Flughafen landen sehen. Flughäfen zu sehen, berührte mich damals immer sehr, wahrscheinlich war es der Gedanke, mit einem Flugzeug schnell zu Hause sein zu können. Auf dem Platz wo ich stand, fiel mir ein Schild auf, „Distances from Bermuda“, in Miles, bis London 3445, bis Paris 3518 und bis New York 774 Meilen. In der Ortschaft „Flatts“, am „Harrington Sound“ gab es ein wunderschönes Aquarium. Ich fuhr immer an der Küste entlang, Mopedfahrer, die mir entgegenkamen, waren meistens Besatzungsmitglieder der „Kandelfels“. Ausschnitt FT-Station M/S „Kandelfels“/DEER |
So
entdeckte ich den 2. Offizier, mit dem ich mich besonders gut verstand,
wir machten die Inselfahrt jetzt zu zweit, natürlich holten wir auf
den freien Strecken alles aus der „Kiste“ heraus, was möglich war.
Es war eine schöne Zeit die wir hier, durch einen Zufall, verbringen konnten, aber irgendwann waren auch diese Tage vorbei, und so verabschiedeten wir zuerst die „Wachtfels“, die ihre Reise nach Tripolis fortsetzte. Wir selbst nahmen nach dem Auslaufen Kurs auf New York, denn zwischenzeitlich war der Streik beendet. Es folgten US-Häfen bis in den Golf von Mexiko. Unter dem 15.09.1966 habe ich in meinen privaten Unterlagen noch vermerkt: „Boxkampf Cassius Clay gegen Karl Mildenberger“, 2 Starfighter der Bundeswehr abgestürzt und U „Hai“ gesunken, Telegramm vom Verkehrsminister mit der Order, die Flagge auf Halbmast zu setzen. Eine weitere traurige Angelegenheit sollte nicht unerwähnt bleiben. Wir hatten eine komplette deutsche Besatzung an Bord. Wie es wohl jeder von uns schon gesehen hat, hielten die Matrosen ab und zu richtige „Saufgelage“ ab. An einem Abend, an dem so ein Gelage stattgefunden hatte, waren wohl Wetten abgeschlossen worden, „wer traut sich aus der Saling in das Hafenbecken zu springen“. Einer der Matrosen wagte diese Mutprobe, es wäre bestimmt auch gut gegangen, hätte nicht die Windhutze an der Backbordseite im Wege gestanden. Er starb auf dem Wege ins Krankenhaus. Wir haben ihn, mit dem Gesicht der untergehenden Sonne zugewandt, auf den Bermudas beerdigt. Besonders traurig machte mich die Tatsache, daß seine Mutter alleine in der damaligen DDR wohnte. Er hatte ihr oft ein Telegramm geschickt und auch häufig Briefe geschrieben. Ich wußte das, brachte ich doch als „Sparks“ in den Häfen immer die Briefe selbst zur Post. Das letzte Telegramm, zu ihrem Geburtstag, hatte er mir gerade vor einigen Tagen gegeben. Es muß für sie unendlich traurig gewesen sein, als sie von der Reederei benachrichtigt worden ist. Als wir unseren letzten Hafen im Golf von Mexiko bedient hatten, fuhren wir zurück nach New York, um von dort unsere Rückreise (voll mit Caterpiller-Fahrzeugen) anzutreten. In den DAAH-Perioden hörte ich auch die „Wildenfels“ von Montreal, Halifax, St. Johns kommend, ich bilde mir immer ein, hier zum ersten Mal den Namen S.„Föcking“ gehört zu haben. |
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Die
Bermudas entdeckt
Die Bermudas
entdeckt
Besiedelt
Besiedelt |
von
Juan des Bermudez
von Sir George Somers durch die Virginia Company durch die Bermuda Company |
Spanisch
Britisch Britisch Britisch |
1503
1609 1612 1614 |
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In
der Schule wurde uns empfohlen, für jede Reise eine Liste der Küstenfunkstellen
anzulegen, mit denen man voraussichtlich arbeiten würde. Ich hielt
das nicht für notwendig, denn man hatte alle Angaben im „NFD“ Bd.
1. Irgendwann hatte ich mir im Laufe der Zeit dann aber doch einen kleinen
Kasten mit Karteikarten angelegt. Heute, wo man in den bis zum Schluß
berichtigten „Nautischen Funkdiensten“ keine Angaben mehr über die
damaligen CW-Küstenfunkstellen findet, profitiere ich davon.
Eine
meiner Karteikarten mit den Angaben von
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