Piraten-
und Freibeuterflotten bildeten in früheren Jahrhunderten häufig
die Ersatzmarine von Ländern und Königreichen. Konnten Freibeuterkapitäne
sogar zu Adeligen und Staatsbediensteten aufsteigen, so hat sich die Situation
in der Gegenwart völlig geändert.
Nach
wie vor gibt es in bestimmten Seegebieten Piraten. Allerdings spielen diese
keine Rolle mehr in machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Staaten,
sondern handeln auf eigene Faust sowie vielfach im Auftrage von gut organisierten
Gangstersyndikaten.
Gefährliche
Küsten
Piraterie
tritt heute an Küsten der ärmsten Länder dieser Welt auf,
wie zum Beispiel in Indonesien, Brasilien, Nigeria und Somalia. Die Menschen
hier haben nichts zu verlieren, ein Menschenleben zählt wenig. Zudem
sind die Polizeibehörden dieser Länder mangelhaft ausgerüstet,
Korruption ist weit verbreitet und die Marine verfügt nur über
wenige, für die Piratenjagd häufig ungeeignete Schiffe.
In
den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Überfälle auf See
mehr als verdreifacht. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 445 Angriffe
gemeldet, 20 Prozent mehr als 2003.
Hohe
Dunkelziffer
Die
Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Dabei kommt den Tätern
der technische Fortschritt in der Handelsschifffahrt sogar noch entgegen:
Verglichen mit früher sind heute weit weniger Seeleute nötig,
um eine Fracht an ihren Bestimmungsort zu transportieren. Piraten haben
es daher viel leichter, Schiffe in ihre Gewalt zu bringen.
International
Maritime Bureau
1992
richtete das „International Maritime Bureau“ (IMB) der Internationalen
Handelskammer (ICC) London aufgrund der rapiden Zunahme von Angriffen auf
See in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur das Piracy Reporting Center ein.
Es versorgt Besatzungen und Reedereien kostenlos mit Informationen über
verdächtige Schiffsbewegungen auf den Weltmeeren, gibt Warnungen heraus
und meldet Überfälle an die zuständigen Behörden.Darüber
hinaus unterstützt das IMB Eigner bei der Auslösung von entführten
Besatzungsmitgliedern sowie beim Wiederauffinden von Schiffen und gestohlener
Ladung.
Für
das IMB findet die gegenwärtige Piraterie zwischen zwei Polen statt.
Auf der einen Seite stehen die „maritime muggins“ (unbedarfte Anfänger)
und auf der anderen Seite die mit höchster krimineller Energie geplanten
Schiffsentführungen und der Diebstahl kompletter Schiffsladungen.
„Maritime
Muggins“
Die
„maritime muggins“ greifen mit ihren kleinen Booten fahrende oder vor Anker
liegende Schiffe an, entern diese häufig unbemerkt und stehlen planlos
alles, was ihnen in die Finger fällt.
Diese
Art von Überfällen hat es in der Schifffahrt immer gegeben, nur
gehen diese Piraten jetzt planvoller und auch brutaler vor. Leidtragende
sind hier in erster Linie Seeleute, deren persönliche Besitztümer
wie Kameras, Uhren, Computer etc. für die Piraten attraktives Diebesgut
sind. Daneben ist häufig die Plünderung der Schiffskasse Ziel
des Überfalls.
Der
Fall MT „Emilia Theresa“
Am
9. August 1999 überfielen schwer bewaffnete Piraten den Chemikalientanker
„Emilia
Theresa“ um 3.45 Uhr an seinem Ankerplatz in Rio Grande (Brasilien).
Sie plünderten unter Anwendung von brutaler Gewalt auch gegen die
mitreisende Ehefrau des Chefingenieurs die Kabinen der Schiffsführung
sowie den Schiffstresor. Nach einer Stunde verließen die Piraten
das Schiff so schnell, wie sie gekommen waren. An den Wertsachen der restlichen
Besatzung, die von dem Überfall nichts merkte, waren sie nicht interessiert.
Das
IMB Piracy Reporting Centre meldete den Vorfall an die zuständige
Behörde und erhielt die Zusicherung, dass die Ermittlungen aufgenommen
wurden.
Hohe
kriminelle Energie
Auf
der anderen Seite des Spektrums stehen Schiffsentführungen und der
Diebstahl kompletter Schiffsladungen. Da diese Aktionen lange vorbereitet
werden müssen und häufig auch lokale Behörden darin verwickelt
sind, kann man hierbei von einer Form der organisierten Kriminalität
sprechen.
Gut
ausgebildete und bewaffnete Piratengangs gelangen mit Schnellbooten an
Bord. Sie haben falsche Pässe, Schiffspapiere und Ladungsdokumente
dabei und sind in der Lage, das Schiff zu übernehmen und ohne die
ursprüngliche Besatzung zu führen. Diese wird überrumpelt,
bedroht und häufig in einem Rettungsboot ausgesetzt.
Das
gekaperte Schiff wird mit neuem Namen und Papieren versehen und nimmt unter
neuer Identität Fracht auf, die nirgends wieder auftaucht, sondern
unter der Hand verkauft wird.
Der
Fall „Alondra Rainbow“
Am
22. Oktober 1999 nahm die „Alondra Rainbow“, in Kuala Tanjong (Indonesien),
beladen mit 7000 Tonnen Aluminiumbarren, Kurs auf den Hafen Miike in Japan.
Kurz nach Verlassen des Hafens wurde das Schiff von mit Schusswaffen und
langen Messern bewaffneten Piraten gekapert.
Die
Besatzung wurde auf einem treibenden Wrack ausgesetzt, von dem sie nach
zehn Tagen von einem Fischerboot gerettet wurden.
Das
IMB Piracy Reporting Center gab eine Suchmeldung nach der „Alondra Rainbow“
heraus, die Erfolg hatte. Das Schiff wurde in der Bucht von Bengalen gesichtet.
Es führte die Flagge Belizes und trug jetzt den Namen „Mega Rama“.
Eine Aufforderung der indischen Küstenwache zum Beidrehen ignorierte
das Schiff und flüchtete.
Als
die Besatzung merkte, dass sie nicht entkommen konnte, setzte sie das Schiff
in Brand. Das Enterkommando der indischen Marine löschte jedoch das
Feuer und nahm die Besatzung gefangen. Sie wurde in Indien vor Gericht
gestellt.
Seerecht
hilft kaum weiter
Kapitän
P.K. Mukundan, Leiter des IMB, sieht in den Formulierungen des internationalen
Seerechts ein großes Hindernis. Unter Piraterie fallen demnach nur
Überfälle auf hoher See, nicht jene in den küstennahen Hoheitsgewässern
einzelner Staaten, wo gegenwärtig die meisten stattfinden.
Geschichte
der Piraterie
Antike
und Mittelalter
Zum
ersten Mal wurde Seeräuberei gegen 1350 v.Chr. von den Ägyptern
schriftlich erwähnt, obwohl es sie schon etwa seit 3000 v.Chr. gab.
Im Mittelmeer entwickelte sich mit dem ersten größeren Warenaustausch
per Schiff auch die Piraterie. Die Griechen und Römer nutzten die
Piraterie als zusätzliches rechtmäßiges Mittel der Kriegsführung,
um den jeweiligen Gegner zu schädigen. Es wurde im Mittelmeer erst
ruhiger, als die Römer im Jahre 67 v. Chr. in wenigen Schlachten die
Piratenflotten vernichteten und die Herrschaft und Kontrolle über
die Seegebiete übernahmen.
„Die
Normannen kommen!“ Im 8. und 9. Jahrhundert erschallte dieser Schreckensruf,
wenn die Langboote der Wikinger mit ihren wilden, unbarmherzigen Kriegern
an Bord Siedlungen und sogar Großstädte wie Hamburg, Rom, Stade
und Paris plünderten und brandschatzten.
Zwar
griffen die Wikinger keine Schiffe auf hoher See an – es gab sie schlichtweg
noch gar nicht -, aber sie sind im weiteren Sinne durchaus den Piraten
zuzurechnen, denn auch diese überfielen später Städte und
Handelsplätze.
Eine dauerhafte Besetzung der eroberten Landstriche gelang in der Regel
nicht, die Wikinger knüpften jedoch ein Netz von Handelsbeziehungen
in ganz Europa.
Nord-
und Ostsee
Die
Seeräuber in Nord- und Ostsee erlebten ihre Hochzeit am Ende des 14.
Jahrhunderts in den Kämpfen um die Vereinigung der drei skandinavischen
Königreiche, in die auch die Hanse und norddeutsche Fürsten wie
der Kurfürst von Mecklenburg verwickelt waren.
Ausgestattet
mit Kaperbriefen kämpften die “Viktualienbrüder“ oder „Likedeeler“
mal für die eine, mal für die andere Seite.
Der
Name „Viktualienbrüder“ ist von Viktualien (Lebensmittel) abgeleitet,
die die Seeräuber in das von Dänemark blockierte Stockholm brachten.
Der
Begriff „Likedeeler“ (Gleichteiler) spielt auf die prozentuale Teilung
der Beute an, bei der jeder – außer den Anführern – den gleichen
Anteil bekam. Von „urkommunistischen“ Idealen ist jedoch in den Quellen
nichts zu finden. Die Insel Gotland war die Festung der Viktualienbrüder.
Von hier aus bedrohten sie den Seeverkehr der Hanse auch nach dem Friedensschluss
im Jahre 1395 zwischen Dänemark und Schweden/Mecklenburg. Als „Hilfsmarine“
der Königshäuser hatten sie ausgedient, von ihrem „Gewerbe“ wollten
und konnten sie nicht lassen.
Nach
der Vertreibung von Gotland verlegten die Viktualienbrüder ihre Aktivitäten
in die Nordsee, wo sie bei ostfriesischen Häuptlingen Schutz fanden
und von diesen mit Kaperbriefen ausgestattet wurden. Strafexpeditionen
der Hanse und die Hinrichtung der Anführer Klaus Störtebeker
und Godeke Michels führten um 1400 zur Eindämmung der Piraterie
in Nord- und Ostsee.
Da
es keine staatliche Gewalt oder internationale Vereinbarungen gab, die
die Seehandelswege wirksam schützten, konnten im Mittelalter überall
Kaperer und Piraten lauern.
1500
bis 1730: Das „goldene“ Zeitalter der Piraterie
Mit
den Entdeckungsreisen der Spanier und Portugiesen begann das Zeitalter
der Kolonisierung der Welt. 1492 segelte Christoph Columbus in das Gebiet
der karibischen Inseln, andere Entdecker folgten. Mittelamerika und große
Teile Südamerikas wurden der spanischen Krone zugeschlagen und gnadenlos
ausgeplündert.
Mit
der Bulle „Inter caetera“ des Papstes Alexander VI. im Jahre 1493 wurden
die aufstrebenden europäischen Kolonialmächte Frankreich, England
und Holland quasi von der Eroberung der Neuen Welt ausgeschlossen. Die
Gebiete westlich eines imaginären Längengrades
bei den Kapverdischen Inseln sollten an Spanien fallen, die östlich
davon liegenden an Portugal.
So
wollte man den katholischen Einfluss auf die neu entdeckten Gebiete sichern.
Nichtkatholischen Personen war beispielsweise der Aufenthalt in den spanischen
Kolonien streng untersagt.
Die
beiden iberischen Königreiche, seit 1580 unter der Führung Spaniens
vereint, waren dank ihrer überseeischen Eroberungen zur stärksten
Macht Europas aufgestiegen. Jahr für Jahr brachten die Galeonen, die
aus Sicherheitsgründen in Konvois fuhren, Silber und Gold sowie andere
Schätze und Rohstoffe von den Küsten Südamerikas ins Mutterland.
Dies weckte die Begehrlichkeit der protestantischen Länder England
und Holland, die sich nicht dem katholischen Diktat bezüglich der
Ausbeutung der Welt unterwerfen wollten. Außerdem hatte der Holländer
Hugo Grotius 1609 die Freiheit der Meere naturrechtlich begründet.
Niemand dürfe laut Grotius daher vom überseeischen Handel und
der Seefahrt ausgeschlossen werden.
Die
Folge war, dass sich um die Güterströme im Freiraum der Ozeane
ein permanenter Seekrieg entwickelte, an dem sich alle aufstrebenden seefahrenden
Staaten Europas beteiligten, unabhängig davon, wie die momentanen
zwischenstaatlichen Beziehungen auf dem Heimatkontinent waren. Die Ozeane
wurden als quasi rechtsfreier Raum angesehen, in dem jetzt als neuer Typus
des Piraten der sogen. „Freibeuter“ auftrat.
Freibeuter
im Dienste „Ihrer Majestät“
Im
Gegensatz zum Kaperfahrer, dessen Kaperbrief nur für die begrenzte
Zeit eines Krieges und meistens nur für einen Gegner galt, handelte
der Freibeuter zunächst auf eigene Faust sowie ohne offizielle Beauftragung
und zeitliche Begrenzung. Seine Aktivitäten, die sich zunächst
ausschließlich gegen spanische Schiffe im karibischen Raum richteten,
wurden jedoch von England, Frankreich und Holland geduldet. Freibeuterschiffe
segelten überwiegend unter englischem, aber auch unter französischem
oder holländischem Kommando und waren mit einer internationalen Besatzung
bemannt.
Insbesondere
England begann, sich der Freibeuter zu bedienen und unterstützte sie,
um ein eigenes Kolonialreich aufzubauen. Der englische Hof, Adelige und
reiche Kaufleute finanzierten zu großen Teilen die Fahrten der Freibeuter
und bekamen später ihre Anteile an der Beute. Der bekannteste englische
Freibeuter war der später geadelte Sir Francis Drake, der nach Magellan
von 1577 – 1580 die Welt umsegelte.
Nach
dem Sieg der englischen Flotte über die spanische Armada 1588 begann
der Aufstieg des englischen Empires und der Niedergang Spaniens in der
Kolonialgeschichte. Mit Barbados (1605), Bermuda (1612) und der Kolonisierung
der nordamerikanischen Ostküste (ab 1607) wurden erste englische Brückenköpfe
in der Neuen Welt gebildet.
Noch
ausgeprägter als bei den Engländern war der Seeraub bei den Holländern
privatwirtschaftlich organisiert. Der Zweck der 1621 gegründeten „Westindischen
Compagnie“ war neben dem Handel ausdrücklich die Ausrüstung von
Freibeuterschiffen.
Der
bekannteste holländische Freibeuter war Piet Heyn, der im Jahre 1629
bei einem Raubzug gegen die Spanier Waren im Wert von 12 Millionen Gulden
erbeutete.
Mit
der Gründung der „Vereinigten Ostindischen Compagnie“ (VOC) 1602 begannen
die Holländer, die Vorherrschaft der Portugiesen in Asien zu brechen.
Auch hierbei bediente man sich gezielt der Freibeuterschiffe.
Einen
weiteren Aufschwung erlebte das Freibeutertum während der spanischen
Erbfolgekriege (1701 – 1713). England, die Niederlande, Dänemark,
Preußen und Savoyen stritten mit Frankreich, Spanien und Bayern um
die Nachfolge des spanischen Königs Karl II. Zahlreiche Kaperbriefe
wurden erneut von der englischen Krone ausgestellt. Zusätzlich attraktiv
wurden die Kaperfahrten dadurch, dass die Krone auf den zehnprozentigen
Beuteanteil verzichtete.
Der
Pirat als Held?
Dem
bis heute nachwirkenden Image des tollkühnen, außerhalb der
Gesetze lebenden Piraten entsprachen durchaus die sogen. „Bukaniere“ des
17. Jahrhunderts. Die Bukaniere waren ein buntes Gemisch aus sesshaft gewordenen
Seeleuten, verfolgten Hugenotten aus Frankreich sowie entlaufene Sklaven,
Kriminelle und Ausgestoßene aus den spanischen Kolonien, die sich
auf einigen westindischen Inseln niederließen. Zunächst machten
sie Jagd auf verwilderte Haustiere, deren Fleisch sie geräuchert (Bucan
in der Sprache der Urbevölkerung) in erster Linie an vor den Küsten
ankernde Freibeuter verkauften.
Bald
ahmten sie jedoch das Handwerk ihrer Hauptkunden nach und gingen mit immer
größeren Booten auf Jagd nach voll beladenen spanischen Handelsschiffen.
Dabei bedienten sie sich flach gehender Vlieboote, daher auch der Name
„Flibustiers“ für diese Gruppe. Ab 1630 sammelten sich die Bukaniere
auf der Insel Tortuga, die schwer einzunehmen war, aber alles bot, was
Piraten brauchen: einen sicheren Landeplatz, Lebensmittel und Wasser. Hier
bildete sich eine Piratengemeinschaft heraus mit festen Regeln und Bestimmungen,
die den Ruf des freien, keiner königlichen Obrigkeit unterworfenen
Piraten begründeten.
In
den so genannten „Piratenartikeln“ wurde der Teilungsmodus der Beute und
die Entschädigung für im Kampf erlittene Verletzungen festgelegt.
Verlor ein Bukanier im Kampf den rechten Arm, standen ihm beispielsweise
600 Silberstücke oder sechs Sklaven zu. Wer Beute für sich behielt,
wurde auf einer einsamen Insel ausgesetzt. Mit der Todesstrafe bedroht
wurde derjenige, der sich im Kampf „feige oder unehrenhaft“ verhielt.
Überliefert
ist die Grausamkeit der Bukaniere. Mit den Gefangenen wurde wenig zimperlich
umgegangen. Am wenigsten zu lachen hatten Kapitäne von gekaperten
Handelsschiffen. Wenn bekannt wurde, dass sie ihre Matrosen schlugen und
schikanierten, wurden sie sofort nach brutalen Folterungen umgebracht.
In
den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts verlagerten sich die Stützpunkte
der Piraten auf die Bahamas, dann an die Guineaküste Westafrikas und
in den indischen Ozean. Die Insel Madagaskar wurde zeitweilig zum Hauptpiratenstützpunkt,
weil sich von hier die Handelsschiffe aus den asiatischen Kolonien vortrefflich
angreifen ließen.
Zugleich
veränderte das Seeräuberwesen seinen Charakter. Jetzt waren es
in erster Linie einzelne, auf allen Ozeanen umherstreifende Piratenschiffe,
nicht mehr mit Kaperbriefen „legalisierte“ Kaperer, unterstützt von
Krone und Kaufleuten. Immer unerbittlicher wurden Piraten von den Kriegsschiffen
der Seefahrtsnationen verfolgt, die ihren Handel bedroht sahen. Als „Söldner
zur See“ hatten sie endgültig ausgedient, denn mittlerweile verfügten
die europäischen Kolonialmächte über immer größere
Kriegsflotten. Es war das Zeitalter der „legendären“ Piratenkapitäne
wie Thomas Tew, William Kidd, Edward Teach („Blackbeard“) und Bartholomew
Roberts, die mit großer Brutalität ihrem „Geschäft“ nachgingen.
Die
Besatzungen der Piratenschiffe am Anfang des 18. Jahrhunderts waren bunt
gemischte Gemeinschaften, in denen die religiöse, ethnische oder nationale
Herkunft keine Rolle spielte. Ihr Zweck war, schnell reiche Beute zu machen.
Die „Piratenartikel“ waren ausschließlich auf dies Ziel ausgerichtet.
Hier von Vorläufern der Demokratie zu sprechen, ist übertrieben,
denn bei mangelnden Erfolgen und fehlender Beute brachen die Mannschaften
schnell auseinander. Politische Ambitionen waren den Piraten fremd.
Der
Kapitän hatte die Befehlsgewalt im Kampf und bekam einen größeren
Anteil an der Beute, Entscheidungen wurden aber vom Schiffsrat gefällt.
Kam ein Kapitän seinen Aufgaben nur ungenügend nach, konnte er
abgesetzt werden – ein gravierender Unterschied zu den Verhältnissen
an Bord der Handelsschiffe. Eine gewisse Attraktivität hatte das Piratendasein
daher ohne Zweifel für diejenigen, die aus den autoritären und
ständischen Strukturen der damaligen Welt ausbrechen wollten und nichts
zu verlieren hatten.
Die
Piratenmannschaft setzte sich neben Abenteurern zu großen Teilen
aus ehemaligen Seeleuten aus der Handelsschifffahrt und der Marine zusammen,
die sich an Bord der Piratenschiffe Reichtum und ein besseres Leben erhofften.
Oftmals waren sie nämlich zum Borddienst gezwungen worden und litten
unter der damals üblichen grausamen Behandlung durch die Offiziere.
Knapp waren bei den Piraten Wundärzte und erfahrene Nautiker. Überfiel
man ein Schiff, wurden diese Personen nach erfolgreicher Kaperung „überredet“,
ab jetzt auf dem Piratenschiff zu dienen. Für die wenigsten Piraten
erfüllte sich jedoch die Hoffnung auf ein besseres Leben. Die „Offiziere“
der Piratenschiffe gebärdeten sich häufig nicht viel anders als
auf Handelsschiffen, hinzu kamen schlechte Ernährung, Verletzungen,
Krankheiten und die harte Arbeit an Bord bei Wind und Wetter. Das erbeutete
Geld wurde zumeist im nächsten Hafen verprasst. Nur wenige schafften
den Ausstieg in ein bürgerliches Leben.
1718
beendete der englische Gouverneur und ehemalige Freibeuter Woodes Rogers
das Piratenunwesen auf den Bahamas. Er bot den Piraten Begnadigung an,
wenn sie sich als Siedler auf den Inseln niederließen. Andernfalls
würde er sie so lange jagen, bis sie am Galgen hingen. Viele nahmen
das Angebot an, die Restlichen verließen die Bahamas.
Mittlerweile
machten auch „Kopfgeldjäger“ im staatlichen Auftrag Jagd auf Piraten.
Nach wie vor war England führend bei der Piratenverfolgung. Die Royal
Navy verfügte um 1720 mit über hundert Kriegsschiffen und 13
000 Marinesoldaten über eine beeindruckende Übermacht, die Jagd
auf die letzten herumstreifenden Piratenschiffe machte. Wurde eine Piratenmannschaft
gefangen, drohte den meisten die Todesstrafe. Zwischen 1716 und 1726 wurden
von anglo-amerikanischen Gerichten 600 Piraten zum Tode verurteilt. Mitte
des 18. Jahrhunderts waren Piraten als ernsthafte Bedrohung des Handels
der Kolonialmächte weit gehend verschwunden.
E.-Otto
Oberstech
Abdruck mit freundl. Genehmigung des Autors (18-Mar-05)
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