Die letzte Reise  -  die letzte Reparatur
Bericht: © ex Funkoffizier Günter Klepke  -  Fotos (2): H. Busch, Berne

Mein Fahrtgebiet blieb der Nordatlantik: USA und Kanada. Sprachlich tat ich viel, um mich in Englisch weiterzubilden. Es lief immer ein Empfänger auf BBC, Radio Canada oder Voice of America. Sehr gerne hörte ich auch die Mittelwellen-Programme. Gelegentlich zeigte man mir auch solche Rundfunksender. Ganz besonders mochte ich die kleinen Sender für die deutschen Minderheiten: „Vier Seeleute warten auf einen Tango!“ Neben dem Tango gab es eine Einladung, die Sendestation zu besichtigen. Wie einfach und unkompliziert man miteinander umging. Mit meinen anglophilen Einstellungen fühlte ich mich mehr und mehr diesen Völkern verbunden. Mir gefiel das klare Denken dieser Menschen. Jetzt verstand ich, warum man uns die „Square Heads“ nennt. Die deutschen Clubs mied ich. 
Ich hatte mich mit einem Deutschen in Detroit angefreundet; er zeigte mir viele Tricks in der Fernsehtechnik. Man war in der Farbfernsehtechnik ja viel weiter als in Deutschland. Viele dieser Dinge wären in einer deutschen Werkstatt undenkbar gewesen. Das Denken jedoch, für sich selber verantwortlich zu sein, das machte den größten Eindruck auf mich. 
Mein Beruf war zur Routine geworden. Wetter, Wetterkarten, AMVER und OBSe, MSG’s und der private Funkverkehr. Mit der Verwaltung war es ähnlich. Man hatte viele Reisen gemacht, man hatte das Prinzip verstanden und die Dinge verloren ihren Schrecken. Es war viel Arbeit, es gab natürlich noch keine Computer und auch keine Taschenrechner. 
Wie viele Mannschaftslisten hatte ich wohl getippt? 

Unverändert blieb das Interesse an den Begegnungen mit fremden Menschen, an ihrer Geschichte. Lebhaft erinnerte ich Gespräche mit einem englischen Ehepaar. Er hatte als Marineoffizier den Krieg mitgemacht und wollte wohl einmal die Deutschen aus der Nähe kennen lernen. Seine Frau hatte eine so schöne Aussprache, dass ich immer meinte, es sei eine Sprecherin der BBC, die neben mir stand. Unsere morgendlichen Small-Talks führten über die Schiffsposition zu irgendwelchen Anglizismen. „What is a Boat and what is a Ship?“ - “You see, a Ship belongs to the Navy. To the British Royal Navy! Any other vessel is a Boat! Even the ‘Queen Mary’ is a Boat!” Nun wusste ich also, auf einem Boot tat ich meinen Dienst im Nordatlantik. Ein sehr altes Dictionary half. Our Position? – “Just entering the German Ocean!“ 

Das „DL-QTC“ des Deutschen Amateur Radio Clubs gab gute Informationen über die Entwicklungen in der Übertragungstechnik. 

Ursprünglich hatte ich die Absicht, recht lange zu fahren. Aber innerlich entfernte ich mich immer mehr von diesem Beruf. Vier Messen “fuhren” wir in jenen Tagen auf unseren Schiffen. Unsere Passagiere genossen die Gesellschaft unserer drei leitenden Herren – oder war es umgekehrt? Vorgegebene Räume mussten eingehalten werden. 

Die Company wollte mich wohl auch anderen Räumen unserer Welt näher bringen. Nun, dies war schon eine Umstellung. Die Reisen dauerten viel länger. Und massive Spanischkenntnisse waren nötig. Südamerika, Westküste. Noch war sie da, diese Begeisterung, fremde Länder erleben zu können. Den Nord-Ostsee-Kanal hatte ich in der Holzfahrt gesehen. Der Suezkanal war seit Jahren gesperrt. Ihn habe ich nie gesehen. Was fehlte, das war der Panama-Kanal. Hatte früher die Überfahrt zehn Tage gedauert, so waren es jetzt drei Wochen von Hamburg nach Panama. 

Lageplan des Panamakanals     (>>> Download einer vergrösserten Version -ca. 1 MB)
Es waren die letzten Zeiten der klassischen Stückgutfahrt. Container setzten sich immer mehr durch. Aber in den vielen Reedehäfen der Westküste-Süd war man noch lange nicht so weit. Was habe ich den Ladungsoffizier bedauert. Das Zeichnen der Staupläne, die vielen Änderungen buchstäblich in letzter Minute vor dem Auslaufen. Aber auch ich wurde massiv in diese Dinge eingebunden. Gehörte es doch zu meinen Aufgaben die Ladung einzuklarieren. Dazu kam das sich schon jetzt abzeichnende Defizit, kaum spanisch zu sprechen. 
Zu allem Unglück, wurde ‚unser Dampfer’ für einen Modellversuch auserkoren: Der Verpflegungssatz pro Mann und Tag sollte täglich ermittelt werden. Auch funktechnisch gab es Besonderheiten. Die Schiffahrts-Agenturen an der Westküste Südamerikas betrieben eigene Funkstellen. Es waren Transceiver mit einer Leistung von 100 Watt Träger. Damals im Seefunk üblich: Zweiseitenband-Aussendungen mit vollem Träger. Vor dem Befahren der Karibik versuchte ich, diese aufzunehmen. Die Nautiker meinten, gelegentlich müssten sie doch schon zu hören sein. Der Hauptempfänger war der E566 von Siemens. Er besaß eine solch farbenprächtige Skala, dass man ihn auch Regenbogen- oder Papageien-Empfänger nannte. Leider besaß er kein S-Meter. Dass der Empfänger ‚taub’ sei, zeigte sich nicht. Andererseits waren die Radio Propagations in der Karibik instabil. Ich maß der Sache also keine besondere Bedeutung bei. 
Nach dem Passieren der Karibik empfing uns Panama mit guten Einkaufsmöglichkeiten. Meist hatte man aber gar nicht die Chance an Land zu kommen. Ferdinand Lesseps, der Erbauer von Suez ist hier an den geografischen Gegebenheiten und am Gelbfieber gescheitert. Er versuchte ohne Schleusen den Kanal zu bauen. Erst die Amerikaner haben eine gelbfieberfreie Zone eingerichtet und Schleusen gebaut. Berühmt diese Lokomotiven, die mit dem Schiff schwungvoll diese Steigungen nehmen. Nach dem 1. Weltkrieg übergaben die Amerikaner dann der Weltschiffahrt „ihren Kanal“. 
Gestaunt habe ich über die Perfektion, mit der alles gemacht wurde. Buenaventura, die Äuqatortaufe, Guayaquil und die viele Verwaltungsarbeit fraßen mich auf. Meine privaten Sender der Agentur hörte ich gelegentlich und dann sehr sehr leise. Tja, was war zu tun? Das Fahrtgebiet war neu. Der Funkverkehr mit Norddeich klappte. Also so sehr unempfindlich war der Empfänger wohl wieder nicht. Oft hatte ich bei den Nautikern beobachtet, dass sie meist ein kaufmännisches Denken hatten, sie konnten aber andererseits Vorgänge in der Natur gut einordnen. Sie sagten mir, der Empfang sei auf den Reisen vorher besser gewesen. Die üblichen Maßnahmen, das Wechseln der Antenne, das Tauschen von Eingangs- und Mischerröhren brachten nichts. Die Verwaltung hatte mich im Griff. Von einem Radioservice in Südamerika wollte die Schiffsleitung nichts wissen. Also blieb alles so. 
Wir erreichten die peruanischen Häfen. In Callao trafen wir ein Companyschiff. Der 2.Ing heiratet eine Schöne des Landes aus gut betuchtem Hause. Die deutsche Kolonie und zwei Schiffsbesatzungen. Ein gewaltiges Fest, es dauerte eine Woche. Unglaublich die Deutsch-freundlichkeit hier. Das würde sich in Chile noch um ein vielfaches steigern. 
Meine Gedanken waren im letzten Jahrhundert. Kriege um Salpeter zwischen Peru und Chile. Erst viel später gelang es ja den Deutschen, Salpeter synthetisch herzustellen. Erfindungen, die das Ende der Segelschiffe in der Salpeterfahrt bedeuteten. Chiles Wirtschaft erlitt schwere Rückschläge. Der sehr kalte Humboldtstrom beschert den Chilenen diesen Segen der Natur: Fischreichtum und Guano: „Ich lob’ Euch, ihr Vögel der fernen Guano-Küst’ – trotz meinem Landsmann dem Hegel, macht ihr doch den größeren Mist!“ Dieser Fischreichtum war auch in Europa bekannt. Noch nach dem Kriege gingen einige Büsumer Krabbenfischer mit Familie nach Chile und bauten sich hier eine Existenz auf. 
Meine privaten Agentursender brauchte ich für den südlichen Teil der Reise nicht mehr. 
Chile ist ein so unglaublich schönes Land, dass man jede deutsche Landschaft da finden kann. Und schwarzhaarige Frauen mit blauen Augen. Es war die Zeit von Allende, dem Vater der Schriftstellerin Isabel Allende. Der Mittelstand verließ das Land. Der chilenische Escudo wurde international nicht mehr konvertiert. Alle Leute wollten US-Dollars. Ein großer Schwarzmarkt. Die Unitad Popular mit ihrem linken Liedergut in spanischer Sprache machte Eindruck. Sie nahmen mich mit in die Berge der Anden: zauberhaft ihre Lieder zur Gitarre. 
Ein deutscher Schiffshändler in San Antonio führte mich in den Rotary Club ein. Und – ich mochte es kaum glauben, man sprach English mit mir. Abschwächend erklärten mir die Herren, bei der nächsten Reise müsse ich Spanisch können. Eigentlich gab es da keine Barriere, diese Sprache zu lernen. Nach einem ersten, recht leichten, Einstieg folgt ja dann die lange Phase, in der man kaum Fortschritte macht. Natürlich wusste ich, wenn ich doch wieder in die Elektrotechnik gehen sollte, würde ich Englisch brauchen, Spanisch war da aber weniger anzuwenden. Und so hatte ich mich entschlossen, meine Zeit für die Weiterbildung in Englisch zu investieren. Mich hielt auch der Unterschied zwischen dem kastillianischen Spanisch und dem ‚American Spanish’ ab. Dies wird sehr schnell gesprochen. Der Anteil der mehrsilbigen Wörter ist nun aber viel größer als in der englischen Sprache. Kannte man Ursprung und die Bedeutung der vielen Fremdwörter, so gelang es oft schnell den Sinn von Fragen herauszufinden. Eine Technik, die ich mehr und mehr verfeinerte. Bedauert hatte ich immer, keine Lateinkenntnisse zu haben. 
Die Prozedur der Einklarierung war imponierend. Die vielen abgeforderten Listen, das kalte Buffet und dann die ‚Presentas’. Schnell lernte ich mich anzupassen. Viel Unbill wurde durch flexible Lösungen und Einfühlungsvermögen vom Schiff abgehalten. Der 1. Steward sprach wirklich perfekt Spanisch. Was habe ich von diesem Mann nicht alles gelernt? Mich beeindruckte, wie schnell er wirkliche Freundschaft bot und auch forderte. 
Mühsam war das Umrechnen der ‚großen Währungen’. Die Schiffskasse wurde in DM geführt. Fremde Währungen zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Kursen in die Schiffskasse gebracht, stellten mich vor komische Probleme. Bei den Vorschusszahlungen konnte ich doch die Leute nicht ungleich belasten. Und Überschüsse aus Rundungsdifferenzen gehörten nicht in die eigene Tasche, sondern mit einem Einnahmebeleg in die Schiffskasse. Man war eben doch kein ausgebildeter Kaufmann. Bedenkt man, man hatte sechs Wochen an der Westküste oft täglich einen Hafen, so versteht man den hohen Verwaltungsaufwand. Hier war ich nicht mehr der ‚Radio Oficial’, hier war ich der ‚Senor Contador’. Meine Akzeptanz war viel größer als wenn ich Nur-Funker wäre. 

Aber bei aller Verwaltung hatte ich immer noch das Problem des ‚langsam sterbenden’ Hauptempfängers im Kopf. Nachts um 0118 GMT auf 8511 kHz, auf der DAL-Frequenz, holte ich mir die Presse. Sie kam sehr leise und war auch schwer aufzunehmen. Ich nahm sie direkt in die Schreibmaschine. Fehlte zu viel oder waren zu viele Fehler drin, so schrieb ich sie dann doch noch einmal ab. Nach der letzten Silence-Period in der letzten Wache schaltete ich die 2. Arbeitfrequenz im 16 MHz-Band. Man stellte sich mit seinem Rufzeichen und einer Reihe VVV’s vor. Im Duplex mit anderen Schiffen folgte jetzt der ‚Küstenklatsch’. Mannschaftslisten und TR’s wurden ausgetauscht. Diese Dinge gingen in die Messen. Boten sie doch den Leuten Abwechslung im täglichen Bordleben. Während meiner ganzen Seefahrtzeit hatte ich es immer als ein großes Glück empfunden, wann immer ich wollte, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Für mich war das Schiff nicht die kleine Einheit im Ozean. Ich konnte der ganzen Welt zuhören, ich konnte mich mit ihr unterhalten. Stets versuchte ich, hier auch etwas weiterzugeben. Aber es war auch viel Sicherheit drin, wenn man so oft wie möglich Kontakte zu anderen Seefunk- oder Küstenfunkstellen hatte. Drückte man auf die Taste, so machte der Sender die Eingangsstufen der Rundfunkgeräte ‚dicht’. Blieb der Empfänger während der ganzen Aussendung ‚zu’, so war das ein weiteres Kriterium für die Qualität des Funkers. Und ein schlechter Funker wollte man nun wirklich nicht sein! 
Weit, weit nach Süden ging es runter. Valparaiso, Conceptione und schließlich Valdivia. Hier begann der Hamburger Kapitän Pagels vor dem 1. Weltkrieg die Inselwelt zu erkunden und Küstenlinien zu zeichnen. Die Legende sagte, damit war es später deutschen Schiffen möglich, sich vor den Engländern zu verstecken. Und zum ersten Male in meinem Leben sah ich Albatrosse. Vögel, die sterben, sobald sie denn den Äquator passieren müssen. 
Sehr langsam kam Unmut auf, wie gerne wäre ich öfter an Land gegangen. Statt dessen rechnete ich blödsinnige Verpflegungssätze aus. Rechenkontruktionen, die sich später niemand genauer ansehen würde. Nur damit sich da so ein ‚Erbsenzähler’ mit irgendwelchen Meriten eines Modellversuches brüsten konnte. „In meiner Abteilung steht an den Türen nur ein Name, meiner!“ 
Man hätte einen Modus finden müssen, der mir mehr Zeit gab, mich um die Funkstelle zu kümmern. Aber Entscheidungen müssen später auch vertreten werden, und so blieb wieder einmal alles beim alten. Die Bedenken des Funkamtes gegen die viele Verwaltungsarbeit der Seefunker waren nicht so grundlos. 
Mit Fischmehl und Kupfer aus Chile ging es langsam wieder nach Norden. Und Passagiere kamen. Gut erinnere ich einen Deutsch-Chilenen: Technico-Cervecero gab er als Beruf an. Hatte er Jahrzehnte seine Landsleute mit deutscher Braukunst erfreut, so zog er es jetzt vor, mit seiner Familie in die unbekannte Heimat zu gehen. Lange sinnierten wir, wie groß würde der Verlust für die Zurückgebliebenen sein. Bei einer weiteren Flasche Bremer Bier, stellten wir fest, es würde sie doch sehr hart treffen. 

Der "Papageien-Empfänger":  SIEMENS E566 - Ein Fall für die Funkwerkstatt ?
Mein E566 wäre ein Fall für die Funkwerkstatt. An einen Mess-Sender angeschlossen, hätte man sich schnell über das Signal-Rauschverhältnis und damit über die Empfindlichkeit Klarheit verschaffen können. Wir bestellten für Callao, dem Hafen von Lima, einen Radio-Service. Was staunte ich, es erschienen zwei technische Offiziere der peruanischen Marine, sehr hoch im Dienstgrad: Lieutenant Commanders. Auf der Mannschaftsebenbe hätten sie einfach nicht das qualifizierte Personal für diese Art Reparaturen. Sie werkelten einige Stunden und zeigten mir befriedigt einen Widerstand für die Erzeugung der Schirmgitterspannung. Der sah zwar ein wenig ‚vergammelt’ aus, aber so recht glaubte ich nicht daran, dass dies der Fehler war. 
Mein Notempfänger war der E-66a und damit alleine über den Atlantik mochte ich nicht so gerne. Es waren noch einige Tage bis Colon, dem Eingang zum Panamakanal. Der hohe Verwaltungsaufwand wurde weniger. Nach dem Abendessen warf ich den ganzen Papierkrams in eine Ecke. Diese Nacht sollten jetzt dem E566 gehören. 
Ein chilenischer Radiohändler hatte mir Kontaktspray überlassen. Das Vielfachinstrument der SeeFuSt verschmähte ich seit langem. Ein kleines japanisches Vielfachintrument mit 20 kOhm/V begleitete mich auf See. Noch einmal wechselte ich die Röhren für den HF- und ZF-Teil. Dann ging es gegen den Drucktastensatz des E566. All das brachte nichts: Mir schien es, als ob mein alter Ausbilder mir über die Schulter sah. „Jungs, habt ihr Spannungen gemessen? Fangt im Netzteil an!“ Aber es gab keine sehr großen Abweichungen. Eine Sichtkontrolle der Elkos, mit der die Elektroden der Röhren wechselspannungsmäßig auf Masse gelegt wurden, brachte auch nichts. Mein alter Ausbilder sagte mir, dass 80 % aller Fehler im Netzteil zu finden seien. 
Mein Blick blieb an einer Soffittenlampe hängen. 
Oben:  So sieht er aus: Ein gesunder Eisenwasserstoff-
Widerstand in "Sofittenform mit Messerkappen" im Stromversorgungsteil des Allwellen-Empfängers SIEMENS E566
Oben: Und so sah der Glaskolben in unserem Fall aus: dunkel !  Hier war sogar ein "ganz schlauer" am Werk und hat
einen normalen Widerstand über die Kontakte gelötet.

Sie war dunkel aber sie hatte Durchgang. Was das wohl sollte? Mir war schon klar, diese Art Fehler mit Bordmitteln zu finden, war auch mit viel Glück verbunden. War es wirklich ein Fall für die Werkstatt? Gemessen wurde die Anodenspannung, die Schirmgitterspannung und ggf. die Spannung über dem Kathodenwiderstand. Bei der Röhrenheizung begnügte man sich mit einem Blick: Sah man die Röhren glimmen, so war das ok. Trotz allem, alles noch einmal! 
Zum ersten Male maß ich die Heizspannungen der E-Röhren. 6,3 V und 300 mA das waren die Sollwerte. Und jetzt staunte ich. Ich stand da und wunderte mich. Da waren doch tatsächlich nur 4 V! Dunkel erinnerte ich, Röhren, ständig unterheizt, waren viel schlechter in der Funktion als überheizte. 10 %, mehr war als Toleranz in keinem Falle zulässig! Aber wohin sollten sich diese gut 2 Volt ‚verkrümelt’ haben? Diese ‚blöde’ Soffittenlampe schien doch eine Rolle zu spielen – welche?
Ein Blick in die Spares zeigte mir, so etwas hatte ich nicht! Den Netztrafo schloss ich aus. 
Jetzt wollte ich es ganz genau wissen. Mein Vielfachintrument hatte ich mit einem einfachen Überlastungsschutz ausgestattet. Zwei Germaniumdioden, antiparallel geschaltet, schützten das Messwerk. Sie brachten aber auch leichte Verfälschungen der Spannungswerte. Also raus damit. Allein, es blieben 4 V. 
Jetzt wurde doch das Handbuch studiert. Die Heizspannung der beiden Oszillatorröhren ECC82 wurde mit einem „Eisen-Wasserstoff-Widerstand“ stabilisiert - das also war die Funktion dieser ‚blöden’ Soffittenlampe. Und dieser EW wurde mit einem NTC vor dem hohen Einschaltstromstoss geschützt. Das alles um die Oszillatorfrequenzen einigermaßen ‚stabil’ zu kriegen. Als Fehler blieb nur der NTC oder aber der EW, diese ‚blöde’ Soffittenlampe.
 

Zitat aus dem Handbuch des E 566:  Der Netztranformator hat drei Sekundärwicklungen. Die Heizwicklung ist so
ausgeführt, daß außer der 6,3-V-Anzapfung für die Heizstromversorgung des Gerätes eine Spannung von 9,5 V 
zur Verfügung steht, die über den Thernewid (Widerstand mit negativem Temperaturkoeffizienten)  Th1 und den
Eisenwasserstoff-Widerstand EW1 eine stabilisierte Heizspannung von 6,3 V für die beiden Oszillatorröhren liefert.

Irgendwie war ich es jetzt leid. Ich ‚holte’ mir aus einem der Sender 6,3 V Heizspannung. Damit versorgte ich die beiden Oszillator-Röhren des E566. Einziger Nachteil, der Hauptempfänger musste mit dem Sender zusammen eingeschaltet werden. Der Empfänger war viel empfindlicher geworden. 
Sehr zufrieden mit mir, beschloss ich, mich mit den Errungenschaften unseres Technico Cerveceros zu belohnen. 

Im Seefunk hatte man das SITOR, ein erstes fehlerkorrigierendes Fernschreibverfahren, eingeführt. Im letzten Urlaub hatte ich nach einem Bauvorschlag der ‚Funkschau’ eine Digitaluhr mit diskreten Bauteilen gebaut. Unaufhaltsam kam die Digitaltechnik. Siliziumtransistoren lösten die niederohmigen Germaniumtypen ab. Die TTL-IC’s der 74er-Serie waren da. 
Der Funker in der Seefahrt war eine Frage der Zeit. Ich war jetzt 32 Jahre alt und hatte in der Seefahrt „meine Räume“ erkundet. Nein, nein auch ein Seefunkzeugnis 1. Klasse hätte da nichts geändert. Nicht nur mich hatte man in der Südamerikafahrt mit so viel Arbeit ausgestattet. Auch unsere Decksbesatzung konnte das nicht schaffen.

6 ‚Mantas’ hatten wir für die 6 Wochen Aufenthalt an der Westküste zusätzlich an Bord genommen. Schwarzhaarige, dunkelhäutige Gestalten, die nie viel sprachen; sie leisteten gute Arbeit. Alle kamen sie aus Manta, einem Hafen in Equador. Sie blieben unter sich, aber sie waren hochbelastbar. Und in Manta, dem letzten Hafen des Schiffes vor dem Panamakanal, bekamen sie dann ihre Heuer und die Arbeitspapiere von mir. Alle Schiffe unserer Company in der Westküstenfahrt holten sich hier die zusätzlichen Decksleute. 
Dann, vor dem Von-Bord-Gehen, stand der Chief vor mir und lud mich in sein Dorf ein. Es sei ein wenig außerhalb der Stadt. Der Teufel ritt mich, ich akzeptierte die Einladung. Und reiten musste ich wirklich – auf einem Esel. Man passte auf, dass ich ein gutmütiges Tier bekam. Auch im Handling wurde mir geholfen. An Bord gab man mir Verhaltungsmaßregeln mit. Durchstehen müsste ich das dann schon. 
Am Rande zum Urwald waren Pfahlbauten und ein großer Platz mit einem Feuer in der Mitte. Begrüßung und dann die Vorstellung der Gäste. Es war so eine Art Mehlspeise und darin bewegte sich auch noch einiges. Der Kakteenschnaps war nun wirklich das, was ich jetzt brauchte. Die Gastfreundschaft war großartig und umfassend. Wie ich in die Pfahlhütte kam, wer mir half und was dann passierte, das alles konnte ich nicht mehr sagen. Wir schienen aber doch eine gute Figur gemacht zu haben. Wiederkommen möge er, der Senor Contador! 
In Manta feierte ich dann auch meinen Abschied von der Seefahrt und Südamerika. Bevor ich zur See ging hatte der alte Herr Wolf von der Lübecker Seefahrtschule mir gesagt, wenn Sie einen Entschluss gefasst haben, dann sind Sie durch, Sie fühlen sich freier. Und so war es auch. Ich wusste, ich hatte mir einen Jugendtraum erfüllt. Aber ich fühlte, es war die Zeit, zu gehen. 
Dankbar war ich, die wirtschaftliche Lage war ausgezeichnet, sie gab mir die Möglichkeit, zu tun, was ich wollte. 
Die Company hatte mit der DEBEG einen Leihvertrag. Folglich war die Betreuung exzellent. 
In Bremen kam ein DEBEG-Inspektor und erklärte, bei diesem Eisen-Wasserstoff-Widerstand hätte sich der Wasserstoff ‚verkrümelt’, damit hätten sich auch meine 2 V verkrümelt. Unerklärlich jedoch blieb, warum kein weiterer im Spare war. 
Um Eisen-Wasserstoff-Widerstände mit ihrem Regelverhalten machte ich mir auch keine Gedanken mehr; sie wurden durch Zenerdioden ersetzt. 
Blieb noch die geforderte tägliche Rechenkunst mit dem Verpflegungssatz pro Mann und Tag: dieser Herr hatte sich auch schon ‚neue Räume’ für Betätigungen gesucht. 

Im europäischen Küstenbereich blieb ich bis zum Quartalsende. 
Und in Rotterdam feierte ich dann endgültig meinen Abschied von der Seefahrt. 
Sylvester in Bremerhaven ging ich von Bord. 


Bildnachweis:
Abb. 1: Quelle: Prospekt der "Panama Canal Commission" (Dezcember 1994)
Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6, Abb. 7 und Abb. 8: Urheber gem.§7 Urh.G.: Marianne Busch  (Mit freundl. Genehmigung)
Abb. 9 und Abb. 12: Urheber gem.§7 Urh.G.: Stefan Reyers / DJ7AO  (Mit freundl.Genehmigung 14-may-05)
Abb.10: Quelle: Handbuch zum Allwellenampfänger SIEMENS E 566
Abb. 11 Urheber gem.§7 Urh.G.: Heinrich Busch, Berne
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Version: 16-Aug-12 / HBu