|
![]() |
![]() |
Mein drittes Schiff, Heinrich Schulte/DCUW, war für ein Jahr in den Pazifik verchartert. Ein Jahr ohne Urlaub bedeutete auch einen Heuerzuschlag von 25%. Der Charterer war die Scarlet Line (SL), so genannt, weil sie über viele Monate einen speziellen Fährdienst von Dänemark nach Schweden betrieben hatte, damit die Dänen den Film „Vom Winde verweht“ sehen konnten, der in ihrem Land damals verboten war. |
Oben:
Das Dampfschiff "Heinrich Schulte" / DCUW gehörte der Emdener Reederei
Schulte & Bruns.
Das Schiff sah ich zuerst im Sommer 1957 in Lübeck im Trockendock. Die Buchstaben „SL“ prangten bereits am Schornstein. Die Funk- station war gleichzeitig meine Kabine und lag im Brückenaufbau steuerbord hinten; nebenan auf der Backbordseite war der Kartenraum. Ein Debeg-Mechaniker war noch an Bord. Der kam mir gerade recht, denn mit der Einrichtung der Funkstation war ich so nicht zufrieden. |
![]() |
![]() |
![]() |
Genau
dort, wo auf dem Tisch zu rechter Hand die Morsetaste hingehört, hatte
jemand einen Notempfänger H2L/7 montiert und
damit die halbe Tischfläche belegt. Der Mechaniker ging auf meine
Vorschläge ein, diesen Empfänger oben auf dem Gehäuse des
Hauptempfängers E 66a auf der linken Tischseite
zu befestigen und mir noch eine weitere Antennensteckdose mit einem Kabel
zu einem freien Kontakt am Antennenwahlschalter zu montieren. Ferner wünschte
ich mir eine Kopfhörerleitung vom E66a zum Chronometer im Kartentisch,
damit man nicht das Zeitzeichen bei offenen Türen mit voller Lautsprecherstärke
über die Brücke in die hinterste Ecke des Kartenraumes blasen
musste. Denn wie gut die Zeitzeichen im Pazifik zu empfangen sein würden,
wusste ich noch nicht. Aber der Mechaniker zeigte Verständnis für
meine Wünsche und war wirklich sehr hilfsbereit. Zum Schluss erklärte
er mir noch einige Besonderheiten der Funkstation, und danach fühlte
ich mich fast schon wie zuhause. Weitere Geräte in der Station waren
ein Mittelwellensender S 356S und ein Kurzwellensender
S
540 sowie das für Schiffe mit nur einem Funker vorgeschriebene
Autoalarmgerät (Lo572). Sprechfunk gab es
nicht. Im Kartenraum war ein Peiler E 374N montiert.
Die Hauptantenne war eine klassische T-Antenne von Mast zu Mast; die Notsendeantenne
ein Draht von der Funkkabine zum Schornstein und weiter zu einem Mast am
Steuerbordende des Bootsdecks. Ein genauso gespannter Draht backbord diente
als Empfangsantenne; als zweite Empfangsantenne führte ein Draht zum
Flaggenstag. Nach und nach lernte ich dann auch den Kapitän und die
übrige Besatzung kennen.
Von
Hamburg nach New York
|
![]() |
![]() |
Oben:
Das Leuchtfeuer von Cape Race an der Südost-Spitze Neufundlands. Der
hohe Sendemast vor dem roten Gebäude rechts vom Leuchtturm ist ein
Sender für Loran C und war für einige
Jahre das höchste Bauwerk Kanadas.
Als der 1. Offizier mit der Peilung fertig war, fragte ich ihn, mit einem Peilstrahl könne er doch keine Ortsbestimmung machen, was er denn als zweites Kriterium nehme. Da schmunzelte er und sagte, er messe mit dem Echolot die Meerestiefe. Mit dieser zusätzlichen Angabe könne er auf der Seekarte die zugehörige Tiefenlinie finden und damit auch unsere Position. Heute, in der Zeit des GPS, mögen solche Methoden vorsintflutlich anmuten, aber in den 50iger Jahren mussten die Nautiker noch anwenden, was sie gelernt hatten. Unmittelbar vor New York war die Arbeitsweise von WCC und WSL auf 500 kHz gekennzeichnet durch die generelle Verwendung der Schlackertaste (Vibroplex-Bug), eine vorbildliche Gebeweise und sehr knapp gehaltene Anweisungen. Zwischen den Rufzeichen wurde „de“ generell weggelassen; offensichtlich wollte man sich die schon erwähnte hohe Sendeleistung im Nahbereich „nicht unnötig um die Ohren hauen“. Auf diese Weise machten die Operateure indirekt auch gute Reklame für ihre Telegrafengesellschaft; schon bald fühlte ich mich irgendwie zu Mackay hingezogen. Auf den Arbeitsfrequenzen dagegen konnte der Gebestil durchaus ungezwungener sein; mehr zum Süden hin und im Golf von Mexico galt das dann auch für 500 kHz. New
York
|
![]() |
![]() |
![]() |
Von
dort fuhr ich mit der U-Bahn erst zur Grand Central Station in der 42.
Straße und streifte dann durch Manhatten bis hinunter zur Battery.
In einer fremdsprachigen Stadt ist man natürlich immer besonders anfällig
für deutsche Laute: „Warum willst denn Du nun unbedingt hinter dem
her und ihm sagen, wo das ist! Er hat doch etliche Leute gefragt, und keiner
hat es ihm sagen können“. Gut, dass ich nicht an solche Landsleute
geraten war, denn auf der Rückfahrt verbiesterte ich mich in der U-Bahn,
fand aber an einem Schaubild der U-Bahn-Linien immer hilfsbereite Leute,
die mir den richtigen Weg zurück zum Schiff weisen konnten.
Aber am nächsten Tag wollte ich mir doch einen Stadtplan mit den U-Bahnlinien besorgen und fragte in einem Buchladen danach, wie in Deutschland üblich. Aber dort führte man ihn nicht, den gab es nur beim Verwaltungsgebäude der U-Bahnen. Aber auf dem Wege dorthin hätte ich mich ja wieder verirren können. Der Verkäufer zeigte schließlich Verständnis für meine Lage und gab mir seinen eigenen Plan von der YMCA, er würde schon wieder einen bekommen. Die YMCA (unserem CVJM nicht vergleichbar) habe ich auch anderswo bei späteren Anlässen stets in guter Erinnerung behalten. Damals wurde an der Day Line Pier am Hudson River auch die Mayflower II gezeigt, ein Nachbau des berühmten Einwandererschiffes, gerade mal 35 m lang! Vergleichsweise kam ich mir auf unserem 96 m langen Schiff doch schon sehr gut aufgehoben vor. Am letzten Tag fuhr ich noch einmal mit unserem Chief (Leitenden Ingenieur) und dem 2. Ingenieur nach Manhattan auf den Aussichtsturm der Radio City. Abends war ich immer froh, wieder an Bord zu sein, denn New York empfand ich irgendwie als eine sehr hektische Stadt. Ein US-amerikanischer Tänzer, der an der Bayerischen Staatsoper engagiert war und den ich später in München traf, konnte das nachfühlen. Er hätte in New York immer Verdauungsstörungen. Nach
Süden
|
![]() |
![]() |
Nachdem
wir wieder auf See waren, rief ich auf 500 kHz WSL an, um mein TR (travel
route) abzugeben. Dann wurde ich von 5LBM gerufen. Das war ein ehemaliger
Kollege von Norddeich Radio, der auf „Allen D. Christensen“ (Foto links)
mit Erz von Peru nach den USA unterwegs war und wohl erfahren hatte, auch
welchem Schiff ich inzwischen fuhr. Wir verabredeten uns für später
auf 8 MHz.
Dann ging die Reise weiter nach Süden, zwischen Cuba und Haiti hindurch und auf den Panamakanal zu. In der Karibik stieg die Lufttemperatur auf 36 Grad und die des Wassers auf 33 Grad, und die Leistung unserer Abdampfturbine fiel spürbar ab. |
Sonnensegel
Trotz der hohen Temperaturen wurde die Fahrt aber recht angenehm, nachdem die Matrosen über dem Bootsdeck, dem Peildeck und dem Heckaufbau Sonnensegel gespannt hatten. Die Decks und die Räume darunter wurden nicht mehr so heiß, und der Wind strich unter den Sonnensegeln hindurch und wirkte ungemein erfrischend. Nach diesem Prinzip hatten die Portugiesen ja in den Tropen auch Häuser gebaut, dessen oberstes Stockwerk niedrig und offen war und von Luft durchströmt wurde. Nur einmal hatte ich Probleme mit einem Sonnensegel: Die Matrosen hatten es so gespannt, dass es über dem Schutzkorb des Durchführungsisolators der Hauptantenne lag und die Antenne berührte. Auf Kurzwelle machte das nicht aus, aber auf Mittelwelle ließ sich die Antenne nicht mehr abstimmen! Ich musste darum bitten, das Sonnensegel etwas auf Abstand zu verspannen. Auf Mittelwelle hat so eine T-Antenne durchaus eine Impedanz von über 50000 Ohm und ist daher gegen solche Berührungen extrem empfindlich, selbst wenn es scheinbar nichtleitende Stoffe sind. Aus dem gleichen Grunde werden Mittelwellenantennen bei schlechtem Wetter beeinträchtigt, wenn sich ihre Isolatoren mit einer Salzkruste überziehen. Um diese Zeit hatte Norddeich Radio die Aussendung der Schiffspresse, die sonst nachts auf 8 MHz gesendet wurde, auf 22 MHz und nach unserer Ortszeit auf den Nachmittag gelegt. Unter den neuen Bedingungen war der Empfang mit der hohen Hauptantenne am besten, und ich freute mich nachträglich, dass ich mir für solche Fälle das Kabel zum Empfänger hatte legen lassen. Aber dann vernahm ich im Kopfhörer das Knacksen eines Blitzschlages, und kurz darauf noch einmal. Wenn auf so hohen Frequenzen ein Blitz zu hören ist, schoss es mir durch den Kopf, dann muss das Gewitter sehr nahe sein. Also: Schluss mit der Presse; sofort an dem großen Messerschalter an der Kabinendecke die Hauptantenne erden! Bald darauf hörten wir alle an Bord Blitz und Donner gleichzeitig; es hatte unser Schiff erwischt. Ein Matrose, der an der vorderen Ladeluke stand und die Hand auf den Lukenrand gelegt hatte, spürte die Schrittspannung des Blitzstromes über das Deck. Aber mein Empfänger war noch einmal davongekommen! |
Panamakanal
Es dauerte ziemlich lange, bis ich mein TR bei der Kanalfunkstelle NBA los werden konnte. Auf 500 kHz waren die atmosphärischen Störungen (QRN) einfach zu stark, schließlich erwischte ich die Station auf 4 MHz (wegen dieses QRN gibt es ja auch die Tropen- Rundfunkbänder). Die Nacht hindurch lagen wir in Cristobal und bunkerten Heizöl. Am frühen Morgen kam der Kanallotse und ließ die Drahtantenne seines (10-m)-Sprechfunkgerätes durch ein geöffnetes Brückenfenster am Flaggenstag hochziehen. Dann ging es in den Panamakanal hinein. Zwischendurch wurde gemeldet, dass ein Heizer und ein Leichtmatrose vermisst werden. Einer von beiden hatte schon längere Zeit in Costa Rica gelebt und sprach fließend spanisch, und man musste annehmen, dass beide nach dorthin desertiert waren. Der Lotse setzte per Funk noch eine Meldung an die Polizei ab, aber die beiden hatten offenbar schon sehr früh die Grenze nach Costa Rica überschritten. Damals war es auf Schiffen unter deutscher Flagge noch üblich, dass nur in einem deutschen Hafen an- und abgemustert werden konnte. Die Reederei würde uns also mit dem Flugzeug zwei neue Leute zum nächsten Hafen nachsenden. |
![]() |
![]() |
![]() |
Auf der Fahrt zu den Gatunschleusen (Fotos oben) zeigte man mir die Stelle, an der Ferdinand de Lesseps, der Erbauer des Suezkanals, schon 1882 die Arbeiten an seinem Panamakanal begonnen hatte, der wie der Suezkanal ohne Schleusen auskommen sollte. Der dann von den USA bis 1914 verwirklichte Kanal nutzt jedoch für die Inlandspassage eine Anhebung des Wasserweges um 26 m. |
![]() |
![]() |
Dazu
wurde der Gatunsee zu einer größeren befahrbaren Wasserfläche
aufgestaut, was auch die Arbeiten am Gaillard-Cut durch das Gebirge im
letzten Drittel des Weges erleichterte. In der Abenddämmerung passierten
wir schließlich die Pedro Miguel- und die Miraflores- Schleusen und
setzten dann im Pazifik unsere Reise nach Vancouver fort. Erste Bunkerstation
sollte San Pedro bei Los Angeles sein.
![]() |
Auf
dem Wege dorthin fiel bei einer Funkverbindung mit meinem Norddeich-Kollegen
mein Kurzwellensender S 540 aus, obwohl er nur mit 50 Watt Leistung betrieben
wurde. Zwar war das Schiff nicht ausrüstungspflichtig für Kurzwelle,
aber so weit entfernt von der Heimat sollte man Kurzwelle schon haben.
Als Funkamateur hatte ich meinen Röhrensender selbst gebaut, daher
traute ich mir auch zu, den S 540 zu reparieren. Die Hochspannungswicklung
des Netztransformators hatte einen Masseschluss. Also setzte ich ein Telegramm
an die Reederei auf, bei der Debeg einen neuen zu bestellen und per Luftfracht
zum nächstmöglichen Hafen schicken zu lassen. Auf 500 kHz fand
ich dann ein US-amerikanisches Schiff, dessen Funker sich bereit erklärte,
das Telegramm auf Kurzwelle über Norddeich Radio zu schicken. Nach
dem Wechsel auf eine Arbeitsfrequenz gab ich ihm den deutschen Text „QSZ“,
also jedes Wort zweimal. Dann wiederholte er sicherheitshalber den Text,
und ich habe noch nie einen „Ami“ so fließend einen deutschen Text
geben hören, ein eindeutiger Vorteil der buchstabenweisen Morseübermittlung,
über alle Sprachbarrieren hinweg! Bei unserer Ankunft in San Pedro
war der neue Transformator schon mit der Post dabei, im Gegensatz zum defekten
sogar einer in vergossener Ausführung. Die Lage und Farben aller Drahtanschlüsse
hatte ich mir aufgezeichnet; also wurde jetzt der alte Trafo ausgebaut,
der neue montiert und alle Drähte wieder angelötet; dann ging
der Sender wieder. Den Kontakt zu meinem Kollegen auf 8 MHz hatte ich allerdings
verloren. Dafür hörte ich von jetzt an auf Kurzwelle gelegentlich
Stationen miteinander morsen, die scheinbar sehr oft zwei Zeichen zu einem
zusammenzogen; verstehen konnte man nichts. Aber das waren Japaner mit
ihrem Kata Kana Radio Code, der für die japanische Pinselschrift neben
den Zeichen des ITU-Alphabets auch noch diverse Kombinationen mit fünf
oder gar sechs Elementen benutzt. Nur Klammer, Fragezeichen und Anführungszeichen
und wohl die Zahlen entsprechen direkt dem ITU-Alphabet.
Auf dem weiteren Seeweg nach Vancouver wurde ich nachts einmal von der Brückenwache geweckt: Das Autoalarmgerät klingelte, ich hatte es nicht gehört. Also Empfänger einschalten und hören, was auf der Seenotfrequenz 500 kHz los ist. Galveston Radio, KLC, eine am Golf von Mexiko gelegene Küstenfunkstelle, wiederholte mit seinem 5-kW-Sender die SOS-Meldung über den Untergang des deutschen Segelschulschiffes Pamir / DKEF! Durch die Raumwelle nachts war diese Station auch im Pazifik zu hören. Von der Katastrophe waren wir natürlich viel zu weit entfernt, aber doch betroffen, vor allem nachdem wir über die Deutsche Welle und später über Zeitschriften weitere Einzelheiten erfuhren. Im Pazifik arbeitete ich meistens über die Mackay-Station Palo Alto Radio / KFS (wörtlich „tiefer Sumpf“, also gut geeignet für die Erdnetze von Mittelwellenantennen) bei San Francisco, dem Sitz der Vertretung unseres Charterers. Die KFS-Funker hatten beim Geben einen eigenen Gag: Bei der Ankündigung der Sammelanrufe (tfc list) ließen sie im Wort „list“ zwischen „i“ und „s“ nur eine halbe Strichlänge Abstand, auch der Doppelstrich am Schluss hatte mehr Punkte als nötig, so als wenn sich hier an der Westküste auch das spanische Element der kalifornischen Bevölkerung noch in der Funkerei bemerkbar machte. Aber arbeiten konnte man mit KFS ausgezeichnet. Dann erreichten wir Vancouver Island und die kleine Insel James Island, auf der sich nur eine Sprengstoff-Fabrik befand, sicher ist sicher. Mein QTP gab ich an Victoria Radio, VAI. Das Löschen unserer Ladung dauerte 8 Tage. Wir mussten alle an Bord bleiben, es war keine einfache Zeit. Der Rest unserer Ladung war für New Westminster bestimmt, südlich von Vancouver. Dort hatte ich neun Besatzungsmitglieder zum Arzt zu führen. An Land hat ein Funker ja sonst nichts zu tun; außerdem muss er für sein Funkzeugnis ohnehin englisch (oder eine andere weltweit verbreitete Sprache) können; also kann er auch solche Tätigkeiten übernehmen. |
![]() |
![]() |
Oben:
Vancouver Island. James Island liegt nord-östlich von Victoria, Port
Thasis ist im nördlichen Westen eingezeichnet.
In Vancouver erfuhren wir auch, dass wir nicht weiter nach Alaska fahren würden, wie es in Hamburg noch geheißen hat, sondern über Hawaii nach Tahiti! Für die neue Reise luden wir Holz in Tacoma und bei einem großen Sägewerk in Port Thasis, einsam gelegen am Ende eines langen Fjords auf der Westseite von Vancouver Island. Für die schnelle Verbindung mit der Zivilisation stand ein Wasserflugzeug zur Verfügung; Proviant kam alle zwei Wochen per Schiff. Angesichts der hohen Berghänge des Fjords kam uns unser Schiff so winzig vor, und die Seeleute meinten mitleidig, von hier aus sei es wohl nichts mit einer Funkverbindung nach Norddeich Radio. Nun, Telegramme dorthin hatte ich nicht, aber auf 16 MHz war DAN durchaus zu hören; ich rief aber nicht an. Die Schiffspresse von DAN konnte ich aber nicht mehr aufnehmen; Frequenz und Zeit waren zu ungünstig geworden. Dafür konnten wir selbst im Pazifik die Deutsche Welle für Nordamerika im 25-m-Band hören; der Großkreis dieser Aussendung führte weiter bis in die Südsee! Auf unseren weiteren Routen im Pazifik war Europa am sichersten auf 12 MHz zu erreichen, wenn sich die eine Station noch in der Dunkelheit und die andere in der Dämmerung befand. Da DAN zu den für mich günstigen Zeiten keine Wache auf 12 MHz hatte, arbeitete ich gerne über die dänische Küstenfunkstelle Lyngby Radio, OXZ. Diese tastete mehrere Sender auf bis zu vier Kurzwellenbändern parallel und wechselte das Anrufband in kurzen Abständen, so dass ich das günstigste Band schnell herausfinden und nutzen konnte. Hawaii
|
Trotz
der schon bestehenden Flugverbindungen fuhren damals noch viele US-Urlauber
von San Francisco und Los Angeles aus mit dem Schiff nach Hawaii, was viereinhalb
Tage dauerte. Am häufigsten hörte ich die Lurline / KIEK (Foto
rechts), die schon vor dem 2. Weltkrieg diese Line befuhr. Inzwischen
aber hat sich das Flugzeug allgemein durchgesetzt, und die Pier auf Oahu
mit dem bekannten Aloha-Tower ist touristisch umgestaltet worden und deshalb
immer noch ein Anziehungspunkt.
Bei meinem ersten Kontakt mit der Küstenfunkstelle Kahuku Radio, KHK, war ich etwas erstaunt, nahm es aber gelassen. |
![]() |
![]() |
Das
Folgende ist für Nichtfunker vielleicht nicht sofort zu verstehen,
daher kurz eine Übersetzung: de = von, pse = bitte; k = kommen; r
= in Ordnung, verstanden; QSW = ich gehe zum Senden auf … kHz; UP = ich
gehe auf die angegebene Arbeitsfrequenz.
Ich
rief an: „KHK (3x) de DCUW (3x) pse k“
|
KHK
hörte mich dann auch auf 480 kHz und antwortete auf 484 kHz, wie ich
es zur Vorbereitung des Anrufes im Verzeichnis der Küstenfunkstellen
nachgelesen hatte. Hatte man sich an diese Eigenheit gewöhnt, konnte
man aber mit KHK problemlos arbeiten. Verständnisvoll schmunzeln musste
ich aber, als ich bei einer anderen Gelegenheit mithörte, wie der
britische Liner Orsova / GNDL (Foto rechts), den wir später
einmal im Hafen von Vancouver sahen, KHK anrief. KHK reagierte genau so.
Der Funker auf GNDL aber fühlte sich offenbar auf den Arm genommen
und legte sich mit dem Funker von KHK an.
Foto unten: Die Funkstation von Marconi-Marine auf dem britischen Passagierdampfer "Orsova" / GNDL (Baujahr 1954) |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Weiter
nach Tahiti
Unser erster Aufenthalt in Honolulu war nur kurz. Nur wenig Holz war hier auszuladen, und für ausgedehnte Landgänge blieb keine Zeit. Mit zwei Mann musste ich allerdings wieder zum Arzt, denn die medizinischen Untersuchungsergebnisse von Vancouver waren nach hier übermittelt worden. Der Arzt zeige mir, wie man eine Penicillinspritze aufzieht und den Delinquenten 2 ccm intramuskulär ins Gesäß verabreicht. Das hatte ich dann an Bord unserem 2. Offizier (der auf Schiffen, die keinen Arzt fahren, üblicherweise dessen Aufgaben übernimmt, soweit zumutbar) zu erklären. Unerwartet bekamen wir an Bord noch Besuch von Mitarbeitern des US Hydrographic Office. Sie baten uns, im Südpazifik, wo nur wenige Schiffe unterwegs sind, im Rahmen des geophysikalischen Jahres 1957 Wetterbeobachtungen zu machen und diese als Wettertelegramme (OBSe) möglichst an nichtkommerzielle Küstenfunkstellen zu übermitteln, z. B. an Stationen der US Coast Guard. Für die Wetterbeobachtungen erhielt der 2. Offizier eine Menge Material über Wolkenbilder und andere Daten, mit denen er zunächst seine Mühe hatte. Als Belohnung für diese Arbeit lieferten die Amerikaner uns vorweg ausgezeichnetes Kartenmaterial über den Südpazifik. Unser Kapitän freute sich besonders über die darin enthaltenen detaillierten Angaben über Meeresströmungen, die für unser langsames Schiff durchaus interessant waren. Die Verschlüsselung dieser Daten in den OBSen und ihre Übermittlung fiel natürlich mir zu; auch der deutsche Nautische Funkdienst des Deutschen Hydrografischen Institutes enthielt entsprechende Unterlagen. Im westlichen Mittelmeer hatte ich damit schon OBSe entschlüsselt, die andere Schiffe auf Mittelwelle an Küstenfunkstellen übermittelten, um aktuelle Wetterdaten zu enthalten. Denn mit den Vorhersagen der Wetterberichte für das Mittelmeer war das manchmal so eine Sache. Äquatortaufe
|
![]() |
![]() |
![]() |
Der
Koch, der schon getauft war, stellte aus nicht sonderlich wohlschmeckenden
Zutaten Drinks für die Täuflinge her, und ich hatte 20 Taufnamen
zu erfinden, die möglichst alle einen Bezug zur Südsee haben
sollten, und schrieb sie auf eine lange Papierrolle hinter die Namen der
Täuflinge. Die wurden dann der Reihe nach aufgerufen, bekamen zunächst
vom Koch ihren „Schnaps“, wurden dann mit einer Senfbrühe und anderen
Deftigkeiten übergossen und hatten dann von selbst den Drang, im Taufbecken
von alldem wieder befreit zu werden. Bedingt durch diesen Ablauf kam der
Bootsmann als zweitletzter dran und ich als letzter. Die schon Getauften
schauten vom Bootsdeck aus amüsiert dem Treiben zu, sofern sie nicht
auf der Brücke oder im Maschinenraum auf Wache waren. Danach gab es
Freibier. Später bekam jeder Täufling eine Urkunde.
Auf dem Wege nach Tahiti mussten wir einige unbewohnte Inseln passieren, wie Starbuck und Vostok. Unser Schiff hatte noch kein Radar, und unbewohnte Inseln haben natürlich auch keine Leuchtfeuer. In solchen Fällen legte unser Kapitän daher den Kurs so fest, dass wir an Inseln, die wir bei Tage passieren würden, auf Sichtweite herankamen und ein Besteck nehmen konnten, während bei Nacht ein größerer Sicherheitsabstand vorgesehen wurde. Denn die Ortsangaben solcher nicht bewohnter Inseln sind historisch bedingt recht ungenau. Oft finden sich in den Seehandbüchern Hinweise, diese oder jene Insel läge in Wirklichkeit einige Seemeilen mehr westlich oder östlich der in den Karten eingetragenen Position. Darin drückt sich eine lange währende Unsicherheit in der Ortsbestimmung aus: Nach der Erfindung des Sextanten 1731 durch Hadley konnte man die geografische Breite schon recht genau bestimmen. Aber für die Ermittlung der geografischen Länge war das einfachste Verfahren die Kenntnis der Zeitdifferenz zwischen der Greenwichzeit (heute UTC) und der wahren Ortszeit. Für die Lösung dieses Problems wurde bereits 1598 in Spanien von König Philipp II. und später auch in den Niederlanden und Großbritannien Preise ausgesetzt (aber nie gezahlt). |
Kurz
vor Tahiti gab es in einem Dampfkessel einen Rohrreißer, und wir
trieben 12 Stunden steuerlos, bis der zweite Kessel angeheizt war und genügend
Dampfdruck abgab. Danach mussten die Maschinisten noch den defekten Kessel
wieder reparieren.
Tahiti
|
![]() |
![]() |
![]() |
Die
Motorisierung der Insulaner hielt sich damals noch in Grenzen; man sah
viele Fahrräder und Mopeds. Nachdem sich der Auflauf wieder weitgehend
zerstreut hatte, wurde ich an Deck von einem Touristen am Kai in Deutsch
angesprochen, ob er den Kapitän besuchen könne. Ich fragte nach
seinem Namen; es war der Schauspieler Karl-Heinz Böhm, neben ihm seine
damalige Frau Gundula Blau. In seinem Südsee-Outfit hatte ich ihn
zunächst nicht erkannt. Aber unser Kapitän war nicht begeistert:
„Wat schall denn dat nu woar. De kennt mi doch as wenig as ik em“. Aus
dem Besuch wurde also nichts, aber Karl-Heinz Böhms Anwesenheit auf
der Insel sprach sich an Bord schnell herum. Später sahen Besatzungsmitglieder
ihn noch in einer Gaststätte an einem anderen Tisch sitzen. Zuerst
schien alles entspannt, aber dann stand ein alter Heizer auf und rief zu
ihm hinüber: „Nu wart dat aber Tid, dat Du einen utgeben deist!“ Darauf
zahlte Karl-Heinz Böhm schnell und verließ das Lokal. Ein Elsässer
Farmer fuhr mich gerne zur Küstenfunkstelle von Tahiti. Einzelheiten
dazu sind auf dieser Webseite unter der Rubrik „Seefunk-Geschichten“ und
dem Titel „Funken in der Südsee – Tahiti Radio,
FJA“ nachzulesen.
Am Tag der Abfahrt war ab 12 Uhr Landgangsperre angeordnet, aber das funktionierte nicht. Die Disziplin war angesichts der schönen Tahitimädchen aus dem Leim geraten. Der Hafen war ja nicht groß, ein mehrmaliges längeres Ziehen an der Dampfpfeife kündigte allen unmissverständlich an, dass unser Kessel tatsächlich schon unter Dampf stand und wir auslaufen wollten. Das wirkte. In den folgenden Wochen bekam der 2. Offizier weitere Patienten für Penicilin; der Aufenthalt auf Tahiti zeigte seine Folgen. (Foto unten links) |
![]() |
![]() |
![]() |
Schiffen,
und die Betriebsleitung hielten das alte Verfahren für erprobt und
ausreichend. An Land gehen konnten wir auf Makatea nie. Nach Aufgabe der
Phosphatförderung in den 70iger Jahren wurde die Verladebrücke
wieder abgebrochen, denn eine Zierde der schönen Insel war sie natürlich
nicht.
Wieder
Honolulu
Sylvester
auf Tahiti
|