Die Ozean-Wetterschiffe
Ein Bericht von John Van Dyke 9H1ZY, Malta - Mit Genehmigung übersetzt von: Rolf Marschner DL9CM

Der folgende kurze Bericht beschreibt den Ozean-Wetterdienst vor der Einführung der Satelliten-Kommunikation. John Van Dyke war Funker beim Wetterdienst, sein Text und seine Bilder geben einen Einblick in diesen wichtigen Dienst für die Schiff- und Luftfahrt bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts. Alles liegt schon weit zurück, doch gibt es bestimmt noch Leser, die sich an diesen Dienst erinnern, ja, 
vielleicht können einige von ihnen eigene Geschichten erzählen von der Zeit, als sie „auf Station“ im Nordatlantik waren.
John Van Dyke’s Rufzeichen im Amateurfunk sind GM0RYD und 9H1ZY, von 1956 bis 1957 besuchte er das ICAO college in Bletchley Park und qualifizierte sich dort zum Fernmeldeoffizier. Von 1953 bis 1959 war er auf dem Flugplatz von Prestwick beschäftigt, während dieser Zeit jedoch von 1958 bis 1959 an der „Birdlip“-Funkstation als Transatlantik-Kurzwellenfunker. Seine Zeit als Seefunker von 1960 bis 1975 verbrachte er an Bord des Ozeanwetterschiffes „Weather Reporter“/MYDN. Zur Zeit ist er Mitglied in der Royal Naval Amateur Society und in der Malta Amateur Radio League. Während der Monate Mai bis August lebt John zu Hause in Largs, Schottland, und benutzt das Rufzeichen GM0RYD. Um dem nassen Klima in Westschottland zu entfliehen, überwintert er auf Malta und verwendet das Rufzeichen 9H1ZY.
Foto links: "John the Piper"
Sein Sohn und dessen Familie leben in Villa Rica, Georgia, USA. Wenn John dort zu Besuch weilt, führt er als Zusatz den Prefix W4. John spricht Gälisch und ist ein hervorragender Dudelsackspieler. Er tritt bei verschiedenen Anlässen auf, so z.B. beim St. Andrew’s Tag und beim Burn’s Abendessen, außerdem lehrt er vielen Jungen und Älteren das Geheimnis der Rohre.
Oben links:  „Weather Reporter“ (im Vordergrund) und „Weather Advisor“ an der Pier in Greenock, dem Stützpunkt der Ozean-Wetterschiffe an der Clyde in den 50er Jahren 
Oben rechts:  Die Wetter-Stationen wurden errichtet um Wetterinformationen zu sammeln und um als Rettungsschiffe für die Luft- und Schiffahrt zu dienen.
Gegründet wurde der Ozean-Wetterdienst 1947 mit 10 Schiffen. 4 britischen, 2 französischen, 2 holländischen und 2 norwegischen. Die Internationale Civil Aviation Organisation, ICAO, übernahm die Leitung. Sie hatte entschieden, den Atlantik mit folgenden Stationen zu besetzen: 4YA 62N 33W,  4YI 58N 19W,  4YJ 52N 20W,  4YK 45N 16W. Die Station 4YM wurde zwischen Norwegen und den Färöer-Inseln positioniert und von norwegischen Schiffen besetzt. Die Wetterschiffe blieben 23 Tage auf ihrer Station. 
Jeweils um 0000 GMT und 1200 GMT gab es einen Ballonstart. Gemessen wurde Feuchtigkeit, Temperatur und Luftdruck. Die Ergebnisse, per Funk zum Schiff gesendet, wurden bearbeitet und an die Bodenstationen weitergeleitet. Um 0600 GMT und 1800 GMT startete man einen weiteren Ballon um die Höhenwinde zu messen. Diese Ballons stiegen bis zu einer Höhe von 40.000 Fuß auf. Die Ergebnisse strahlte das Wetterschiff simultan auf zwei Frequenzen an CQ aus. Empfangsbestätigungen kamen von Dunstable, GFK (UK) und von Washington DC, NMH, beide wurden von der Station „Alpha“ empfangen. Jede Stunde wurde ein aktueller Wetterbericht verbreitet, ein anderer Wachoffizier beobachtete 500 kHz und nahm Wettermeldungen (OBSE) der Handelsschiffe entgegen. 
Die britischen Schiffe leaste man bei der Royal Navy, manche hatten noch ihre Geschütze an Bord, sie waren jedoch nicht bewaffnet. Sie hatten beeindruckende Array-Antennen, 4 HF-Peitschen, 2 vertikale MW-Drahtantennen, 2 VHF und 2 UHF-Vogelkäfige. Während des kalten Krieges wurden  die Wetterschiffe von russischen Fischtrawlern beschattet. Die Besatzungsmitglieder hatten Papiere unterzeichnet und fielen unter die Gesetze der Handelsmarine. Die Meteorologen unterstanden dem Luftfahrtministerium und wurden als außerplanmäßige Offiziere übernommen. Insgesamt gab es sechs Funkoffiziere an Bord, zwei für jede Wache.
Der Funker auf dem Flugfunkplatz war zuständig für: Das Nordatlantische Funk-Telefonnetz auf Kurzwelle, für die VHF-Frequenzen 121.5 MHz und 126.7 MHz sowie den Peilempfänger der auf der VHF-Frequenz 127.9 MHz manuell bedient wurde. Erst in den 60er Jahren führte man ein automatisches Verfahren ein. Außerdem überwachte er den militärischen UHF-Kanal 243 MHz. Flugzeuge die über den Atlantik flogen, baten um folgende Informationen: Schiffs-Standort, Radarmessung und Windangabe. Manchmal baten sie auch um Weiterleitung (QSP) ihrer Position auf Kurzwelle an die Atlantik-Kontroll-Stationen, entweder an Shanwick oder Gander.
Der Funker auf dem Seefunkplatz war zuständig für: Die stündlichen aktuellen Meldungen auf Kurzwelle sowie für die Weitergabe der 6-stündlichen Höhenbeobachtungen, außerdem war er verantwortlich für den öffentlichen Verkehr. Er beobachtete 500 kHz, 2182 kHz und die Militärfrequenz 3023 kHz. Er verbreitete Warnmeldungen für die Schiffahrt und aktualisierte die Koordinaten des eigenen Standortes anhand von NDB’s die im Bereich von 370 bis 380 kHz arbeiteten.
In den späten 50er Jahren überquerten Jet-Flugzeuge den Atlantik in 6 bis 7 Stunden. Sie hatten Sprechfunkgeräte an Bord über die die Piloten selbst ihre Positionsangaben und Hinweise auf den Luftverkehr gaben.Telegrafiefunker flogen nicht mehr mit. Zwischen den Kontrollstationen richtete man Funkfernschreib-Verbindungen ein. Ehemalige Funkoffiziere wurden entlassen oder als Fernschreiber eingesetzt. Mich versetzte man auf die „Weather Reporter“/MYDN. Das Schiff war die ehemalige „Oakham Castle“, eine Korvette von 1200 Tonnen mit einer Länge von ungefähr 80 Metern. Sie hatte im Zweiten Weltkrieg an der Schlacht im Atlantik teilgenommen. Ich blieb bis 1975 in diesem Dienst und wurde dann entlassen. Das Ende der Morsetaste kam immer näher. Die Flugzeuge erhielten modernste Navigationsgeräte und wurden immer zuverlässiger. Sie brauchten weniger Wartung als die Propellermaschinen. Wetterergebnisse an das Central Forecasting Office in England sendete man direkt über FAX und RTTY.
Das Leben an Bord eines Wetterschiffes war zum größten Teil Routine, es sei denn, wir erhielten Post mit freundlicher Genehmigung des RAF-Kommandos an der Küste. Die Shackleton-Flugzeuge, die Wetterbeobachtungen auf dem östlichen Nordatlantik vornahmen, hatten die Post in einem Behälter gesammelt und warfen diesen per Fallschirm ab. Ich bin froh sagen zu können, dass es immer geklappt hat.
Am meisten beschäftigt war das Wetterschiff „Juliet“, es lag auf einem Atlantik-Schiffahrtsweg und auf einer bevorzugten Strecke des zivilen Luftverkehrs. Die ruhigste und kälteste Station war „Alpha“. Sie wurde in den 70er Jahren in den Kabeljau-Krieg hineingezogen, indem sie Warnmeldungen an die Hochseefischer sendete.

Foto links:  Funkstation auf einem Wetterschiff

Meine persönliche Geschichte:
Von 1957 bis 1959 war ich Fernmeldeoffizier im Oceanic Control Center in Prestwick, Schottland. Es wurde nur in CW gearbeitet. An Bord der Flugzeuge gab es Funker, die Positionen, Wetterberichte und andere Informationen mit der Taste sendeten. Es fand ein Austausch von Fluginformationen zwischen den Kontroll-Zentren Prestwick, MBY, Gander, VFG, New York, WSY, Island, TFW und Santa Maria, CSZ auf verschiedenen Frequenzen statt.
Es gab auch Warnmeldungen von propellerangetriebenen Flugzeugen. Sie waren anfällig und wenn ein Triebwerk ausfiel, wurden sie umgeleitet bzw. zum Ausgangspunkt zurückbeordert. In solchen Fällen wurde eine besondere Wache gegangen. Ich erinnere mich an zwei Notwasserungen, eine amerikanische Sabre auf dem Flug von Texas nach Norwegen. Es war ein Flug von sechs Maschinen, die in der Luft auftanken mußten. Die letzte Betankung erfolgte 100 nm südlich unserer Station. Eines der Flugzeuge konnte nicht mehr länger warten und stürzte ab. Normalerweise waren die Wetterschiffe über solche Flüge informiert, aber in diesem Falle war keine Information erfolgt. Schließlich stieg eine Suchmaschine der USAF in Santa Maria auf den Azoren auf und fand auch den Piloten. Während seines Ausstiegs war die Notfall-Boje beschädigt worden, die Rettung nahm 12 Stunden in Anspruch, der Pilot starb an Erschöpfung.
Foto oben links:  Die „Oakham Castle“ war ein typisches Wetterschiff. Sie wurde von der Royal Navy bereitgestellt. Im 2. Weltkrieg hatte sie als Begleitschiff für  Handelsschiffe gedient. 
Foto oben rechts:  „Weather Reporter“ / MYDN 1965 
Die nächste Rettung war erfolgreicher, obwohl es schwierige Momente gab. Vier einmotorige Maschinen befanden sich auf dem Flug von Gander, VFG nach Südafrika via Santa Maria, CSZ. Der Flug hatte in Los Angeles, LAX begonnen. In Gander sollten die Flugzeuge auftanken. Der erste Radarkontakt zeigte drei Maschinen, die vierte sollte 30 Minuten später folgen. Wir konnten das Flugzeug jedoch auf dem Bildschirm nicht sehen und die Sprechfunkverbindung auf UKW war sehr gestört. Der Pilot war sehr zuversichtlich auf dem richtigen Kurs zu sein, wir mußten ihn jedoch informieren, dass er auf einem falschen Weg war. Der Kontakt ging verloren und eine Stunde später
meldete Santa Maria, dass die Maschine überfällig sei. Unser  Schiff fuhr sofort in Richtung Süden und übernahm die Leitung. Ein Suchflugzeug entdeckte die Maschine und aufgrund der Brennstofflage schien es das Beste, in Richtung Wetterschiff zu fliegen. Da der Kompass des Flugzeuges defekt war, wurde es von der Suchmaschine dorthin geleitet. Vom Schiff aus hatte man Vorkehrungen getroffen und einen leuchtenden Schaumteppich gelegt. Der Pilot jedoch mußte 20 nm vor dem Teppich notwassern. Er hatte Schwierigkeiten gehabt, sein Kabinendach zu entfernen. Als unser Schiff die Position erreichte, fand man das Schlauchboot, und der Pilot wurde ohne nass zu werden, gerettet. Er war dankbar dafür, aber gleichzeitig enttäuscht, dass er die nächsten zehn Tage ein Gast der Königin sein mußte, bis wir in Greenock an die Pier gingen. Der Flugzeugführer war übrigens professioneller Pilot einer zivilen Luftfahrtgesellschaft der gerade in Urlaub war.
Zwei Schiffe blieben 1975 übrig. An Bord waren drei Meteorologen und ein Funkoffizier. 1980 wurde der Dienst eingestellt. Satelliten hatten den Weltraum erobert. Die Wettervorhersage war in ein anderes Stadium übergegangen.
 
Rechts: John Van Dyke 1967 am nördlichen Polarkreis in der Nähe von Island
 

Text and all Photographs: © by John Van Dyke, 9H1ZY
Translation by: Rolf Marschner, DL9CM
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Version: 27-Nov-08 / Rev.: 11-Jun-11 / HBu