Einleitung
Die
gesellschaftliche Entwicklung im 20. Jahrhundert war durch zwei fürchterliche
Weltkriege und technische Erfindungen und Umwälzungen auf allen Gebieten
der Wissenschaften gekennzeichnet. Das Weltwirtschaftssystem wurde nachhaltig
durch völlig neue Systeme der Kommunikation über Ländergrenzen
hinweg beeinflusst. Der neu geschaffene internationale Nachrichtenapparat
ermöglichte den Austausch von Nachrichten zur Preisbildung und zur
Einleitung von Warengeschäften in ganz kurzen Fristen rund um die
Erde. Wer diese Nachrichtenmittel beherrschte, dirigierte auch die Weltwirtschaft.
Die Weltwirtschaft wiederum war aber mit ihren Interessen und Plänen
nicht imstande, die Weltpolitik zu beherrschen, es war vielmehr umgekehrt.
Deshalb kam es immer wieder zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen
zwischen einzelnen Staaten im Ringen um die Weltherrschaft.
Die
Überbrückung von Raum und Zeit mittels Nachrichtentechnik zum
Zwecke der Kommunikation zählt zweifelsfrei mit zu den größten
Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Der drahtlosen Telegrafie kommt
im Rahmen des Seefunks dabei im Wechselspiel zwischen Politik und Kommerz
durch den Aufbau eines weltweiten internationalen Notfunk-, Warn- und Sicherheitssystems
zum Schutze des menschlichen Lebens auf See eine besondere Bedeutung zu.
Trotzdem
oder gerade deswegen sollte im nachhinein die Frage gestattet sein, ob
seitens der internationalen Organisationen, nationalen Behörden aber
auch von den Reedern wirklich alles getan wurde, um die Sicherheit der
Seeleute und Passagiere entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik verantwortungsbewußt
zu gewährleisten und ausreichend zu schützen?
Konkurrenzkampf
zwischen MARCONI und TELEFUNKEN
Im
Prinzip kann die Frage, wer die Funktechnik eigentlich erfunden hat, nicht
exakt beantwortet werden. Sie ist schließlich die Summe einer großen
Anzahl von Einzelerfindungen von Wissenschaftlern des vorigen Jahrhunderts
wie MAXWELL, HERTZ, MARCONI,
POPOW,
Professor BRAUN, Professor SLABY, Graf von ARCO u.a.m.
MARCONI
selbst war einer der ersten, der die wirtschaftlichen Möglichkeiten
einer Nutzung der drahtlosen Telegrafie erkannte. Im Jahre1895 hatte er
seinen drahtlosen Telegraphen dem italienischen Minister für “Post
und Telegraphie“ angeboten, der jedoch an seiner Erfindung nicht interessiert
war. Über private Kontakte seiner Familie zur italienischen Botschaft
in London überzeugte er den Generalpostmeister Ihrer Britischen Majestät,
Sir WILLIAM PREECE, im Jahre 1896 von den Vorteilen der Funktechnik speziell
für den Inselstaat und seine Flotte. Als führende Schifffahrtsnation
erkannte England die Möglichkeiten, seine Vormachtstellung im kabelseitigen
Nachrichtenwesen mittels der Funktechnik weiter auszubauen.
Zur
Schaffung einer wirtschaftlichen Grundlage für die Vermarktung seiner
(MARCONI's) Erfindung wurde mit der Unterstützung der englischen Post-
und Telegrafenverwaltung im Jahre 1900 in London die WIRELESS TELEGRAPH
UND SIGNAL COMPANY und ein Jahr später die Tochtergesellschaft MARCONI'S
WIRELESS TELEGRAPH COMPANY LTD gegründet. Diese Firma war damit beschäftigt,
Bordfunkanlagen nebst den Telegrafisten an die Schifffahrt zu vermieten.
Darüber hinaus sicherte sich MARCONI die Konzessionsrechte für
Küstenfunkstationen in Ländern entlang der Hauptschifffahrtsrouten.
Zur Absicherung seiner Monopolstellung untersagte die Marconigesellschaft
ihren Telegrafisten die Abwicklung von Funkverkehr mit TELEFUNKEN-Stationen,
was sich insgesamt wenig vorteilhaft für die Entwicklung des Seefunks
erwies.
Das
Bestreben Deutschlands, als gleichberechtigte Weltmacht von den anderen
“Großen Nationen“ als solche anerkannt zu werden, bedurfte es Anfang
des vorigen Jahrhunderts vor allem einer starken Flotte. Der Ausbau der
deutschen Marine wurde zur persönlichen Liebhaberei von Kaiser Wilhelm
II.. Diese Pläne wurden von dem ehrgeizigen Reichsmarineminister Admiral
von Tirpitz geschickt aufgegriffen und gefördert. Gleichzeitig veranlassten
die politischen und militärischen Kreise in Deutschland, die Weiterentwicklung
der Funktelegrafie zu beschleunigen, um dem Bestreben Englands zur Vorherrschaft
auf dem Nachrichtensektor entgegen zu wirken.
Der
Deutsche Kaiser unterstützte persönlich die Forschungsarbeiten
auf dem Gebiete der Funktechnik von Professor SLABY und Graf von ARCO durch
die Einbeziehung von militärischen Einrichtungen für Laborversuche
und Erprobungen. Auf diese Art und Weise fand die Funktelegrafie auch in
Deutschland sehr bald Einzug in die militärische Flotte und zögernd
auch in die zivile Schifffahrt. Wiederum erst durch das persönliche
Eingreifen des Kaisers wurde der Konkurrenzkampf für den Bau und den
Absatz von Bordfunkanlagen zwischen den beiden deutschen Firmengruppen
“BRAUN/SIEMENS“ und “SLABY/ARCO/AEG“ beendet. Im Jahre 1903 fusionierten
diese beiden Gruppen unter dem neuen Namen “TELEFUNKEN“, um auf dem Weltmarkt
ihre Bordfunkanlagen noch besser vermarkten zu können.
Der
internationale Konkurrenzkampf zwischen TELEFUNKEN und MARCONI, speziell
mit dem neu gegründeten Tochterunternehmen “COMPAGNIE DE TELEGRAPHI
SANS FIL“ in Brüssel, führte zur weiteren Zuspitzung und Einschränkungen
der Abwicklung des Funkverkehrs im Seefunkdienst. Aus diesen Gründen
wurde auf Initiative der deutschen Regierung im Jahre 1903 eine Internationale
Konferenz zur Regelung von Fragen der drahtlosen Telegrafie nach Berlin
einberufen. Diese Konferenz diente der Vorbereitung einer Tagesordnung
für die geplante zweite Funkkonferenz, die im Jahre 1906 ebenfalls
in Berlin stattfinden sollte. Die grundsätzliche Forderung “Gleiches
Recht für alle“ wurde dann im Rahmen eines ersten Funktelegrafenvertrages,
der 1908 in Kraft trat, von 21 der 32 teilnehmenden Staaten anerkannt.
Politische und wirtschaftliche Interessen Englands verhinderten jedoch
ein besseres Ergebnis. Trotzdem war die Konferenz ein Erfolg, da mit dem
Vertrag erste internationale Regelungen auf dem Gebiet der drahtlosen Telegrafie
getroffen werden konnten, ohne dabei die weitere technische Entwicklung
auf dem Gebiete der Funktechnik einzuschränken.
Nach
Erfindung des sogenannten “Tonfunksystems“ durch
Professor WIEN im Jahre 1908 führte TELEFUNKEN dieses System beim
Bau von Bordfunksendern (Löschfunkensender)
ein und sicherte sich damit auf dem Gebiet der Funktechnik einen beträchtlichen
Vorsprung.
Ende
1910 kam es zwischen TELEFUNKEN und MARCONI zu einer Übereinkunft
dahingehend, dass die Funkstationen einschließlich Funkern
auf deutschen Schiffen aus ihren Verträgen mit MARCONI entlastet
und einer deutschen Gruppe übereignet werden sollten. So kam es 1911
zur Gründung der “Deutschen Betriebsgesellschaft für drahtlose
Telegrafie m.b.H.“ (DEBEG) mit Gesellschaftsanteilen von AEG, Siemens §
Halske, TELEFUNKEN und der “COMPANIE DE TELEGRAPHI SANS FIL“ in Brüssel,
die die Interessen von MARCONI auf dem Festland vertrat.
Bei
einer Befragung anläßlich des Unterganges der “TITANIC“ 1912
in New York, erklärte MARCONI, dass er einer der Direktoren eines
deutschen Unternehmens sei, genannt DEBED Co (wahrscheinlich Höhrfehler
des Protokollanten), in dem entsprechend eines Abkommens mit deutschen
Partnern Funkanlagen nach seinen Patenten hergestellt und eingebaut würden.
Leider macht die DEBEG im Rahmen der Chronik darüber keine Angaben.
Dies war aber wohl der Preis den Deutschland einbringen musste, um das
MARCONI-Monopol endgültig brechen zu können.
Konservative
deutsche Reeder
Deutsche
Reeder und besonders die Kapitäne standen der Funktechnik teilweise
äußerst skeptisch gegenüber, da sie die Vorteile nicht
erkannten und die zusätzlichen Kosten für die Funkanlagen und
die Telegrafisten scheuten. Deshalb hatte es der Seefunk in den ersten
Jahren seiner Entwicklung in Deutschland schwer, sich auch in der Handelsschifffahrt
erfolgreich durchzusetzen. Als Bredow gegenüber deutschen Reedern
äusserte, die Zeit werde kommen, dass kein Schiff ohne Funk den Hafen
verlassen dürfe, rief der Reeder Adolph Woermann unter dem Gelächter
der Anwesenden: “Hören sie meine Herren, welch' blühende Phantasie
dieser Mann aus Berlin hat.“
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Funkausrüstung
des Passagierschiffes "Vaterland" (1914)
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Vorwiegend
weitblickende Reeder der Transatlantischen Passagierschifffahrt erkannten
die wirtschaftlichen Vorteile der Funktelegrafie für die Organisation
der Ein- und Ausschiffung der zahlreichen Passagiere in den Häfen.
Auch das Bedürfnis einiger Passagiere nach Pressenachrichten und Informationen
über die aktuellen Börsenberichte während den Überfahrten
förderte die Ausrüstung von Passagierschiffen mit Funkanlagen.
In
Deutschland übernahm diese Aufgaben im Jahre 1911 die DEBEG, die sich
außerdem mit dem Ausbau und der Organisation des Seefunkdienstes
beschäftigte. In einer eigenen Funkschule bildete sie das Funkpersonal
selbst aus und stellte die Telegrafisten nebst Funkanlagen den Reedereien
gegen Gebühren zur Nutzung zur Verfügung. An Bord waren
sie im Offiziersrang dem Kapitän des Schiffes direkt unterstellt.
Diese indirekte “Doppelunterstellung“, einerseits Angestellter
der DEBEG und andererseits der jeweiligen Reederei, barg gewisse Gefahren
der Verantwortlichkeit in sich und sollte auch das zukünftige Berufsbild
des Funkoffiziers prägen, von dessen schwarzer Kunst ja sowieso an
Bord niemand etwas verstand.
Beim
Untergang der “TITANIC“ und dem daraus resultierenden Seenotverkehr wurde
dies erstmalig augenscheinlich, worauf an dieser Stelle jedoch nicht näher
eingegangen werden soll.
Auf
Grund der engen Verbindung zwischen der Firma TELEFUNKEN und der Betriebsgesellschaft
DEBEG durch den gemeinsamen Direktor BREDOW in Personalunion kam es in
Deutschland zu einer, für den Seefunk vorteilhaften Zusammenarbeit
mit dem Reichsverkehrsministerium, dem Reichsmarineamt und den Laboratorien
und Werkstätten der Funkgerätehersteller.
Mit
der Einführung der Löschfunkensender und der Verwendung von Elektrolyt-Detektoren
und Kristall-Detektoren anstelle der unzureichenden
Kohärer
sowie der Einführung eines vom Schiffsnetz unabhängigen Notsenders
schien um 1910 ein gewisser Standard der technischen Entwicklung der Seefunktechnik
erreicht zu sein.
Schlussfolgerungen
aus Schiffskatastrophen
Eine
Reihe furchtbarer Schiffsunglücke, insbesondere der tragische Untergang
der “TITANIC“ im Jahre 1912 und der Verlust “VOLTURNO“ 1913, hatten
eine Welle von internationalen Übereinkommen, Gesetzen und Vorschriften
für die Schifffahrt ausgelöst. Die Mängel in den damaligen
Bestimmungen zur Schiffssicherheit waren im Zusammenhang mit der Ausrüstung
der Schiffe und den Rettungsaktionen der Passagiere und Besatzungen offenkundig
geworden. Diese Unglücke bekräftigten die Erkenntnis, dass die
Funktelegrafie neben der kommerziellen Nutzung zum Vorteil der Reeder und
Passagiere auch für Handelsschiffe zur Erhöhung der Sicherheit
von Schiff und Besatzung dienen könnte.
Noch
unter den Eindrücken der Unglücke fand bereits einige Monate
später die zweite Funkverwaltungskonferenz in London statt, die sich
ausschließlich mit den Problemen des Seefunkdienstes beschäftigte.
Die Teilnehmer der Konferenz konnten sich allerdings nicht über eine
Ausrüstungspflicht von Schiffen mit Funkanlagen einigen. Erst auf
der “Internationalen Konferenz zum Schutz des menschlichen Lebens auf See“
in London im Jahre 1913 wurde im ersten Internationalen Schiffssicherheitsvertrag
die Ausrüstungspflicht mit Funkanlagen für alle Fahrgastschiffe
und Handelsschiffe größer als 1600 BRT festgelegt. Vorgeschrieben
war außerdem die Besetzung dieser Schiffe mit einem geprüften
Funker, der zu bestimmten Zeiten die international festgelegte Not- und
Anruffrequenz 600 Meter (500 kHz) zu überwachen hatte.
Trotz
spektakulärer Seenotfälle, die sich in den Folgejahren vermehrt
ereigneten, bestimmten weiterhin wirtschaftliche Gründe die Erhöhung
der Lukrativität des Seefunkdienstes und die Weiterentwicklung der
Funktechnik zum Vorteil der Abwicklung der Reedereigeschäfte und zum
Wohle der Passagiere. Die Betriebsgesellschaften Funk förderten allerdings
zusammen mit den Postgesellschaften, denen in vielen Fällen auch die
Küstenfunkstellen rechtlich unterstanden, die Aufnahme von Funksonderdiensten
zur Erhöhung der Sicherheit für die Schifffahrt. Neben der Aussendung
von aktuellen Börsenberichten und Zeitungsmeldungen für die Passagiere,
wurden verstärkt auch Wetterberichte, Sturmwarnungen, Navigationswarnungen
und die regelmäßige Sendung des Zeitzeichens in den Dienst der
Küstenfunkstellen aufgenommen. Ein abruptes Ende der Entwicklung des
Seefunkdienstes bereitete 1914 der Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Entwicklung
kurz vor dem ersten Weltkrieg
Die
politischen Ereignisse in Europa lösten in Deutschland kurz vor Ausbruch
des ersten Weltkrieges einen umfangreichen Funkverkehr im Seefunkdienst
aus. Der deutsche Kaiser befand sich in der Zeit vom 25. bis 27. Juni 1914
mit seiner Yacht “HOHENZOLLERN“ auf einer Nordlandreise. Während dieser
Zeit wurden von “Norddeich Radio“ an die “HOHENZOLLERN“ Seefunktelegramme
mit einer Gesamtwortzahl von immerhin 12 218 (ca. 25 DIN-A4-Seiten) Wörtern
übermittelt!
Einen
Tag danach, am 28. Juni 1914, wurde der Österreich-Ungarische Thronfolger
Erzherzog Franz Ferdinand zusammen mit seiner Ehefrau in Sarajewo/Serbien
durch einen 20-jährigen Studenten ermordet. Dies war am 28. Juli 1914
der äußere Anlaß der Kriegserklärung von Österreich-Ungarn
an Serbien mit deutscher Unterstützung. Aus dem Balkankonflikt entstand
der deutsch-russische Streit mit einer Kriegserklärung Deutschlands
an Rußland am 1. August 1914 und aus diesem wiederum die Kriegserklärung
an Frankreich am 3. August 1914. Auf Grund des Überfalls von Deutschland
auf das neutrale Belgien erklärte am 4. August 1914 Großbritannien
wegen der Verletzung des Völkerrechts und zur Unterstützung Frankreichs
nun wiederum Deutschland den Krieg. Diese kriegerische Auseinandersetzung
aller europäischen Großmächte entwickelte sich zu einem
weltumfassenden Krieg mit dreißig kriegführenden Staaten in
allen Kontinenten. Dieser Krieg war ein Kampf um die Weltmachtstellung
des Deutschen Reichs. Deutschland war damals zwar die stärkste
Großmacht auf dem europäischen Kontinent, aber es war die schwächste
Weltmacht. Über neun Millionen Menschen haben im ersten Weltkrieg
ihr Leben verloren. Die schwerste Enttäuschung brachte das Lieblingskind
des deutschen Kaisers - die Marine. Die Deutsche Flotte war es gewesen,
die die internationale Spannung so verschärft und einen Weltkrieg
solchen Umfangs möglich gemacht hatte. Soviel zur Erinnerung.
Alle
Einrichtungen der drahtlosen Telegrafie wurden am 1. August 1914 militärischen
Stäben unterstellt und die Weiterentwicklung neuer Funktechnik geschah
nur noch unter dem Blickwinkel militärischer Zielstellungen.
Am
ersten Tag mit Kriegsbeginn übernahmen Kommandos der Kriegsmarine
die Leitung der Küstenfunkstellen. Der zivile Seefunkverkehr wurde
eingestellt. Ab September 1914 wurden die Sende- Empfangsanlagen von “Norddeich
Radio“ durch die Kriegsmarine genutzt, um umfangreiche verschlüsselte
Telegramme an die deutsche Gesandtschaft in Madrid zu übermitteln.
Im Jahre 1916 übernahm diese Aufgaben die Heeresfunkstelle Königswusterhausen
bei Berlin.
Nach
der Kapitulation Deutschlands nahmen beide Funkstellen mit Verfügung
des Reichspostministeriums vom 12. April 1919 ihren Betrieb wieder auf.
Entwicklung
nach dem Ersten Weltkrieg
Die
Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik aus den Jahren der Kriegsproduktion
bewirkten weltweit beträchtliche Produktionssteigerungen und damit
verbunden, einen erhöhten Austausch von Waren. Davon profitierte die
internationale Schifffahrt und entwickelte sich zu neuer Blüte.
Der
Seefunkdienst in Deutschland erholte sich aufgrund der Bestimmungen des
Vertrages von Versailles nur langsam von den Folgen des Krieges. Obwohl
in Erfüllung des Vertrages insgesamt 248 Bordfunkstationen an
die Siegermächte abgeliefert werden mußten, verblieben
etwa 130 Anlagen an Bord kleinerer deutscher Schiffseinheiten. Der Funkverkehr
über deutsche Küstenfunkstellen nahm in den Folgejahren wieder
langsam zu. Die Entwicklung der Funktechnik unter militärischen Gesichtspunkten
hatte jedoch zu erstaunlichen Neuerungen geführt, die nun dem
zivilen Sektor der Schifffahrt zur Verfügung standen.
Die
Erfindung und der Einsatz der Elektronenröhre und ihre Verwendung
als Verstärkerröhre verbesserten den Gebrauchswert der Funkanlagen
entscheidend und gaben der Funktechnik neue Impulse. Ihre Einführung
führte zu einer grundlegenden Änderung in der Konstruktion und
dem Bau von Sendeanlagen.
Im
Jahre 1921 wurden auf deutschen Schiffen die ersten Röhrensender
zum Einsatz gebracht. Durch die Erhöhung der Sendeleistung wurden
Reichweitenverbindungen auf Langwelle über große Entfernungen
bis nach Südamerika möglich. Die Direktverbindungen mit den Küstenfunkstationen
in der Heimat führten zu erheblichen Verringerungen der Telegrammkosten
und -laufzeiten. Zusatzgeräte für Telefoniebetrieb erschlossen
speziell für Passagierschiffe einen völlig neuen Markt.
Röhrensender
CP IV auf dem Passagierschiff "Deutschland" (1926)
|
Von den
Möglichkeiten des Einsatzes von Sprechfunkgeräten für den
Betrieb auf Grenzwelle im Jahre 1925 profitierte vor allem die Hochseefischerei,
die die Vorteile der Nachrichtenverbindungen der Fangschiffe auf See untereinander
und mit der Reederei zwecks Vorbereitung der Anlandung des Fanges und dem
Angebot zum Verkauf sehr schnell erkannte und auch realisierte.
Im
Rahmen der zweiten Schiffssicherheitsheitskonferenz 1929 in London wurden
mit der “Internationalen Konvention zur Sicherung des menschlichen Lebens
auf See“ einheitliche Funkwachzeiten an Bord, die Möglichkeit der
Überwachung der Seenotfrequenz mittels Autoalarmgerät, anstatt
durch “Hörmänner“, und die Ausrüstung eines Rettungsbootes
mit Funk auf Passagierschiffen festgelegt.
Eine
Ausrüstung der Schiffe mit selbsttätigen Autoalarmgeräten
wurde entsprechend dem Weltfunkvertrag von Washington 1927 für alle
Schiffe über 1600 BRT vorgeschrieben. Die ununterbrochene Hörwache
auf 600 Meter durch sogenannte “Hörmänner“, d.h. normale Besatzungsmitglieder,
die auf das Erkennen von SOS getrimmt worden waren
und dann den Funker zu wecken hatten, wurde als Ausnahmeregelung auch weiterhin
auf Schiffen mit weniger als 25 Fahrgästen zugelassen!
Die
Internationale Funkkonferenz 1927 in Washington und die Weltnachrichtenkonferenz
1932 in Madrid brachten keine wesentlichen Neuerungen für den Seefunkdienst.
Die Entwicklung und Nutzung der Kurzwelle im Seefunkdienst beschränkten
sich seitens der Behörden im Rahmen der Internationalen Festlegungen
auf die Frequenzzuteilungen für bestimmte Dienste und die Länderzuweisungen.
Die
Interessen der Wirtschaft in Europa konzentrierten sich deshalb zunächst
auf den weiteren Ausbau des Sprechfunksystems auf Grenzwelle für die
Fischereifahrzeuge in der Nord- und Ostseefischerei. Auf Eigeninitiative
der Anrainerstaaten wurde im Jahre 1935 in Stockholm die Forderung nach
der Einführung eines Sprech-Not-Funksystems auf Grenzwelle erhoben,
da 1932 in Madrid nur die Einführung des Seenotrufes MAYDAY im Sprechfunkdienst
sowie die Regelungen der Frequenzzuteilung und den zulässigen Leistungen
von Sendern auf Schiffen und Küstenfunkstellen beschlossen worden
waren.
Erst
die Konferenz des Weltnachrichtenvereins 1938 in Kairo leitete mit einer
Zusammenfassung aller bisherigen Regelungen im Rahmen einer “Vollzugsordnung
für den Funkdienst“ neue Aktivitäten ein, die allerdings durch
den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges je unterbrochen wurden.
Die
Entwicklung kurz vor und während des zweiten Weltkrieges
Bereits
am 4. September 1938 hatte in Deutschland Adolf Hitler als Führer
und Reichskanzler das “Reichsverteidigungsgesetz “ als geheime Kommandosache
erlassen. Nach diesem Gesetz war mit der Erklärung des Verteidigungszustandes
in Deutschland der verantwortliche Reichspostminister an die unmittelbaren
Belange der Wehrmacht und an die Forderungen des Oberkommandos der Wehrmacht
(OKW) gebunden. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Seefunkdienst.
Bereits
im Frühjahr 1939 war von der deutschen Reichsregierung angeordnet
worden, dass alle Schiffe zwischen 900 und 1600 BRT mit einer Sprechfunkanlage
auszurüsten sind. Gleichzeitig wurde ein einseitiges Nachrichtensystem
zur schnellen Information aller deutschen Schiffe eingeführt. Mit
dem Kennwort “QWA“ konnten alle deutschen Schiffe über die Küstenfunkstellen
in besonderen Situationen informiert werden. Darüber hinaus waren
die Schiffe zur Übermittlung an andere deutsche Schiffe verpflichtet,
sofern diese noch nicht von der QWA-Nachricht Kenntnis hatten. Am 24. August
1939 wurden alle deutschen Schiffe über die Küstenfunkstellen
mittels einer QWA-Meldung von der drohenden Kriegsgefahr unterrichtet.
Mit der QWA-Nachricht Nr. 9 vom 27. August 1939 wurden die Schiffe
aufgefordert innerhalb von vier Tagen deutsche, bzw. spanische, italienische,
holländische, russische oder japanische Häfen anzulaufen. Wie
schon im ersten Weltkrieg wurden ab 1. September 1939 wiederum alle deutschen
Küstenfunkstellen dem Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) unterstellt.
Die Hörbereitschaft auf Kurzwelle wurde zunächst durch Norddeich
Radio noch aufrechterhalten.
Die
Funksendestelle Nauen bei Berlin, die anfangs vorwiegend Versuchszwecken
diente, bekam mit Beginn des ersten Weltkrieges zunehmend militärische
Bedeutung und wurde bereits damals unter anderem von der Marine genutzt.
Im Jahre 1932 wurde die Großsendestelle in Nauen (Längstwelle
und Kurzwelle) von der deutschen Reichspost übernommen. Zu Beginn
des Krieges 1939 verfügte die Marine in ganz Deutschland insgesamt
über sechs Haupt- und fünf Reservesender, die auf Längstwellen
sendeten.
Von
der Marine und auch anderen Nutzern wurde jedoch im Jahre 1939 eine Sendeanlage
gefordert, die unter allen Bedingungen in der Lage sein sollte, zu allen
schwimmenden Einheiten sowohl über als auch unter Wasser in allen
Seegebieten die Übermittlung von Nachrichten sicherzustellen. Für
diese Aufgaben kam zur damaligen Zeit nur ein leistungsstarker Längstwellensender
in Frage. Als Standort wurde Kalbe in der Altmark etwa 10 km nördlich
von Gardelegen ausgewählt. Der eigentliche Baubeginn in Kalbe war
1941, die vorbereitenden Erschließungsarbeiten hatten bereits viele
Jahre vorher begonnen. Die Inbetriebnahme des Längstwellensenders
erfolgte im Jahre 1943. Als Bauherr fungierte die deutsche Kriegsmarine.
Bild
3: Das gesamte Sendebetriebsgelände 1946 von
der Hofseite aus gesehen. Vorn die Anschlussgleise rechts die Kühltürme.
Bild
4: Einer der drei Rohrmaste von 203 Meter Höhe
mit einem Antennenhaus des Senders. In den etwa 20 Meter hohen
Antennenhäusern
waren Abstimmspulen für die jeweilige Antenne untergebracht. Im Vordergrund
eine Abspannung mit Gurtbandisolator. |
Bei
dem Sender “Goliath“, der Name resultierte aus den sechs überdimensionalen
Senderöhren RS 301 von TELEFUNKEN (H: 190 cm; 90 kg) handelte es sich
um einen 1 000 kW Längstwellensender, durchstimmbar zwischen 15 bis
60 kHz, von der Firma C. Lorenz AG, Berlin. Insgesamt wurden vier strahlenförmige
Erdnetze auf dem gesamten etwa 240 ha großen Sendergelände mit
einer Gesamtlänge von 360 km verlegt. Die Antenne war eine Schirmantenne,
bestehend aus drei symmetrischen Sechsecken auf drei 203 m hohen Mittelmasten.
Im Zentrum davon befand sich das Senderbetriebsgebäude wodurch die
Einspeisung in die Antenne vom Sender sehr kurz gehalten werden konnte.
Die Bedienung erfolgte von einem zentralen Steuerpult aus durch zwei Funker.
Ein Frequenzwechsel war innerhalb von drei bis fünf Minuten möglich.
Der “Goliath“ war damals der leistungsstärkste, durchstimmbare Längstwellensender
der Welt.
Für
den Funkverkehr mit den U-Booten wurde der Frequenzbereich von 15 - 30
kHz genutzt, da der Empfang unter Wasser von der Wassertemperatur, dem
Salzgehalt des Wassers und eben der Wellenlänge der Aussendung beeinflußt
wurde. Der Sender war mit dem Nachrichtennetz der Wehrmacht über das
umfangreiche Fernleitungsnetz verbunden. Bereits 1942 waren die erforderlichen
Ferntast- und Telefonleitungen von der Reichspost bereitgestellt worden.
Mit dem Sender Goliath konnten auf Längstwelle die U-Boote in
allen Seegebieten jederzeit bis zu einer Tauchtiefe von 30 Metern entsprechende
Informationen erhalten.
Die
Entschlüsselung der deutschen Funksprüche durch die Alliierten
mit der Erbeutung der ENIGMA-Chiffrierunterlagen hatte durch das Aufbringen
von U-110 am 8. Mai 1941 bei Grönland und von U-559 am 30. Oktober
1942 im Mittelmeer wesentlichen Anteil an der Wende des grausamen Seekrieges
im Atlantik. Damit waren die Code-Knacker in der Zentrale des britischen
Geheimdienstes Bletchley Park (ca. 80 km nördlich von London) in der
Lage, den deutschen Funkverkehr mitzulesen. Seit der Einführung eines
neuen deutschen Chiffriersystems Anfang des Jahres 1942 war die Nachrichtenquelle
der Entschlüsselung zunächst versiegt. Der unerwartete Erfolg
mit dem Aufbringen von U-559 trug entscheidend dazu bei, das Rätsel
der ENIGMA-Chiffriermaschinen zu lösen. Aufgrund dieser Tatsachen
gelang es den Alliierten während der letzten 20 Monate des Krieges,
den gesamten deutschen Funkverkehr innerhalb von 24 Stunden zu entziffern.
„Selbst heute noch widerstrebt es den Deutschen, an den vollen Umfang zu
glauben, in dem ihre geheimsten Befehle für den Feind offen lagen.
Die Versenkung von U-Boot-Tankern, die plötzlichen Kursänderungen
von Geleitzügen – fort von U-Boot-Rudeln – und andere zufällige
militärische Schachzüge, die ihre Absichten durchkreuzten, wurden
gern irgendeinem Verrat zugeschrieben.“ „Aber keine Agenten, nicht einmal
die des von den Deutschen als allmächtig und allgegenwärtig angesehenen
SECRET SERVICE, hätten eine solche Flut hochkarätiger Geheimberichten
liefern können, wie es die Ergebnisse von Bletchley darstellten. Diese
Nachrichten kamen nur aus einer Quelle: von den Deutschen selbst.“ (Auszüge
aus „STRENG GEHEIM“ von B. Johnson 1978, Seite 367) Bemerkenswert ist in
diesem Zusammenhang, das der Sender “Goliath“ nie gezielt von den Luftstreitkräften
der Alliierten angegriffen worden ist. Insgesamt verschlang der Sender
“Goliath“ in den Jahren 1941 - 1943 eine Bausumme von 15 Mio RM, eine enorme
Summe für die damalige Zeit.
Der
Sender Goliath wurde 1945 zunächst durch das deutsche Personal unbrauchbar
gemacht, wieder repariert und anschließend demontiert und als Reparationsleistung
im Jahre 1947 mit 62 Zügen zu je 50 Waggons in Richtung UdSSR transportiert.
Der demontierte Sender wurde in der Sowjetunion wieder aufgebaut. Wegen
ungünstiger Standortwahl soll er aber nie wieder den vollen Wirkungsgrad
erreicht haben. Als Standorte werden unterschiedliche Orte genannt, am
wahrscheinlichsten ist die Gegend um Vyborg etwa 150 km nördlich von
St. Petersburg.
Der
Seefunk nach dem Zweiten Weltkrieg
Die
internationalen Festlegungen zum Seefunk von 1932 und 1938 waren von der
stürmischen Entwicklung der Militärtechnik während der Kriegsjahre
überholt worden und mußten dringend neu geregelt werden.
Auf
der Internationalen Funkverwaltungskonferenz 1947 in Atlantic City wurde
im Rahmen der Vollzugsordnung Funk für den Seefunkdienst entsprechend
dem damaligen technischen Stand neue technische Anforderungen speziell
an die Frequenzstabilität von Sendern und Empfängern gestellt.
Auf
der Schiffssicherheitskonferenz 1948 in London wurde die Ausrüstungspflicht
mit Funk (Sprechfunkanlagen Grenzwelle) auf Schiffe von 500 bis 1599 BRT
erweitert und die Forderungen nach einer Trennung der Haupt- und Notanlagen
erhoben. Löschfunkensender wurden als Notsender auch weiterhin bis
1966 zugelassen! Die Aussendung eines Löschfunkensenders war zwar
sehr markant, die Frequenztoleranz, die Bandbreite und die Energie der
unerwünschten Harmonischen entsprachen natürlich nicht den Technischen
Vorschriften des internationalen Fernmeldevertrages mit den entsprechenden
Vollzugsordnungen von Atlantic City 1947. Dies war eine kaum nachvollziehbare
Regelung, die wohl auf Grund von ökonomischen Aspekten bestimmter
Interessengruppen beibehalten wurde.
Die
Entwicklungen der Militärtechnik in den Kriegsjahren hatten neue Technologien
im Aufbau von Röhren und Funkbauteilen geschaffen. Damit waren die
Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Seefunktechnik und eines Funkdienstes
auf Ultrakurzwellen gegeben. Dieses Entwicklungsstadium wurde weiterhin
durch die Einführung des Transistors und die Minimierung der konventionellen
Bauteile geprägt. Trockenbatterien und wiederaufladbare Akkumulatoren
förderten die Entwicklung tragbarer Funkgeräte.
Auf
der VIII. CCIR Vollversammlung 1956 in Warschau wurden die technischen
Standards (u.a. Frequenzmodulation und Kanalabstand) für den UKW-Seefunk
beschlossen. Großbritannien hatte für die Einführung der
Amplitudenmodulation plädiert, um die Möglichkeiten der Verbindungsaufnahme
auf UKW mit Flugzeugen auf den Atlantikrouten zu ermöglichen, konnte
sich aber damit gegenüber den Vorschlägen der USA nicht durchsetzen.
Hier prallten wiederum nationale kommerzielle Interessen zwischen zwei
Weltmächten aufeinander.
Mit
dem “Regionalen Abkommen über den Internationalen Sprechfunkdienst
auf UKW“ wurde 1957 in Den Haag die Grundlage für den Aufbau eines
überregionalen UKW-Seefunkdienstes geschaffen. Der Einführung
war eine umfangreiche Vorarbeit des “Comite´ Consultatif International
de Radiocommunication“ (CCIR) als beratender Funkausschuss der Internationalen
Fernmeldeunion (UIT) vorausgegangen. Dieses Abkommen wurde 1959 in Genf
zum Bestandteil der Vollzugsordnung für den Funkdienst erklärt
und erlangte damit weltweite Bedeutung für den Seefunkdienst. Für
UKW-Anlagen hätte normalerweise seitens der IMO ebenfalls eine Notstromversorgung
gefordert werden müssen, nachdem der Kanal 16 als Not- und Anruffrequenz
deklariert worden war. Dies ist leider unterblieben.
Diese
fehlende Notstromversorgung der UKW-Anlage wurde im Jahre 1971 z.B. dem
M/S
“Brandenburg“ / DHMF zum Verhängnis, da nach einer Kollision und
sofortigem Wassereinbruch im Maschinenraum ein Totalausfall der Stromversorgung
erfolgte und das Absetzen einer Notmeldung auf UKW nicht möglich war.
Das Schiff sank in sehr kurzer Zeit. Es konnten nur elf Seeleute gerettet
werden, dreizehn
 |
|
Personen
wurden vermisst und sieben konnten nur noch tot geborgen werden.
Entsprechend
den veränderten Rahmenbedingungen und den erhöhten Anforderungen
an die rasante technische Entwicklung im Seefunkdienst in der Nachkriegsperiode
wurde ein neues “Comite´ International Radio-Maritime" (CIRM) gegründet,
das von einem starken Technischen Komitee unterstützt wurde. Während
in der Vergangenheit in den Ausschüssen der (UIT) vorwiegend Mitarbeiter
der Verkehrsministerien und Postverwaltungen der einzelnen Länder
vertreten waren, setzten sich die beratenden technischen Ausschüsse
(CCIR, CCITT, CIRM) überwiegend aus Vertretern von den Betriebsgesellschaften
und Elektronikkonzernen zusammen. Damit waren mehr als je zuvor weitere
technische Neuerungen im Seefunkdienst sehr stark kommerziellen Einflüssen
unterworfen.
Links:
Seefunkanlage DMS 1500 von Debeg (1980)
Mit
ESB-Technik und Sitor-Funkfernschreiben |
Bereits
im Vorstadium der Entwicklung neuer Seefunktechnik gab es zwischen den
Firmen und Ländervertretungen Rangeleien um die Vorherrschaft unter
dem Aspekt des Absatzes der zukünftigen Bordfunkanlagen und Geräte.
Besonders ausgeprägt war dies vor der Einführung von ESB, UKW,
SSFC, SITOR, etc. im Seefunkdienst.
Bedingt
durch Wirtschaftskrisen in der Schifffahrt war die Investitionsbereitschaft
der Reeder für Seefunktechnik, die nicht zur Pflichtausrüstung
gehörte, in den 70er-Jahren relativ gering. Die Interessen der Reedereien
waren in erster Linie von handelspolitischen Gesichtspunkten geprägt.
Die nationalen Bestimmungen einiger Länder über die Ausrüstung
der Schiffe mit Funkanlagen gingen zwar teilweise über die internationalen
Mindestforderungen hinaus, meist scheiterten jedoch derartige Bestrebungen
schon im Ansatz am nicht unwesentlichen Einfluss der Reederverbände.
Qualifikation
des Funkpersonals
In
diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zur unterschiedlichen Qualifikation
des Funkpersonals an Bord der Seefunkstellen in den einzelnen Ländern.
Die
Bestimmungen der VO-Funk zur Erlangung eines Funkpatentes beschränkten
sich jahrzehntelang auf relativ geringe Mindestanforderungen im Hören
und Geben von Morsezeichen (80/100), dem Nachweis zur Bedienung der Funkgeräte
sowie minimalen technischen Grundkenntnissen. Daraus resultierten im Rahmen
der nationalen Bestimmungen der einzelnen Länder Ausbildungszeiten
zwischen 12 bis 36 teilweise sogar 48 Monaten. Dies bedeutete gravierende
Qualifikationsunterschiede des Funkpersonals im internationalen Seefunkverkehr
sowie zur Erhaltung der Betriebsbereitschaft aller Bordfunkanlagen. Aus
Kostengründen wurde diesbezüglich seitens der Reeder ohne Berücksichtigung
der Schiffssicherheit meist die Billigvariante gewählt.
Speziell
nachdem die Reeder angesichts des sich abzeichnenden Satellitenfunks weniger
qualifiziertes Funkpersonal aus der dritten Welt zum Einsatz auf den Schiffen
brachten, begannen sie bereits Anfang der neunziger Jahre verbal mit ihren
Bemühungen zur Einsparung des Funkoffiziers. Inwieweit dieser Schritt
direkte Auswirkungen auf die Gefährdungen der Schiffssicherheit hatte,
kann aufgrund spurlos verschollener Schiffe nur vermutet aber wohl kaum
angezweifelt werden. Diese Bemühungen zur Einsparung des Funkpersonals
wurden von der Elektronik-Lobby auch noch mittels fragwürdigen Versprechungen
zur Automatisierung des terrestrischen Seefunkdienstes gefördert.
Bereits
Jahre zuvor waren den Reedern vielfach durch die nationalen Behörden
Zugeständnisse sowohl im Umfang und der Art der Ausrüstung der
Schiffe mit Funkanlagen als auch in der ordnungsgemäßen Besetzung
der Schiffe mit Funkpersonal eingeräumt worden. Diese Maßnahmen
mögen vereinzelt zur Überbrückung von Engpässen gerechtfertigt
gewesen sein, bei einigen Reedereien blieben sie jedoch Standard. Generell
haben die Ausnahmegenehmigungen der nationalen Schifffahrtsbehörden
jedoch dem Ansehen des internationalen Seefunkdienstes, speziell im Rahmen
des weltweiten Not- und Sicherheitssystems, in der Öffentlichkeit
geschadet.
Als
letzter Ausweg wurde dann von den Reedern die Ausflaggung ihrer Schiffe
permanent betrieben, um unter Billigflaggen die ökonomischen Vorteile
der Schifffahrt auf den Weltmeeren voll auszunutzen, vielfach unter grober
Vernachlässigung der Sicherheit von Besatzung, Schiff und Ladung sowie
Gefährdung der Küstenregionen durch Umweltverschmutzungen.
Aktivitäten
nationaler Interessenverbände
Von
den Nord- und Ostsee-Anrainerstaaten, nicht von der IMO, wurde im Göteborger
Abkommen 1955 die Ausrüstung der Fischereifahrzeuge mit GW-Wachempfängern
gefordert und darüber hinaus in England 1956 der Einsatz von Zwei-Ton-
Alarmzeichengebern eingeführt.
Die
Ausrüstung der Schiffe mit Grenzwellenwachempfängern
wurde erst fünf Jahre später, gemäß SSV London 1960,
nur für Schiffe unter 1600 BRT mit Sprechfunkanlagen vorgeschrieben,
die Telegrafieschiffe waren davon ausgenommen. Die günstige Gelegenheit,
die beiden Notfunksysteme Telegrafie (500 kHz) und Telefonie (2182 kHz)
miteinander zu verknüpfen, indem international z.B. generell die Ausrüstung
aller Schiffe mit Grenzwellenanlagen und GW-Wachempfängern vorgeschrieben
worden wäre, wurde nicht genutzt. In der Regel konnten die Telegrafieschiffe
erst via Küstenfunkstellen vom Seenotfall eines Telefonieschiffes
informiert werden. Eine direkte Verbindungsaufnahme mit dem Havaristen
war nur Schiffen mit Grenzwellenausrüstung möglich. Erst im Jahre
1967 wurde auf der WARC in Genf eine ununterbrochene Hörwache auf
2182 kHz für alle mit Funk ausrüstungspflichtigen Schiffe vorgeschrieben.
Die
deutsche Hochseefischerei zum Beispiel rüstete bereits bis 1959 die
Fangflotte umfassend mit UKW-Anlagen aus, während
die Handelsschifffahrt nur zögernd folgte. Teilweise geschah dies
nur unter dem zwingenden Einfluß von nationalen Bestimmungen in einigen
Häfen und Revieren mit starkem Schiffsverkehr, da andernfalls beträchtliche
Gebühren für die transportablen UKW-Anlagen der Lotsen aufgebracht
werden mußten.
Die
ökonomischen Argumente einiger Reeder, aber vielfach auch internationaler
und nationaler Schifffahrtsbehörden, bezüglich der Ausrüstung
der Schiffe mit ausreichender Kommunikationstechnik waren eigentlich von
jeher wenig stichhaltig. Diese “Sparmaßnahmen“ zeugten sowohl von
relativ wenig Verantwortungsgefühl für die Sicherheit von Besatzung,
Schiff und Ladung als auch von ungenügender marktpolitischer Weitsicht.
Schließlich
betrug der finanzielle Aufwand für eine umfangreiche Funkausrüstung
an Bord eines Schiffes je nach Schiffsgröße doch in der Regel
jeweils weniger als ein Prozent vom gesamten Schiffspreis! Vielfach wurde
doch an der falschen Stelle gespart und für Elektronik an anderer
Stelle ohne große Einsparungen viel zu viel Geld ausgegeben.
Der
Grundsatz, die Lenkung und Leitung einer Reederei kann nur so gut sein
wie die Nachrichtenmittel, derer man sich dabei bedient führte erst
in den 70er-Jahren mit der Einführung der Automatisierung des Schiffsmaschinenbetriebes
und der Containerdienste zu neuen Erkenntnissen der Optimierung der Transportprozesse.
Die kurzen Liegezeiten in den Häfen sowie die notwendigen Stauoptimierungen
der Container führten zu neuen Überlegungen der Reeder bei der
Funkausrüstung auf den Schiffen unter betont kommerziellen Gesichtspunkten.
Fernschreiber mit Fehlerkorrektursystemen zur gesicherten Datenübertragung,
Faksimilegeräte zur Übermittlung von Stauplänen und Zeichnungen
sowie automatische Anrufsysteme u.a.m. erforderten neue Betriebssysteme
im Seefunkdienst.
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Hat
sich im Seefunk bewährt: Der moderne Allwellenempfänger EKD 500
von RFT (1987)
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Konsequenzen
aus dem Untergang der “PAMIR“
Der
Untergang des deutschen Segelschulschiffes “PAMIR“
im Jahre 1957 löste weltweit erneut eine allgemeine Diskussion über
die Sicherheitsstandards an Bord von Handelsschiffen sowie über die
Betriebsabwicklung des Notverkehrs im Seefunkdienst aus. Die “Inter-Governmental
Maritime Consultative Organization“ (IMCO) als zwischenstaatliche beratende
Schifffahrtsorganisation der UN in London hatte sich jahrzehntelang in
vornehmer Zurückhaltung geübt und die bestehenden Regeln der
minimalen Ausrüstungspflicht mit Funkanlagen unverändert beibehalten.
Die
Funkausrüstung der “PAMIR“ war beim Untergang auf dem neuesten Stand
der damaligen Technik. Über den vorgeschriebenen Ausrüstungsumfang
hinaus befand sich ein 200 Watt-Kurzwellensender an Bord. Unglückliche
Umstände führten zur Abwicklung eines etwas unüblichen Funkverkehrs
im Seenotfall. Daraus schlußfolgerten die Mitglieder des Seeamtes
in der Seeamtsverhandlung in Lübeck 1958 beträchtliche Lücken
im Notfunksystem des Seefunkdienstes. Anstatt jedoch z.B.
festeingebaute Funkanlagen in Rettungsbooten bzw. leistungsstärkere
Sender mit größerer Reichweite auch für Notsender bzw.
die Ausrüstungspflicht mit Kurzwellensendern zu fordern, wurden Verbesserungen
der seit 1953 gemäß Schiffssicherheitsvertrag vorgeschriebenen
tragbaren Rettungsbootstationen sowie die Ausrüstungspflicht mit einer
Funkbake empfohlen, die im Seenotfall automatisch Notzeichen ausstrahlt
und von Suchschiffen und Flugzeugen angepeilt werden kann. Dieser Vorschlag
in Ehren, unter dem damaligen Entwicklungsstand der Technik aber kaum realisierbar
und ohne den gleichzeitigen Aufbau eines internationalen Such- und
Rettungssystems auf der Sprechfunknotfrequenz 2182 kHz wenig Erfolg versprechend.
Darüber hinaus war die Wahl der Notfrequenz für eine Bake
wenig sinnvoll, da im Ernstfall die Seenotfrequenz u.U. stundenlang durch
die ununterbrochenen Aussendungen eines Notsignals mit 1300 Hz moduliert
auf den Trägerfrequenzen 2182 und 2183,3 kHz im Tastrhythmus 1 Sek.
senden und 1 Sek. Pause blockiert worden wäre. Bei dieser Frequenzwahl
wurde doch davon ausgegangen, dass dem automatischen Aufschwimmen und der
automatischen Aussendung keinerlei Seenotmeldung des Havaristen vorausgegangen
war.
Trotzdem
löste diese Empfehlung des Seeamtes bei der Industrie vielversprechende
Impulse für Forschungsaufgaben auf dem Gebiet des Seefunks aus. Einige
Firmen und Betriebsgesellschaften witterten das große Geschäft,
falls es zu einer Ausrüstungspflicht der Schiffe mit Funkbaken kommen
sollte. Der damalige Entwicklungsstand der Bauelemente und der Antennentechnik
sowie einer entsprechenden Stromversorgung mit Akkumulatoren führte
jedoch zu wenig befriedigenden Ergebnissen.
Im
Jahre 1961 wurden die ersten Rettungsbootstationen
(6 W) mit der zusätzlichen Frequenz 2182 kHz und eine Funkbake
(1,3 W) mit der Frequenz 2182 kHz vorgestellt. Die damit erzielbaren Reichweiten
von 30 bis 50 sm entsprachen natürlich keinesfalls den Erfordernissen
der Praxis, um im akuten Seenotfall ein echtes Hilfsmittel darzustellen.
Darüber hinaus mussten die Monozellen für die Stromversorgung
der Bake z.B. alle 12 Monate erneuert werden und waren damit ein beträchtlicher
Risikofaktor bezüglich der Zuverlässigkeit im Seenotfall. Im
Rahmen des Schiffssicherheitsvertrages konnte eine Ausrüstungspflicht
der Schiffe mit einer Funkbake mit der Frequenz 2182 kHz aus diesen Gründen
natürlich nicht erhoben werden.
Der
Umstand über die Unzulänglichkeiten der tragbaren Rettungsbootstation
bezüglich der Möglichkeiten, damit die Aufmerksamkeit im Seenotfall
auf sich lenken zu können, dürfte allen Fachministerien und internationalen
Gremien mehr als bekannt gewesen sein. Darüber hinaus zeugten die
überspitzten Forderungen nach Alarmzeichengebern sowohl für 500
kHz als auch 2182 kHz für die Rettungsbootstationen für wenig
Realitätssinn. Diese Forderungen basierten doch wiederum auf den Vorstellungen,
auch mit der tragbaren Rettungsbootstation einen Seenotfall über Funk
auslösen zu können, wenn dies wegen dem schnellen Sinken des
Schiffes mit der Haupt- bzw. Notfunkanlage aus zeitlichen Gründen
nicht mehr möglich sein würde. Ein größeres Gewicht
und Volumen des Gerätes neben einem höheren Preis waren die Ergebnisse
dieser neuen Regelungen. Im Nachhinein betrachtet dürfte es kaum Beispiele
dafür geben, die belegen, dass Seenotfunk erstmalig durch tragbare
Rettungsbootstationen ausgelöst worden ist. Darüber hinaus waren
z.B. die von einigen Herstellern mitgelieferten Drachenantennen zwar eine
schöne Spielerei beim vorgeschriebenen wöchentlichen Test der
Anlagen, aber meist ging doch der Drachen bereits bei der ersten Erprobung
zu Bruch beziehungsweise ganz und gar verloren. Während der Betrieb
der tragbaren Rettungsbootstation im Rettungsboot ursprünglich durch
eine Befestigung auf der Ducht (Sitzbank im Boot) vorgesehen war, änderte
sich die Lage grundlegend nach der zusätzlichen Ausrüstung der
Schiffe mit Rettungsflößen. Ein Betrieb der Station in einem
Floß war doch praktisch fast unmöglich. Trotzdem blieb es formal
bei der Ausrüstungspflicht für Frachtschiffe mit der tragbaren,
anstatt einer fest eingebauten Notfunkstation in einem Rettungsboot.
In
diesem Zusammenhang muß außerdem auf die Problematik der Peilmöglichkeit
der Grenzwelle mittels Funkpeiler auf den Schiffen hingewiesen werden.
Bedingt durch Masten und Antennen war eine korrekte Funkbeschickung des
Funkpeilers auf Grenzwelle fast unmöglich, da die Störstrahler
auf dem eigenen Schiff einfach zu zahlreich waren und nicht ausreichend
kompensiert werden konnten. Es trat gewöhnlich ein Peilfehler von
10 bis 20 Grad auf, sofern eine Seitenbestimmung überhaupt möglich
war. Unter diesen Bedingungen war die Ausrüstung der Schiffe mit Funkbaken
und tragbaren Rettungsbootstationen eigentlich eine Farce und diente wohl
nur zur Beruhigung der Gemüter.
Nach
dem tragischen Untergang der “MÜNCHEN“ 1978,
d.h. zwanzig Jahre nach dem Untergang der “PAMIR“, wurde im Seeamtsspruch
wiederum die Lehre gezogen, dass die Notfrequenz 2182 kHz wegen fehlender
Ausrüstung der Suchflugzeuge mit Grenzwellenpeilern nie, und durch
Schiffe nur schwer peilbar ist. Darüber hinaus erfordere die Nutzung
der tragbaren Rettungsbootstation zu viel Kraft (Handgenerator) und Geschick.
Die Funkbake 2182 kHz der “MÜNCHEN“ wurde erst zwei Tage nach dem
Untergang des Schiffes geborgen. Das Seeamt empfahl damals u.a. die Frequenzen
für den Funkverkehr zwischen Flugzeugen und Schiffen zu erweitern
bzw. einzuführen und weltweit zu koordinieren, die Peilbarkeit der
automatischen Seenot-Funkbojen (2182 kHz) durch Flugzeuge und Schiffe zu
verbessern und die Bedienung der Rettungsbootsender zu vereinfachen und
zu erleichtern.
Diese
Umstände führten dann 1981 zur Entwicklung einer Funkbake mit
den Notfrequenzen 121,5 MHz und 243 MHz des Flugfunks. Die Bake hatte eine
Leistung von 250 mW und einer 8,2 V Lithium-Batterie mit einer Haltbarkeit
von vier Jahren. Der Nachteil beim Einsatz in der Schifffahrt war allerdings,
dass diese Frequenzen nur von Suchflugzeugen angepeilt werden konnten,
die mit entsprechenden Peilfunkgeräten ausgerüstet waren. Darüber
hinaus haben Testergebnisse von Schiffen auf den Atlantikrouten gezeigt,
dass die Überwachung dieser Notfrequenzen durch die Verkehrsflugzeuge
unbefriedigend war.
Trotz
des hohen Entwicklungsstandes der Seefunktechnik und der Funkbetriebssysteme
waren Ende der siebziger Jahre die Ergebnisse der Kommunikation zwischen
den Schiffen und den Reedereien auf Grund ungenügender Verfügbarkeit
und Überlastungen auf den Kurzwellen im Weitverkehr unbefriedigend.
Darüber hinaus gab es ungenügende Koordinationen zwischen den
Notfunksystemen auf Mittelwelle, Grenzwelle, Kurzwelle, UKW und den Notfrequenzen
des Flugfunks im Megahertz-Bereich. In diesem Zusammenhang reifte die Erkenntnis,
dass zur Sicherung des menschlichen Lebens auf See ein völlig neues
Not- und Sicherheitssystem auf Satellitenbasis einschließlich einer
Koordinierung aller diesbezüglichen Rettungsaktionen erforderlich
war. Damit war bereits das Ende der Morse-Telegrafie besiegelt!
Satellitenfunk
(GMDSS) als Alternative
Der
Fortschritt der Mikroelektronik in der Bauelemente-Technik begünstigte
bereits in den 70er-Jahren Erprobungen des Satellitenfunks für
Telefon-, Telex- und TV-Verbindungen zwischen zwei Erdefunkstellen via
“TELSTAR 1“ und “Molnija 1“. Nach der Gründung der "International
Maritime Satellite Organization" (INMARSAT) 1979 wurden die organisatorischen
und funkbetrieblichen Voraussetzungen für eine Einführung
des Satellitenfunks in der Schifffahrt geschaffen. Im Rahmen der “International
Maritime Organization“ (IMO) konnten durch die unterschiedlichen Interessen
der Reedereiorganisationen und den uneinheitlichen Vorstellungen über
ein neues satellitengestütztes Seenot- und Sicherheitssystem einschließlich
eines Koordinierungs- und Rettungssystems für die Schifffahrt wiederum
keine Einigungen erzielt werden. INMARSAT jedoch hatte die Notwendigkeit
eines Seenotsystems parallel zum öffentlichen Sat-Funk-System längst
erkannt.
Während
in den Fachausschüssen der IMO und den Technischen Ausschüssen
der “World Maritime Administrative Radio Conference (WMARC) langatmig diskutiert
wurde, beschlossen 1979 die USA, Frankreich und Canada zusammen mit der
Sowjetunion den Aufbau des COSPAS-SARSAT-Systems als ein Not- und Sicherheitssystem
für private Nutzer. Mit Hilfe von EPIRB's bzw. Handys (406
MHz COSPAS-SARSAT oder 1,6 GHZ INMARSAT)
konnten von nun an akute Notfälle von Weltumseglern, Bergsteigern,
Holzfällern in Canada, Polarforschern u.a. via Satellit über
eine Erdefunkstelle zu einem Rescue Coordination Center (RCC) signalisiert
und entsprechende Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden. Die Impulse
zum Aufbau eines neuen Not- und Sicherheitssystems im Satelliten-Seefunkdienst
waren also wiederum nicht von der Schifffahrt ausgegangen, sondern wieder
einmal aus ganz praktischen Erwägungen und nationalen Interessen einzelner
Länder enstanden. Die Elektronikkonzerne witterten wiederum ein großes
Geschäft und boten wenig später die ersten Satellitenfunkanlagen
für Schiffe auf dem Weltmarkt an. Trotz fehlender internationaler
Regelungen ließen einige Reeder bereits zu diesem Zeitpunkt ihre
Schiffe mit Satellitenfunkanlagen ausrüsten, in der Hoffnung, zukünftig
den Funkoffizier gänzlich einsparen zu können.
Nach
dem Falklandkrieg im Jahre 1982 hatten die Elektronikkonzerne durch die
Ausrüstung der Schiffe der Royal Navy mit Sat-Com-Anlagen
zur optimalen Steuerung ihrer Schiffe in diesem Krieg überzeugende
Argumente auch für eine Ausrüstung von Passagier- und Handelsschiffen
mit dieser neuen Technik in die Hand bekommen. Die Internationalen Schifffahrtsbehörden
taten sich aber wiederum schwer mit einer Entscheidung für oder wider
den Satellitenfunk.
Nach
dem Zusammenschluss von COSPAS-SARSAT und INMARSAT im Jahre 1986 beschloß
die IMO die Einführung des Global Maritime Distress and Safety System
(GMDSS) in den Jahren 1992 bis 1999. Auf die Schwächen des Systems,
die wiederum aus ökonomischen Gründen durch die Verschmelzung
der Notfunktechnik mit den Geräten zur kommerziellen Nutzung entstanden
sind, aber vorhersehbar waren, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen
werden.
Der
technologische Fortschritt auf dem Gebiet der Informationselektronik ist
allgegenwärtig. Die Welt hat sich durch neue Kommunikations- und Informationssysteme
in einer Weise verändert, wie es noch vor wenigen Jahren unvorstellbar
war. Diese Errungenschaften mittels modernster Mikroelektronik werden
die gesellschaftliche Entwicklung weiter vorantreiben, d.h. hoffentlich,
denn Politik und Kommerz sind sich diesbezüglich in einigen Fragen
wiederum uneinig und fürchten eine Spaltung der Gesellschaft.
Fazit
Ein
Jahrhundert lang hat die Funktelegrafie im Rahmen des terrestrischen Seefunkdienstes
vielen Menschen auf See das Leben gerettet. Dramatische
Rettungsaktionen nach Schiffskatastrophen sind
dafür beispielhaft. Aber mit jedem neuen Seeunfall wurden sowohl die
Grenzen der Technik, mangelnde Koordinationen der Funkbetriebs- und Rettungssysteme
als auch die Versäumnisse der Politik deutlich. Militärische,
politische und kommerzielle Interessen beeinflussten im Laufe des vergangenen
Jahrhunderts mehr oder weniger die Entwicklung des Seefunks. Bürokratie
aber auch nationale Interessen zwangen vielfach zu Kompromissen bei den
Entscheidungen der Schifffahrtsbehörden auf dem Gebiete des Seefunks
und verhinderten damit wirklich optimale Lösungen zum Schutze des
menschlichen Lebens auf See. Ohne die Leistungen aller Beteiligten am Aufbau
und der Entwicklung des Seefunks schmälern zu wollen, das Gemeinwohl
als humanitäres Anliegen zum Schutze des menschlichen Lebens auf See
stand bei vielen Entscheidungen und Festlegungen der zuständigen internationalen
und nationalen Organisationen und Schifffahrtsbehörden nicht immer
im Vordergrund der Bemühungen.
Quellenangaben:
01
Vierus, CQD - SOS - Mayday
02
Frömming, “Norddeich Radio“ 1907 bis 1982
03
Lehmann, Kontakte mit der weiten Welt
04
Lehmann, Berufsfunker im Seefunkdienst
05
Schulz, Vergessene Funksendestellen in der Altmark
06
Volk, 40 Jahre Seefunk der DDR
07
DEBEG, 50 Jahre DEBEG 1911 - 1961
08
Bagusch, Illustrierte Welt-Geschichte
09
Harper, Kampf um Enigma
10
Johnson, Streng Geheim
11
Kuntz, TITANIC-Protokolle
12
Tasso, MARCONI
13
Sengbusch, Als FO an Bord des M/S“MARIAECK“
Bildnachweis
Bild
1 Quelle: Debeg, "Deutsche Betriebsgesellschaft für
drahtlose Telegrafie" in "25 Jahre Debeg" (1936), Seite 17 (Urheber
dort nicht geannt)
Bild
2 Quelle: Debeg, "Deutsche Betriebsgesellschaft für
drahtlose Telegrafie" in "25 Jahre Debeg" (1936), Seite 16 oben (Urheber
dort nicht geannt)
Bild
3 Quelle: C. Lorenz AG in "Festschrift 75 Jahre Lorenz
1880-1955" (1955) Seite 70 unten (Urheber dort nicht geannt)
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4 Quelle: C. Lorenz AG in "Festschrift 75 Jahre Lorenz
1880-1955" (1955) Seite 73 (Urheber dort nicht geannt)
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5 Quelle: Prospekt der Debeg von 1980 (Mit freundl.
Genehmigung Debeg-Niederlassung Bremen Hohentorshafen, 1999)
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6 Urheber gem.§7 Urh.G.: Detlef Stolz (Mit freundl. Genehmigung
2000)
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