Der Anfang vom Ende des klassischen Seefunks
Ein Bericht von © 2007: Joachim Paul, DJ7WL - Mit einem Vorwort des Verfassers

Vorwort des Verfassers:
Fast 100 Jahre gab es den Beruf des Funkoffiziers an Bord von Handelsschiffen.
Von 1953 bis 2002 durfte ich die Funkoffiziere und Reeder  dabei begleiten, dass auf ihren Schiffen jeweils der aktuelle Stand der Technik in Bezug auf Kommunikation, Navigation und Sicherheit vorhanden war. Begonnen habe ich meine Berufslaufbahn bei Hagenuk Radio Service und habe dort als erstes ein GS50 GW Funktelefon installiert und in Betrieb genommen. Später wurde die deutsche Walfangflotte betreut.
Am damals größten Tanker der Welt der "Tina Onassis" durfte ich bei Einbau und Inbetriebnahme von Kommunikation, Navigation, Unterwassertechnik etc. mitarbeiten. Jedes Jahr lag die Luxusyacht des Reeders Niarchos, "Creole" an der Howaldtwerft Hamburg zur Überholung, auch die Yacht "Christina" vom Reeder Onassis haben wir mit viel Electronic versehen. Im Jahr 1959 bin ich dann zur Debeg Hamburg gewechselt der heutigen SAM Electronics. Wir haben viele Schiffe mit jeweils moderner Kommunikation, Navigation und Sicherheitstechnik versorgt. Daneben habe ich auch viele andere Projekte durchgeführt  z. B. drei Antarktisstationen, bei der Indischen und Italienischen war ich jeweils der Projektleiter. 
Ab 1975 wurde die neue Satellitentechnik und später die GMDSS Systeme langsam aufgebaut. Dieses Jahr markiert also den Beginn eines Prozesses welcher letztlich dazu führte, dass ein Funkoffizier im klassischem Sinne an Bord von Handelsschiffen nicht mehr benötigt wird. In gleicher Weise waren natürlich auch die Küstenfunkstellen weltweit betroffen. 
Bei der Debeg habe ich dann viele neue Anwendungen im Zusammenhang mit dem Marisat- und später dem Inmarsat-System  erprobt und eingeführt. Meine Berufslaufbahn habe ich 2000 offiziell beendet. Davor habe ich aber noch alle Hapag-Lloyd-Passagierschiffe via Inmarsat Standard B mit der Zentrale am Ballindam in Hamburg vernetzt. Ab 2000 bis 2002 habe ich als freier Mitarbeiter von SAM Electronics noch diverse ähnliche Projekte zu Ende geführt z. B. die "Seacloud II" und weitere Spezial- und Forschungsschiffe = Joachim Paul +

Der Anfang vom Ende des klassischen Seefunks
Im Jahre 1976 wurden im Auftrag der Comsat USA drei Kommunikations-Satelliten gestartet und in eine geostationäre Position über dem Indischen-, Pazifischen- und Atlantischen Ocean gebracht. Die Nutzung dieser Kommunikationssatelliten war primär für die amerikanische Marine vorgesehen aber für die Internationale Seeschifffahrt gab es auch einen Transponder darauf. Für den abgedeckten Bereich des Atlantischen Ozeans gab es 6 Telefoniekanäle für die internationale Seeschifffahrt.

Für die Installation an Bord stellte Comsat Terminals vom Typ Scientific Atlanta bereit. Die Betriebsarten zu diesem Zeitpunkt waren Telefonie und Telexbetrieb. Land Erde Stationen als Schnittstelle in das Internationale Telefon und Telex Netz gab es nur in den USA. Telex wurde von Anfang an mit Selbstwahl betrieben dagegen wurden die Telefonverbindungen manuell per Operator hergestellt. 
Auch eine Notruffunktion war von Anfang an in das Marisat System integriert. Allerdings landeten die Notrufe  in den USA bei der Coastguard welche bei Bedarf die Rettungs- zentralen in anderen Ländern informierte.

Meine Firma, die Debeg in Hamburg, hat ein Vorführsystem am damaligen Standort Katharinenstrasse betriebsfertig aufgestellt. Die Resonanz bei den angesprochenen Reedereien hielt sich aber erst einmal in Grenzen weil die Betriebskosten hoch waren und ein Funker ja eh an Bord war.
Die Debeg hat von Anfang an den Service für die Comsat/Scientific Atlanta Terminals übernommen und zwar für den Bereich Europa und Afrika. In Hamburg hatten wir ein vollständiges Ersatzteillager für die Marisat Terminals zur Verfügung. Die ersten Kunden waren so auch keine Schiffe unter deutscher Flagge sondern amerikanische Marineschiffe welche die gleichen Terminals einsetzten.
Aber auch bei den deutschen Reedern sprach es sich herum, dass man mit einem solchen Marisat System sein Schiff zu jeder Tages- und Nachtzeit direkt vom Büro aus und ohne Küstenfunkstelle erreichen kann. Schiffe in der Linienfahrt wurden so nicht zu ersten Kunden aber Trampschiffe welche davon lebten schnell noch Ladung im nächsten Hafen aufzunehmen schon weil es sich in vielen Fällen für den Reeder rechnete.
Verglichen mit den heutigen Inmarsat Anlagen, wie z.B. eine F77 Anlage, waren die Marisat Geräte groß und schwer. Besonders die Nachsteuerung des Parabolspiegels um jederzeit den Kontakt zum geostationären Satelliten zu halten hat sich sehr verändert. Die Antennennachsteuerung zu dieser Zeit war ein geschlossener Regelkreis. In der Unterdeckeinheit befand sich der Antennen- rechner. In diesen Rechner wurde das Kreiselkompasssignal eingespeist. In der Antenne befanden sich als Sensoren eine „elektronische Wasserwaage“ bestehend  aus einer Gaspumpe, Halbleiterelement und weiterer Elektronik. Dazu waren Beschleu- nigungssensoren in der Roll- und der Nickachse angebracht. Weiter befanden sich am Parabolspiegel die Stellmotoren für Azimut und Elevation in Kombination mit  Potentiometer für die Rückmeldung der Lage. Die Antenne wurde mit der Unterdeck- einheit über ein dickes vieladriges Kabel verbunden. Der Anten- nenrechner bekam seine benötigten Informationen aus diesen Sensoren und dem Kreiselkompasssignal um über das Kabel die Antenne nachzusteuern. Bei der Erstinbetriebnahme allerdings mussten  Azimut und Elevation am Rechner eingestellt werden. Die Werte dazu gab es entweder aus Tabellen für den jeweiligen Ort oder sie wurden mit einem Handrechner ermittelt. Wenn das System dann den Satelliten gefunden hatte wurde in Zeitab- ständen im sogenannten Steptrack Verfahren die Antenne fein nachgeführt und das Empfangssignal damit optimiert. 
Foto rechts: Handrechner zur Ermittlung von Azimut und Elevation
Im Gegensatz zu den heutigen Inmarsat Anlagen musste bei den damaligen Marisat Geräten wärend der Inbetriebnahme ein „Commisioning Test“ durchgeführt werden. Von Bord des Schiffes aus wurde der Kontakt zu einer speziellen Messstelle der Comsat hergestellt. Nacheinander wurden alle Funktionen des Systems erprobt. Nach bestandener Prüfung wurde dann das Marisat Terminal für den internationalen Telefonie-, Telex- und Notruf-Betrieb freigeschaltet.
Die Installationen der Marisat Anlagen verliefen aber manchmal auch nicht so glatt. Wir haben von Texaco den Auftrag erhalten auf dem Schiff "Texaco Norway" eine Marisat Anlage einzubauen. Der Einbau sollte aus wirtschaftlichen Gründen irgendwo zwischen Brunsbüttel und dem Roten Meer erfolgen. Brunsbüttel war der Entladehafen für das Schiff. 
Ein besonderes Problem war die Installation der Antenne mit einem Gewicht von 450 kg. Ein geeigneter Kran stand in Brunsbüttel nicht zur Verfügung. So habe ich mich entschlossen die Antenne per Hubschrauber auf den bereits vorhandenen Mast zu setzen. Wegen böiger und ständig wechselnder Winde misslang aber dieser Versuch, ein neuer sollte nun nach der Passage von Gibraltar gestartet werden. Die Antenne wurde per Luftfracht nach Spanien versandt. Von Hamburg aus machte ich mich auf den Weg nach Malaga. Von dort aus fuhr ich zum Hubschrauberstützpunkt Estepona auf halbem Wege zwischen Malaga und Gibraltar. Den Hubschrauberpiloten kannte ich schon von diversen Versetzung von Gran Canaria aus auf Tanker. 
Wir haben dann erst einmal einen Testflug mit der Antenne unter dem Hubschrauber unternommen.
Flugerprobung mit dem Hubschrauber
Schatten der Antenne unter dem Hubschrauber
Am anderen Morgen hatte sich die "Texaco Norway" der Küste bis auf 5 Meilen genähert. Es wurde Funkkontakt mit dem Schiff aufgenommen und die Antenne unter dem Hubschrauber befestigt. Das Wetter war diesig, deshalb haben wir vom Schiff Peilzeichen auf der Frequenz 410 kHz angefordert. Mit dieser Hilfe gelang es, das Schiff schnell zu finden. Wir setzten die Antenne am äußersten backbordseitigen Ende der Komandobrücke vorsichtig auf der bereitgelegten weichen Unterlage auf. Das Halteseil wurde ausgeklinkt und jetzt landete der Hubschrauber an Deck des Supertankers um mich abzusetzen. Nach einer Ehrenrunde verabschiedete sich der Helicopter und der Tanker setzte seine Fahrt zum roten Meer fort.
 Die Antenne steht in der Brücken-Nock
Mast und Antenne
Jetzt muss die Antenne auf den Mast 
An Bord wurden mit dem Kapitän und dem 1. Ingenieur die vorhandenen Möglichkeiten diskutiert die Antenne vom Brückendeck auf den vier Meter hohen Mast zu bringen.
In dreitägiger Arbeit und mit dem Einsatz von bis zu zwölf Leuten der Bordbesatzung wurde ein acht Meter hohes Gerüst über dem Mast errichtet. Die Arbeit wurde durch starken Wind und durch Seegang zeitweise unterbrochen. Dann wurde die Antenne angehievt und über eine Rollenkonstruktion von der Seite her zum Bestimmungsort gebracht. 
Nach dem Anschluß der Antenne wurde die Anlage jetzt erstmalig eingeschaltet und die nötigen Einstellungen und Justierungen vorgenommen. Nachdem kleinere Fehler beseitigt waren, wurde dann Kontakt mit der Bodenstation in den USA aufgenommen und das System für den sogenannten „Commisioning Check“ angemeldet. Mit dieser Prozedur werden alle Betriebsarten und Funktionen im Wechselspiel mit der Bodenstation erprobt. Nach erfolgreicher Prüfung wurde dann via Telex über das System die Genehmigung zum Betreiben der Anlage erteilt.
Die "Texaco Norway" mit der über der Bb-Nock angebrachten Satelliten-Antenne
Vor Malta ließ ich mich  von einem Boot abholen und nach Valetta bringen. Von Malta aus ging es zurück nach Hamburg
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Version: 17-Feb-07 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu