Obwohl
schon drei Jahre vorher das Seenotzeichen „SOS“ international vorgeschrieben
war, benutzten die Marconi-Funker im Jahre 1909 noch das „CQD“, das im
Jahre 1904 eingeführt worden war. Die Rettung der Passagiere der „Republic“
war die erste bedeutende Rettung aus Seenot, in der die drahtlose Telegraphie
eine wesentliche Rolle spielte und sie machte die gesamte Welt aufmerksam.
CQD
Die Geschichte
der ersten Rettung durch drahtlose Telegraphie auf See, erzählt von
Jack Binns, der in den alten Tagen des Funks, als eine 10-Inch-Funkenspule
und ein Magnetdetektor der Gipfel der Technik waren, ein Held wurde, aufgeschrieben
von:
Alfred
M. Caddell
veröffentlicht
im
Radio
Broadcast, April, 1924
Ernste
Unfälle von Passagierschiffen auf See waren selten in diesen Tagen.
Halten Sie inne und überlegen einen Moment! Sehen Sie, Sie können
sich nicht erinnern, wann sich das letzte große Unglück auf
See ereignete. Die Jahre des Krieges sollten nicht mitgezählt werden,
denn das Sinken der „Lusitania“ zum Beispiel, war nicht auf falsche Navigation
oder auf das Schicksal auf See zurückzuführen.
Tatsache
ist, daß die Telegraphie die Navigation so unterstützt hat,
daß Unfälle praktisch nicht vorkamen. Jedes große Schiff
war während der gesamten Reise mit beiden Küsten des Atlantiks
in ständigem Kontakt, die Chronometer wurden zweimal am Tag durch
ein Zeitzeichen korrigiert, und wenn die Schiffe in dicken Nebel oder schweres
Wetter gerieten, wurden sie durch Funkfeuer geführt. Diese Funkfeuer
standen an fast jeder Küste, jedem Schiff zur Verfügung, ob groß
oder klein. Für uns als Heranwachsende war die Telegraphie, besonders
was den Seefunk betraf, etwas Selbstverständliches.
Die
Öffentlichkeit erwartete von der drahtlosen Telegraphie große
Dinge – und, sie wurde nicht enttäuscht. Aber es war noch gar nicht
so lange her, daß die Radiowellen ihre Brauchbarkeit unter Beweis
stellen mußten. Sogar die großen Schiffe prahlten damit, einen
Funker an Bord zu haben, obwohl er ja nur einen Teil des Tages seine Station
besetzt hielt. Die Sender reichten noch nicht so weit, und sie waren auch
noch nicht so zuverlässig. Die Öffentlichkeit war, auch wenn
viele von der Telegraphie überzeugt waren, noch ziemlich skeptisch.
Als
aber Jack Binns im Jahre 1909 auf der „Republic“ an der Taste saß,
und seinen Notruf sendete, der es ihm ermöglichte, die Hilfe der nächstgelegenen
Landstation und der vielen Schiffe in der Nähe der Unglücksstelle
zu erreichen, und er dadurch Tausende von Menschenleben rettete, fühlten
die Amerikaner, daß diese Telegraphie etwas bewirken konnte.
Jack
Binns hat mir diese spannende Geschichte der „Republic“ selbst erzählt,
genauso, wie sie sich zugetragen hat.
A.M.C.
Es
war am 23. Januar 1909, vier Uhr morgens. Das Dampfschiff „Republic“ unter
dem Befehl des Kapitäns Inman Sealby hatte um 05.00 Uhr mit 1600 Passagieren
an Bord, New York auf dem Wege nach Liverpool verlassen. Jack Binns war
der einzige Funker an Bord. Beinahe unmittelbar nach Passieren von Sandy
Hook geriet das Schiff in eine dicke Nebelwand, so daß das automatische
Nebelhorn eingeschaltet werden mußte. Binns saß an seiner Taste,
empfing und sendete bis Mitternacht Geschäftstelegramme und tauschte
seine Position mit anderen Schiffen und Küstenfunkstellen aus. Danach
ging er in seine Koje um zu schlafen. Wie alle Funker schlief Binns mehr
oder weniger in wachem Zustand. Alles ging gut, bis acht Uhr, und dann
.......
Erwacht
von den plötzlich geänderten Nebelsignalen saß Binns aufrecht
auf der Kante seiner Koje und hörte, eine Sekunde, zwei Sekunden,
drei Sekunden ......
Ein
Zittern ging durch das ganze Schiff, dann ein wahnsinniges Krachen. Von
seiner Koje aufspringend lief er zu seinem Funkraum, der Achterkante Backbordseite
lag, und schaute in völlige Dunkelheit. Wie den Blasebalg einer Ziehharmonika
zusammendrückend, hatte der untere Teil des kollidierenden Schiffes
den Maschinenraum rechtwinklich und voll getroffen, während sich der
obere Teil seinen Weg durch die Kabinen an Deck bahnte, und wie ein drohender
Berg aus verbogenem Stahl darüber hängen blieb. Das Dach der
Funkkabine brach zusammen, ein Teil des Funkraumes wurde einfach weggerissen.
Es
herrschte eine starke Strömung, die das kollidierende Schiff und die
„Republic" herumdrehte und dabei ihre Davits, Stützen und Bäume
verbog. Jack stand zwischen Leben und Tod. Das Telefon zwischen der Funkstation
und der Brücke war zerstört. Im Gegensatz zu vielen anderen auf
seinem Schiff, verlor er jedoch nicht die Nerven. Er begann zu überlegen.
War seine Funkstation funktionstüchtig? War die Antenne intakt?
Das
System das wir damals benutzten, ermöglichte es mir, es schnell herauszufinden,
sagte Jack Binns, als der Autor ihn in seinem Büro der „New York Tribune“
besuchte. Ich hatte einen Sender, der aus einer 10-inch-Funkenspule bestand
und vom Netz des Schiffes gespeist wurde und der entweder unabgestimmt
auf der natürlichen Wellenlänge (Resonanzfrequenz) der Antenne,
oder aber über eine Abstimmeinheit, bestehend aus Spule und Kondensator
(Leydener Flasche), betrieben werden konnte.
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Andererseits,
bestand mein Empfänger aus einem Magnetdetektor mit einer „Franklin-Abstimmung“,
dieses Gerät war eine der neuesten Errungenschaften dieser Tage. Aber
abgesehen vom heutigen Standard, war diese Abstimmung sehr primitiv. „Wir
sendeten mit etwas, was als „Einfachantenne“ bekannt war, und solange die
Antenne heruntergenommen und damit nicht isoliert war, war es unmöglich
einen Funken zu erzeugen. Ich hatte gerade soviel Zeit, die Taste zu berühren
und herauszufinden, ob die Antenne in Ordnung war, als die Lichter ausgingen.
Die gesamte Maschine, einschließlich der Generatoren war ausgefallen.
Ich sprang sofort zur Taste! Ich denke, seit uns das Schiff gerammt hatte,
waren keine drei Sekunden vergangen. Obwohl ich eine verschwommene Idee
über das hatte, was uns widerfahren war, wußte ich keine exakten
Einzelheiten. Was ich aber wußte, war genug. Als die Strömung
die Schiffe herumgedreht hatte, sah ich meine aufgerissene Funkkabine.
Der
Funkraum der „Republic“ |
Da das
Schiffsnetz nicht mehr zur Verfügung stand, schaltete ich auf die
Batterien um. Wir hatten diese Batterien als Notreserve an Bord. Wenn wir
die Batterien zur Erzeugung des Funkens benutzen, war unsere Reichweite
auf ungefähr sechzig Meilen herabgesetzt. Es war immer noch dunkel
und neblig. Die Luft war bitterkalt. Ich zog alle Kleidungsstücke
an, die ich finden konnte, hing mir einen Mantel über und begann CQD
zu senden, das zu der Zeit das Notzeichen war.
CQD
Es war
in der Nacht um diese Zeit nur wenig im Äther zu hören. Wir waren,
wie ich später herausfand, ungefähr sechzig Meilen von der Küstenfunkstelle
„Siasconsett“ auf der Halbinsel Nantucket entfernt, gerade an der Grenze
des Kommunikationsbereichs mit der Küste. Es scheint daß Jack
Irvin, der diensthabende Funker von Siasconsett eine sehr stille Nacht
hatte und gerade dabei war einzuschlafen. Da er fühlte, daß
es ungemütlich kalt wurde, das Feuer in seinem Ofen drohte auszugehen,
sprang er tatsächlich so schnell auf, daß er vollkommen wach
wurde. Er war gerade dabei mehr Kohlen auf das Feuer zu schütten,
als er meinen Ruf hörte. Er ließ die Kohlen fallen, sprang an
seine Taste und antwortete unmittelbar. Ich erzählte ihm, daß
wir in Not seien, daß zwei Schiffe in Not seien, daß ich im
Moment aber weder wüßte, wo wir wären, noch über die
Auswirkungen der Kollision berichten könne. Ich versicherte ihm jedoch,
daß ich so schnell wie möglich Informationen von der Brücke
holen würde und bat ihn, jeden aus dem Äther zu halten, bis ich
über diese Informationen verfügte. Ich konnte jedoch nicht eher
eine Nachricht senden, bis ich ein Wort über die Zerstörung durch
die Kollision und die Position von Kapitän Sealby empfangen hatte.
Als ich die Nachricht dann an Siasconsett übermittelt hatte, sendete
Irwin sofort eine Notmeldung hinaus. Der Dampfer „Baltic“ der White Star
Line war der erste, der auf diese Meldung antwortete.
Während
dieser Zeit trieben wir ab. Der Kapitän hatte absolut keine Kontrolle
über sein Schiff. Wir konnten das Schiff mit dem wir kollidiert waren
finden und stellten fest, daß es das italienische Dampfschiff „Florida“
war, besetzt mit Immigranten, bestimmt für New York. Es war nicht
so betroffen wie die „Republic“ und es wurde entschieden, daß alle
unsere Passagiere und Besatzungsmitglieder von ihr übernommen werden
sollten. Ihre Maschinen waren unbeschädigt und sie war steuerbar.
Das Übersetzen der Passagiere der „Republic“ war jedoch keine leichte
Aufgabe, denn die „Florida“ war ein kleines Schiff und sie hatte annähernd
2000 Passagiere an Bord, die Mehrzahl von ihnen waren Auswanderer, die
durch das Erdbeben von Messina, Italien, obdachlos geworden waren. Der
Kapitän des italienischen Schiffes, ein junger Mann mit Namen Ruspini,
leitete jedoch die Aktion von Anfang bis Ende mit einer überraschenden
Art von Kaltblütigkeit.
Um
die Mittagszeit des Tages – es war ein Sonnabend – war die „Baltic“ ungefähr
zehn Meilen von der „Republic“ entfernt, ich konnte es anhand ihrer Signalstärke
schätzen, obwohl wir um diese Zeit definitiv nicht wußten, wie
weit die einzelnen Stationen und Schiffe von uns entfernt waren, ich mußte
mich letztendlich auf die Empfindlichkeit meiner Ohren verlassen.
Achtzehn
Stunden ununterbrochen an der Taste
Der Nebel
hatte sich seit vier Uhr morgens noch verschlimmert, und aus Angst, uns
zu rammen, mußte die „Baltic“ ihre Geschwindigkeit reduzieren. Von
zwölf Uhr mittags bis um 1800 Uhr abends saß ich durchgehend
an der Taste und versuchte, in Verbindung mit den Offizieren beider Schiffe,
die „Baltic“ längsseits zu bekommen. Um dieses zu erreichen brachten
wir Knallkörper zur Explosion und zündeten Raketen. Ließ
eines der beiden Schiffe einen Knallkörper explodieren, versuchten
die Offiziere des anderen Schiffes die ungefähre Richtung herauszufinden,
aus welcher das Geräusch kam. Wir taten dies den ganzen Nachmittag
auf beiden Schiffen, aber obwohl beide innerhalb eines Kreises von 10 Meilen
standen, wurde keine Explosion gehört.
Es
wurde 1800 Uhr und es war immer noch dunkel und neblig. Im Augenblick hatten
wir das Abschießen der Knallkörper, von denen jeder von uns
einen gezündet hatte, reduziert. Gleichzeitig bemerkten wir, daß
die „Republic“ innerhalb einer Stunde, ständig einen Fuß tiefer
sank. Ähnlich dem Klang einer Stimme oder anderen Geräuschen
war die drahtlose Telegraphie nicht an eine Richtung gebunden. Da wir damals
keine elektronischen Möglichkeiten hatten, konnten wir die genaue
Position des anderen nur sehr schwer feststellen, wir hätten ebensogut
1000 Meilen voneinander entfernt sein können.
Zu
dieser Zeit kontrollierten wir, sorgfältig miteinander, die Zeit auf
unseren Chronometern. Jedes Schiff hatte drei von ihnen an Bord. Die Durchschnittszeit
daraus sollte als die genaue Zeit genommen werden. Sobald wir dieses überprüft
hatten, wurde entschieden, daß die „Republic“ zu einer genau bestimmten
Sekunde einen Knallkörper zünden, und die anderen sehr aufmerksam
darauf hören sollten. Die Sekunde kam und „Bumm“ ging es los. Aber
es erwies sich als eine verlorene Hoffnung, keiner hatte etwas gehört.
Die „Republic“ sank allmählich weiter und die Nacht brach herein.
Die „Florida“, dieses kleine Schiff trieb irgendwo in der Nachbarschaft,
fürchterlich überfüllt mit 4000 Passagieren und Besatzungsmitgliedern
an Bord. Was sollten wir machen? Ich verabredete erneut eine bestimmte
Zeit mit der „Baltic“, in der sie ihren letzten Knallkörper zünden
sollte, dann ging ich auf die Brücke. Zu dieser Zeit waren nur acht
Leute an Bord der „Republic“. Da wir viel Zeit hatten, bildeten sieben
von uns einen Kreis, das Gesicht nach auswärts gewandt, während
der Steuermann am Chronometer stand. Er sollte uns durch Hochheben seines
Armes die genaue Sekunde anzeigen, in welcher der letzte Knallkörper
der „Baltic“ abgeschossen werden sollte. Er hob seinen Arm und wir hörten!
Das
ständige Training des Funkers, leise Signale aufzunehmen, gibt ihm
unzweifelhaft ein schärferes Gehör als jeder anderen Person.
Fünf Sekunden nachdem der Steuermann den Arm gehoben hatte, hörte
ich ein leises Geräusch, das sich wie ein Knall anhörte. Ich
wendete mich an den Dritten Offizier der neben mir stand und er meinte
es ebenfalls gehört zu haben, sicher war er sich allerdings nicht.
Es war vereinbart, daß niemand sich aus diesem Kreis entfernte, sollten
wir ein Geräusch hören, um so die Richtung in der wir die „Baltic“
peilten genau festzuhalten. Aufgrund dessen nahmen die Offiziere eine Peilung
aus der Richtung, aus welcher der Dritte Offizier und ich das Geräusch
gehört hatten. Danach ging ich in meine Funkstation zurück um
der „Baltic“ unser Peilergebnis mitzuteilen und welchen Kurs sie steuern
solle. Wir baten sie vorsichtig zu kommen, da wir ansonsten hilflos seien.
Hatten
wir tatsächlich den letzten Knallkörper der „Baltic“ gehört?
War die Richtung die ich ihr gerade übermittelt hatte die richtige
sie längsseits zu bringen? Es waren nervöse Minuten!
Innerhalb
von 15 Minuten hörten wir das Nebelhorn der „Baltic. Der letzte
Knall war zweifellos richtig gehört worden. Ihr befindet Euch auf
dem richtigen Kurs war die Mitteilung, die ich daraufhin an die „Baltic“
sendete. Wir können jetzt Euer Nebelhorn hören. Kommt sehr vorsichtig,
denn wir haben keine Lichter.
Und
dann, fünfzehn Minuten später hörte ich ein begeistertes
Jubeln. Ich wußte, es kam nicht von unseren eigenen acht Leuten.
Ich sah hinaus aus der Funkstation. Da kam die „Baltic“ gerade längsseits.
Es war ein erhebender Moment. Ihre Passagiere hatten sich an Deck aufgestellt
um scharf Ausschau nach uns zu halten.
Es
war kurz nach 1900 Uhr am Samstagabend. Die intensive Arbeit und die Versuche,
die „Baltic“ im dichten Nebel längsseits zu bringen hatte fünfzehn
Stunden gedauert, und berücksichtigt man die primitiven Funkgeräte,
die wir damals hatten, denke ich immerhin, daß wir Großes erreicht
haben, denn schwierigere Umstände kann man sich kaum vorstellen.
Nachdem
unsere Offiziere mit dem Kapitän der „Baltic“, Ransom, gesprochen
hatten, fuhr sie dorthin, wo die „Florida“ lag, da Kapitän Sealby
hinsichtlich der Sicherheit seiner Passagiere sehr besorgt war, besonders
da die „Florida“ schwer beschädigt, und ziemlich überladen war.
Gerade
zu dieser Zeit hob sich der Nebel etwas und das Wetter änderte sich
in einen scheußlich treibenden Regen. Die „Baltic“ hatte die „Florida“
gefunden und die Crews beider Schiffe begannen sofort mit dem Übersetzen
der Passagiere auf ihr eigenes Schiff. Während der ganzen Nacht, es
war kalt und es regnete in Strömen, haben diese beiden Besatzungen
bei gefährlicher Dünung über 4000 Passagiere übersetzt.
Innerhalb von 24 Stunden gab es zwei bedeutende Überführungen
von Passagieren auf See und sie wurden beendet, ohne das jemand zu Schaden
kam.
Am
nächsten Morgen, einem Sonntag, als es anfing zu Dämmern, sah
man eine der größten Schiffsansammlungen auf See, die
es jemals gegeben hat. Überall, so weit das Auge sehen konnte, waren
Schiffe. Jedes Passagier- und jedes Frachtschiff, das mit Telegraphie ausgerüstet
war und innerhalb eines Bereichs von 300 Meilen war, hatte den Austausch
der Telegramme zwischen der „Baltic“ und der „Republic“ mitgehört,
sich hier versammelt, und war bereit, Hilfe wie auch immer zu leisten.
Es war eine schöne Referenz an die Telegraphie. Kurz nach Tagesbeginn
begab sich die „Baltic“ auf den Weg nach New York, die „Florida“ ebenfalls,
jedoch mit langsamer Fahrt, begleitet von zwei Schiffen, die ihr beistanden.
Und dann kümmerten sich Hilfsschiffe um die schwerbeschädigte
„Republic“.
Während
all dieser Zeit war die „Republic“ weiter gesunken und es wurde entschieden,
sie in die flachen Gewässer vor Nantucket zu schleppen. Zwei Zollkreuzer,
die „Gresham“ und die „Seneca“ übernahmen daraufhin hintereinander
eine Schleppleine am Bug der „Republic“, und die „Furnessia“ der „Anker
Linie“, ging ans Heck, um dem behinderten Schiff als Ruder zu dienen. Alle
Möglichkeiten wurden in Betracht gezogen, sie schwimmend zu erhalten.
Das Schleppen begann um zehn Uhr am Sonntagmorgen und dauerte bis 1900
Uhr abends. Obwohl die Zollkutter sie vorwärts zogen, schienen sie
nicht vorwärts zu kommen, denn eine heftige Dünung lief ihnen
mit der gleichen Geschwindigkeit entgegen, so daß alle vier Schiffe
praktisch stehenblieben. Am Ende wurde die „Furnessia“ losgebunden, denn
das Heck der „Republic“ lag tief unter Wasser. Es hatte bereits meine Station
erreicht und während ich noch überlegte, ob ich nach vorne gehen,
oder warten sollte, bis der Kapitän mich rief, kam der Dritte Offizier
nach Achtern und sagte, daß der Kapitän Order gegeben hätte,
das Schiff zu verlassen und ich nach vorne kommen sollte. Ich zögerte
nicht. Der Rest der Offiziere war bereits hier versammelt und wir versuchten
Kapitän Sealby davon zu überzeugen, mit uns zusammen das Schiff
zu verlassen. Aber er lehnte es ab. Stattdessen bat er um einen Freiwilligen
der bei ihm bleiben möge. Jeder wollte dieses. Kapitän Sealby
wählte den Zweiten Offizier aus, er war der Senior in unseren Reihen,
nicht verheiratet, kannte den Morsecode und konnte Lichtmorsen.
Zu
dieser Zeit war die „Republic“ mit der „Gresham“ über eine Stahltrosse
verbunden. Sobald wir die Kapitänsjolle verlassen und an Bord der
„Gresham“ gegangen waren, berichteten wir dem Kapitän von den Bedingungen
an Bord der „Republic“ und baten ihn, die Trosse durch eine 9-inch-Leine
zu ersetzen und diese sofort zu kappen, sobald von der Brücke der
„Republic“ das Signal kommen sollte, daß sie untergeht. Es war vorher
abgemacht worden, daß Kapitän Sealby mit einem blauen Licht
blinken würde, wenn dies der Fall sei. Der Kapitän der Gresham
tat dies sofort. Er beorderte einen Mann mit einer Axt und der Order zur
Schleppleine, diese sofort zu kappen, sobald er das blaue Licht sehen würde.
Glücklicherweise waren vier oder fünf Schiffe in der Nähe
um alles zu beobachten. Jedes einzelne hatte sein Scheinwerferlicht auf
die „Republic“ gerichtet. Mit Hilfe dieser Scheinwerfer konnten wir die
beiden Männer auf der Brücke hin und her laufen sehen. Und dann
kam das blaue Lichtsignal. Wir sahen, wie einer der Männer an die
Leine des Vormastes sprang und bis zur Mastspitze emporstieg um dort zu
warten. Der andere lief nach vorne, stieg den Mast hinauf, blickte einen
Augenblick zurück zur Brücke, und sprang 40 Fuß tief hinab
in die See.
Eine
Minute später ging ein Zittern durch die „Republic“ und sie sank.
Wir
ruderten hinüber zur Untergangsstelle. Die Scheinwerfer aller Schiffe
waren auf diese Stelle gerichtet. Glücklicherweise war die See einigermaßen
ruhig zu dieser Zeit, gleichzeitig war es jedoch unmöglich vom Boot
aus weit zu sehen, denn die Scheinwerfer der anderen Schiffe warfen, hervorgerufen
durch die Wellenkämme tiefe dunkle Schatten über das uns umgebende
Wasser. Wir waren sehr besorgt um Kapitän Sealby und Williams, denn
keiner konnte in so einem kalten Winterwetter lange überleben.
Ungefähr
zwanzig Minuten ruderten wir ernsthaft herum, und jetzt ziellos, da wir
nicht wußten wohin. An allen Seiten sahen wir grelles Scheinwerferlicht,
aber nirgendwo konnten wir ein Lebenszeichen in der See entdecken. Ich
glaube, daß nie wieder seit dieser edlen Heldentat von Kapitän
Sealby und dem Zweiten Offizier Williams ein so kummervoller Moment in
das Leben der Männer auf diesem Boot, und auf den anwesenden Schiffen
gekommen ist. Mit der Zeit ließ unsere Hoffnung nach. Die Kollision
auf See hatte tatsächlich eine Serie von Höhepunkten gebracht.
Erstens, die Funkgeräte, primitiv wie sie waren, hatten doch die Hilfe
von Siasconsett gebracht; das Hören des letzten Knallkörpers
der „Baltic“ kam uns vor wie eine Trumpfkarte, und jetzt ....
Plötzlich
hallte zu unserer Rechten aus der dunklen schwarzen See ein Revolverschuß.
Wir ruderten sofort hinüber in die Richtung, und dort fanden wir,
an einer schwimmenden Kiste hängend, Kapitän Sealby, so erschöpft,
daß er Mühe hatte den Abzug seines Revolvers zu drücken.
Williams ist dort drüben, holt ihn. Aber wir zogen den Kapitän
erst an Bord, bevor wir in die von ihm angegebene Richtung ruderten. Und
tatsächlich fanden wir dort auch Williams, angeklammert an eine Luke,
die sich von der „Republic“ gelöst hatte, als sie unterging. Es war
am Ende eine der „Beinahe“-Tragödien auf See. Und es wäre eine
Tragödie geworden, hätte es nicht die Telegraphie und einen Funker
gegeben, der die Initiative ergriffen und die innere Stärke gehabt
hätte, ohne Essen und Schlaf seine Arbeit 48 Stunden lang zu machen.
Jack
Binns wurde 1884 in Licolnshire, England, geboren. Früh in seinen
Kinderjahren interessierte er sich für die Elektrowissenschaft und
besuchte die Technische Schule der Great Eastern Railway, wo er eine vollständige
Grundlage der Elektrizität erhielt, und das Morsen lernte. Um diese
Zeit wurde Marconi weltbekannt, und errichtete in England die Marconi Company.
Binns legte seine Prüfung als Funker ab und wurde sofort eingestellt.
Er bekam Kontakt zu der belgischen Marconi Company und fuhr auf einem deutschen
Schiff zur See. Zu dieser Zeit herrschte Konkurrenz zwischen dem Marconi-
und dem Slaby-Arco-System, einem System, das auf deutschen Schiffen eingesetzt
wurde. Da Marconi alles besser organisiert hatte, war er noch im
Vorteil.
Ungefähr
zwanzig Funker waren auf deutschen Schiffen eingesetzt, Binns war einer
von ihnen. Während seiner Zugehörigkeit zu dieser belgischen
Company, machte er verschiedene experimentelle Arbeiten, hauptsächlich
im Bereich des Empfangs der sogenannten „high power stations“ „Poldhu“
und „Cape Cod“. Diese Experimente brachten ihn nicht nur über den
Atlantik, sondern auch nach Spitzbergen, dem Polarmeer, hinunter in die
Tropen diesseits des Atlantiks, in das Karibische Meer und an die nördliche
Küste Südamerikas, alle diese Reisen machte er zusätzlich
zu seinen normalen Reisen als Funker auf deutschen Schiffen.
1907
gab es in Deutschland eine heftige Diskussion über die Anwesenheit
ausländischer Funker an Bord deutscher Schiffe, die Engländer,
Amerikaner, Italiener, Belgier, Dänen und sogar einen Isländer
einschlossen. Die Konsequenz dieser Diskussion war die Unterrichtung der
belgischen Marconi Company - La Compagnie de Telegraphie Sans Fil
- durch die deutsche Regierung, daß alle ausländischen Funker
bis Ende Juli dieses Jahres durch deutsche Funker ersetzt werden sollten.
Im August des gleichen Jahres löste die deutsche Regierung die zweite
„Marokko-Krise“ aus. Als Folge gab die deutsche Regierung unverblümt
bekannt, daß im Falle eines Krieges mit Großbritannien oder
irgendeinem anderen europäischen Land, die ausländischen Funker
auf deutschen Schiffen es zweifellos verweigern würden, den Kapitän
zu unterrichten, daß der Krieg ausgebrochen sei und als Konsequenz
solche Schiffe durch feindliche Zerstörer gekapert würden. Deshalb
war Binns unter den Funkern, die ersetzt wurden, und nach ein oder zwei
verschiedenen Positionen innerhalb der Marconi Company, wurde er auf dem
Passagierschiff „Republic“ eingesetzt, auf dem er drei Monate blieb.
Während
der Kriegsjahre erhielt er die Fluglizenz und war später Ausbilder
im Kanadischen Fliegerkorps. Sein Hauptquartier war in Toronto. Hier unterrichtete
er die Piloten nicht nur im Flugwesen, sondern auch in der Telegraphie
und ihrem Code. Die drahtlose Telegraphie spielte in seinem Leben eine
außergewöhnliche Rolle. Er war einer der ersten, der ihren Nutzen
während eines Notfalls nachweisen konnte. Er war einer der Organisatoren
des New Yorker Zeitungsclubs und ist jetzt der Herausgeber der „The New
York Tribune“.
Zum
Funktagebuch der Republik
Beachten
Sie zu diesem Bericht bitte auch folgenden Link:
http://rms-republic.com
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