High Speed Data (HSD) Systeme (1)
Fotos und Bericht © 2009: Joachim Paul, DJ7WL

Einleitung
Nach längerer Vorbereitungszeit hat Inmarsat HSD zur allgemeinen Benutzung freigeschaltet.
Viele Hersteller von Standard A- und Standard B Anlagen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage betriebsbereite Systeme zu 
liefern. Bei der Debeg war zu dieser Zeit die Inmarsat Anlage 3211a das System mit der größten Verbreitung aber noch ohne die Möglichkeit mit HSD darüber zu arbeiten. Es wurde einige Zeit später ein Modifikationssatz dafür entwickelt, der konnte sich für diese Standard A Anlage (analoge Technik) nicht mehr durchsetzen. Für die Anwendung haben wir bei der Debeg (heute SAM Electronics) die Anlage Debeg 3230 (erste digitale Anlage) eingesetzt. In der Anfangszeit war HSD noch eine Option, die vom Kunden extra bezahlt werden musste. Das heißt, die benötigte Hard- und Software war in jeder ausgelieferten Anlage bereits vorhanden, musste aber mit einem Passwort freigeschaltet werden. Die Debeg 3230 war baugleich mit der Nera Bm.
Die zweite Anlage, die für HSD einsetzbar, war ist die Debeg 3232. Diese Anlage wurde von einer Tochterfirma in Dänemark hergestellt. Die dritte digitale Anlage für diesen Zweck ist die Debeg 3250. Das HSD System über Inmarsat bot ISDN Geschwindigkeit, also ein vielfaches der bisher gebräuchlichen 9,6 Kb. Damit erschlossen sich nun viele Anwendungen, die vorher so nicht möglich waren. Z.B. eine bessere und flüssigere Vernetzung eines Bordnetzes (LAN) mit Rechnernetzen an Land. Besonders Spezialschiffe und Passagierschiffe hatten Bedarf an Systemen mit höherem Datendurchsatz. Jetzt waren auch Video- konferenzsysteme, Maschinenüberwachungssysteme, Übertragung seismischer Daten, Kühlcontainerüberwachung und viele anderen Anwendungen möglich.
Grundsätzlich setzt sich eine HSD Anwendung aus den Komponenten zusammen, die in der Grafik links dargestellt sind.
Links:  HSD Blockdiagram
Router Cisco Typ 2503
Wie im Bild „HSD System“ zu sehen wird am Bordnetz und am Landnetz jeweils ein Router benötigt als Bindeglied. An der Schnittstelle der Satcom Anlage sowie am Landnetz sind unterschiedliche Anschlussbedingungen vorhanden. 
Die Schnittstelle an der Satcom Anlage ist eine serielle Synchron Schnittstelle und an Land ist typisch eine ISDN Schnittstelle gefragt. Es galt nun aus der Vielfalt der angebotenen Router  den am besten für diesen Zweck geeigneten auszuwählen. Letztlich habe ich mich für den Cisco 2503 entschieden. Dieser Router hat zwei synchrone serielle Schnittstellen dazu eine ISDN Schnittstelle und eine Ethernet- schnittstelle. Für diese Ethernetschnittstelle gab es auch ein Übergangsmodul welches an die an Bord typischen Koaxialkabel- vernetzung anpassen konnte. Dieses Gerät war eines der wenigen welches in einem Vollmetallgehäuse geliefert wurden. 
Für die Ein- und Ausstrahlproblematik ist es sehr wichtig das Gehäuse zu erden weil auf der einen Seite an Bord immer noch Sender mit hoher Ausgangsleistung betrieben werden und auf der anderen Seite keine Störsignale nach außen abgegeben werden dürfen.

Links:   Router 2503 Anschlußseite
Unten:  Anschlußzeichnung 2503

Über den „Konsolen Port RJ 45“ wird der Router für den jeweiligen Anwendungszweck programmiert. In die Planung von TCP/IP Netzen muss man sich lange und sorgfältig einarbeiten um für den Kunden die bestmöglichste Lösung anbieten zu können. 
Für die Anwendung über Inmarsat gab es keine fertigen Konfigurationen und auch Experten von Cisco konnten bei der Programmierung der Router nicht viel helfen. Router an Land werden völlig anders betrieben als es an einer Satcom Anlage aus finanziellen Gründen möglich ist. Die Inmarsat HSD Gebühren werden nach der Nutzungszeit berechnet. Router an Land arbeiten im Normalfall an fest geschalteten Leitungen zum Fixpreis.
Die Zeichnung rechts stellt sehr symbolisch ein Netzwerk an Land dar. An jedem Router hängt ein Anwender LAN. Alle diese Router kommunizieren ständig untereinander und übertragen zusätzlich zu den Nutzdaten auch systemspezifische Parameter wie Laufzeiten, Namen der Router und andere Informationen. Diese legt jeder Router im Landnetz in einer internen Tabelle ab. Wenn die direkte Verbindung zwischen zwei Routeranwendungen unterbrochen ist, findet der sendende Router trotzdem einen Weg anhand der internen Tabelle. Das ist eine gute Möglichkeit diese Netzwerke auch im Störfall weiter zu betreiben. Diese Art des Betriebes über Inmarsat HSD Strecken  ist nicht möglich weil der Overhead Daten Verkehr wie an Land aus finanziellen Gründen nicht möglich ist.
Rechts: Symbolische Routeranordnung
Für die Anwendung im maritimen Umfeld kann ein derartiges System nur mit fest programmierten IP Adressen und Netzwerk Tabellen als sogenanntes Staticsystem konfiguriert werden. Wie schon früher beschrieben habe ich mir bei der Debeg ein gutes Testumfeld für derartige Erprobungen geschaffen. Eine betriebsbereite Standard B Anlage Debeg 3230 mit HSD Option. Ein ISDN Anschluss am gleichen Ort. Zwei Cisco Router Typ 2503. Dazu mehrere Rechner um Bord-LAN und Land-LAN nachzubilden. Auf Basis dieser soliden Grundlage habe ich dann das erste  HSD System über Inmarsat Strecken zum Laufen gebracht. Da HSD voll duplexfähig ist muss bei der Programmierung der Router diese Fähigkeit besonders berücksichtigt werden um Inmarsat Gebühren einzusparen. Wenn richtig programmiert funktioniert ein HSD System an Bord wie folgt: Wenn Nutzdaten im Bord-LAN zum senden freigegeben wurden prüft der Bord-Router ob in der Sendung die IP Adresse an der Ethernetschnittstelle des zuständigen Land-Routers vorhanden ist. Wenn das der Fall ist wird die Verbindung vollautomatisch aufgebaut und die Nutzdaten werden übertragen. Gleichzeitig wird geprüft ob am Land-Router Nachrichten für das Schiff vorliegen. Weil die Verbindung vollduplex ist werden diese Daten im gleichen Zuge zum Schiff übertragen. Wenn keine Nutzdaten mehr übertragen werden wird die Verbindung nach weiteren 20 Sekunden Wartezeit (einstellbar) wieder vollautomatisch abgebaut. Das ist die effektivste Möglichkeit ein HSD System zu betreiben.

Die erste praktische HSD Anwendung
Das erste HSD System habe ich dann für die Reederei Zeppenfeld mit Sitz Basel/Schweiz konzipiert. Um teure Inmarsat Zeit bei der Inbetriebnahme und Erprobung niedrig zu halten bin ich jeweils bei den Reedereien nach dem gleichen Konzept vorgegangen. Als erstes wurde der Router in der Reederei an das dortige LAN angeschlossen sowie mit einem ISDN Anschluss verbunden. Dieser Router wurde sachgerecht programmiert. Von einem Router an einem zweiten ISDN Anschluss (meistens bei mir in Hamburg) wurde eine Verbindung aufgebaut und Nutzdaten übertragen. Auf diese Art konnte man schon eine Menge Fehler in der Erprobungsphase beseitigen. IP Fehler sowie sonstige Programmierfehler ließen sich leicht erkennen und beseitigen. Auf der nachfolgenden Zeichnung kann man die Anordnung aller Rechner an Bord und in der Reederei erkennen und deren IP Adresse. An einigen dieser Rechner wiederum war ein Unternetz angeschlossen wie Email, Maschinenüberwachung, Kühlcontainerüberwachung etc.

Im zweiten Schritt habe ich die Satcom Anlage in Hamburg bei der Debeg sowie den Router daran genauso programmiert wie die spätere Anwendung im Bordsystem. Auch damit wurde das HSD System erprobt. Nach erfolgreicher Durchführung dieser Erprobung wurde dann das System an Bord des Schiffes in Betrieb genommen.
Der Name des ersten Schiffes bei Zeppenfeld welches mit HSD ausgerüstet wurde war „Lauritzen Chile“ ( später umbenannt in America Feeder) Dieses Schiff wurde auf einer Werft in der Türkei gebaut und später fast ausschließlich in der Südamerika Fahrt eingesetzt.
Die Inbetriebnahme an Bord habe ich dann auf der Mitfahrt von Guayaquil/Equador nach Lima in Peru durchgeführt. Auf nachfolgenden Bildern kann man gut die Anordnung der Antenne auf dem Schiff sowie einige der eingesetzten Rechner sehen.
Foto links:  MS "America Feeder"
Foto unten:  Steuer PCs an Bord
Nachfolgend ist die typische Anschlussbelegung einer Debeg 3230 zu sehen.  Grafik unten: 3230 Unterdeckeinheit
Während der Fahrt wurde das System ausgiebig erprobt und betriebsklar übergeben.
Einige Zeit später wurde ein zweites Schiff für die Reederei auch wieder in der Türkei gebaut und auch darauf wurde ein HSD System in das Netzwerk der Reederei integriert. Trotz aller guten Vorbereitung, wie oben beschrieben, wollte die Inbetriebnahme auf der Bauwerft und der Probefahrt nicht gelingen. Wir bekamen keine Verbindung zur Reederei in Basel zustande. Nach sorgfältiger Prüfung aller Komponenten des Systems und der Programmierung habe ich letztlich aufgegeben und bin zurück nach Hamburg geflogen. Von der dortigen Referenzanlage aus gab es kein Problem. Der Fehler lag nicht am HSD System, sondern an einem Netzknoten in Frankfurt, der die Inmarsat Verbindung von der damaligen deutschen Bodenstation Raisting über ISDN in die Schweiz weiterleitet. Der Fehler war dann schnell behoben.

HSD Systeme bei Hapag Lloyd
Die Reederei Hapag Lloyd hatte von dem ersten erfolgreichem Einsatz eines HSD Systems gehört und war nun selbst interessiert, diese Technik einzusetzen. Die Aufgabe lautete: Die drei bereits fahrenden Passagierschiffe Bremen, Columbus, Hanseatic und den Neubau  Europa  sowie auch die Zentrale am Ballindam in Hamburg mit HSD Systemen auszurüsten.
Eine erste Besprechung mit den Inspektoren und EDV Technikern der Reederei verlief sehr positiv. Auf den drei fahrenden Schiffen waren Inmarsat A Anlagen in Betrieb, welche jetzt durch Debeg 3230 ersetzt wurden. Auf der neuen Europa waren bereits zwei Debeg 3232 sowie vier Inmarsat M Systeme vorgesehen. Die nachfolgende Zeichnung verdeutlicht in noch sehr grober Form das Konzept. Die jeweilige Bezeichnung ISDN steht hier für die Komponenten der Satellitenstrecken.

Wie schon vorher beschrieben wurde als erstes wieder der Router bei der Reederei in Betrieb genommen und mit nachgebildeten Schiffsstation ausgiebig erprobt. Meine Verantwortung am Router in der Reederei ging bis zur Übergabe Schnittstelle Ethernet. Für die weiteren Anwendungen in der Reederei waren die eigenen EDV Techniker zuständig. Die Zusammenarbeit ist an der Stelle sehr wichtig und war bei Hapag Lloyd sehr positiv. Manche Reedereien haben externe oder auch eigene EDV Leute mit denen es manchmal Schwierigkeiten gab, mir die benötigten Netzdaten wie IP Nummerierung oder Passwörter herauszugeben.
MS "Bremen"
Die erste Installation fand  auf der Bremen statt. Auf der Mitfahrt von Oslo über einige Fjorde danach Bergen ging die Fahrt nach Hamburg. Per Telekran wurde die A-Anlage ausgebaut und die neue Debeg 3230 am Pier in Oslo aufgesetzt.

Foto links:  MS "Bremen": Aufsetzen der Antenne

Die Installation und Inbetriebnahme verlief auf dem Weg durch einige Fjorde zur Station Fläm am Ende des Fjords normal. Es war nur wichtig auf diesem Wege Abschattungen durch das Gebirgsmassiv zu beachten weil der atlantische Satellit eine Elevation von nur 12 Grad hat. Das weiter unten zeigt ein gutes Empfangssignal, angezeigt am Handset der Anlage.

Grafik unten:  3230 Antennenzeichnung

Foto oben:  3230 Handset mit gutem Empfangssignal
Foto unten:  Brücke  MS "Bremen"
Foto oben:  3230 Antenne an Deck der "Bremen"
Foto unten:   MS "Bremen" im Fjord
MS "c.Columbus"
In der gleichen Reihenfolge wurde das HSD System auf der Columbus in Betrieb genommen, hier allerdings in Lübeck und Kiel.
Foto oben:  MS "c.Columbus"
Foto oben:  Antenne an Deck des MS "c.Columbus"
MS "Hanseatic"
Die neue Debeg 3230 und das HSD System wurde während  eines Aufenthaltes bei der Bremerhavener Dock GmbH  1999 installiert  und in Betrieb genommen. Die Installation der Satcom Antenne auf diesem Schiff ist natürlich ideal was die freie Rundumsicht angeht andererseits muss der Antennenantrieb in Azimut und Elevation hier Schwerstarbeit verrichten. Auch der Zugang zur Antenne bei schlechtem Wetter ist nicht immer gewährleistet.
Foto oben:  MS "Hanseatic"
Foto oben:  Antenne auf der MS "Hanseatic"

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Version: 09-Jan-09 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu