Funken in der Südsee
Mahina, Tahiti Radio / FJA
Ein Bericht von © 2005: Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB - Alle Fotos: © Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB

Meinen ersten Funkkontakt mit dieser Station hatte ich als Funker auf Heinrich Schulte/DCUW im Herbst 1957 auf 8 MHz. FJA8 sendete täglich um 0430 GMT einen Sammelanruf und hörte anschließend auf Anrufe. Diese Zeit auf dem einen Kurzwellenband genügte damals vollauf für die wenigen Schiffe, die Tahiti anliefen. Das Signal war laut und gut zu hören, besser als das von Kahuku Radio, KHK, auf Oahu, Hawaii, woher wir kamen.
Auf Mittelwelle war es anders. Die erste Antwort auf 500 kHz kam mit einem sehr verkratzt-zischigen Morseton. Beim Näherkommen merkte ich dann, daß man den Empfänger besser auf AM schaltete, um einen sauberen Ton zu hören. Offenbar benutzte FJA auf Mittelwelle noch einen Sender in sogenannter Selbstgleichrichtung, mit 500 Hz Wechselspannung an den Anoden. Auf der Arbeitsfrequenz habe ich die Station zuerst gar nicht gefunden; sie lag nicht wie angegeben auf 432 kHz, sondern wesentlich höher auf etwa 442 kHz, mit gleichem Toncharakter. So etwas konnte man sich damals in der Weite der Südsee offenbar leisten, denn die Arbeitsfrequenz der nächstgelegenen Küstenfunkstelle Rarotonga Radio, ZKR auf den Cook Inseln, lag meiner Erinnerung nach damals bei 464 kHz (laut Verzeichnis von 1959 auf 483 kHz).
Eigenartig an der Arbeitsweise von FJA auf Mittelwelle war auch, daß der Funker offenbar Grund hatte, den Generator für die 500 Hz so wenig wie möglich laufen zu lassen. Denn gegen Ende jeder Sendung fiel die Modulationsfrequenz ganz charakteristisch ab:"di-dää-de-daa-det daa-dö-douur".
An Land war ein Elsässer Farmer gerne bereit, den Dolmetscher zu machen und mich zu Mahina Radio zu fahren.

Im Innern der Station durfte ich keine Photos machen, aber das eigenartige Verhalten des Mittelwellensenders wurde bei der Beantwortung des Anrufs eines anderen Schiffes geklärt: 
Solange der 500-Hz-Generator lief, knasterte und prasselte es entsetzlich aus etlichen weiteren Empfängern, mit denen offenbar auf Grenzwelle der Funkkontakt zu den umliegenden Inseln Französisch-Ozeaniens gehalten wurde. Der Begriff EMV und seine Techniken waren eben noch nicht so aktuell wie heute. Der Funker zeigte tatsächlich eine große Übung darin, den Generator schon kurz vor Ende seines Textes abzuschalten und mit dessen Auslaufen noch die letzten Zeichen zu senden, wobei die Modulationsfrequenz natürlich abfiel.

Aber auch für Mahina Radio deutete sich damals bereits die moderne Zeit an. In einer Ecke warteten drei neue schmale Sender-Gestelle von RCA auf ihre Installation!

Das Denkmal im Hof
Auf dem Hof der Funkstation stand ein Denkmal, dessen Inschrift stolz verkündete, daß am 28. Dezember 1915 von Tahiti eine erste Depesche, adressiert an den Präsidenten der Republik, an die übrige Welt gesendet worden war, im damals üblichen Verfahren über Zwischenstationen. Ich wußte von meinen Ausbildern, daß auf deutschen Schiffen die 500-Hz-Generatoren der Löschfunkensender nach deren Ausmusterung in den Zwanziger Jahren noch so gut in Schuß waren, daß auch die neuen Röhrensender für 500-Hz-Speisung ausgelegt wurden und fragte mich unwillkürlich, ob auch hier der 500-Hz-Generator vielleicht noch der gleiche wäre, mit dem diese erste Depesche gesendet worden war. 

Das genannte Datum war aber indirekt wohl die Folge eines sehr unangenehmen Vorfalls, an den man sich auf Tahiti sicher nicht so gerne erinnert. Der folgende Zusammenhang offenbarte sich mir, als ich 1989 aus Anlaß meiner Silberhochzeit mit meiner Frau nochmals auf der Insel weilte:

Beim Stöbern in der Reiseecke eines Kaufhauses fand ich ein Buch über die Geschichte Tahitis. Darin wurde berichtet, daß im Jahre 1914 ein im Hafen von Papeete liegender französischer Kreuzer von vorbeifahrenden deutschen Kriegsschiffen beschossen worden war. Dabei waren auch Tote unter der Zivilbevölkerung zu beklagen. Die deutschen Kriegsschiffe konnten eigentlich nur zum Ostasiengeschwader gehört haben. Dieses stand mit Berlin über die Funkstelle auf der Insel Yap (Westkarolinen) in Verbindung und hatte die Nachricht vom Kriegsbeginn am 5. August 1914 erhalten.

Auch Tsingtau und Deutsch-Samoa hatten damals bereits Telefunken-Stationen und waren über den Kriegsbeginn unterrichtet, Tahiti aber offenbar noch nicht; auch die Osterinsel nicht, wo ein englischer Händler dem deutschen Geschwader noch am 10. Okober 1914 bereitwillig große Mengen geschlachteten Viehs lieferte. Frankreich war also in Zugzwang, Tahiti mit einer Funkstation auszurüsten. 
Meine zweite Reise 1989 zeigte mir auch, wie sehr sich Tahiti in den zurückliegenden 30 Jahren verändert hatte. Ich hatte mir ein paar alte Fotos mitgenommen, aber von allen Gebäuden in Papeete erkannte ich eigentlich nur die katholische Kirche wieder. Der Hafen war vergrößert und dessen kleine Quarantäne-Insel mit in einen Kai integriert worden. Das ganze Gebiet der festen Funkstelle im Osten von Papeete, das "Reseau General Radioelectrique", dessen Antennen im flachen Wasser der Lagune standen, war weiter im Osten zum "Venus Point" hin neu aufgebaut worden, etwa in der Gegend, wo Cook 1769 gelandet war. Die alte Küstenfunkstelle habe ich nicht mehr gefunden. Vielleicht wurde auch ihre Organisation geändert, denn Jeffrey Herman, KH2PZ/KH6, erwähnt in seinem Bericht "CW auf 500 kHz" nicht mehr FJA, sondern eine Küstenfunkstelle der französischen Marine mit Rufzeichen FUM. Mit ein Anlaß für all diese Veränderungen war wohl der Verlust von Algerien als früheres Atombomben-Versuchsgebiet Frankreichs und dessen Verlagerung zu den Tuamotu-Inseln. 1960 erhielt Tahiti im Nordwesten bei Faaa einen Flughafen, der bis 1961 auch für große Düsenflugzeuge ausgebaut wurde. Bis dahin war Tahiti für den internationalen Luftverkehr auf Flugboote und Wasserflugzeuge angewiesen. Auch wir hatten 1957 noch Post mit dem Schiff nach Honolulu befördert.
Funkausbreitung
Die Funkaktivität auf der Mittelwelle war im Pazifikraum bei Nacht äußerst interessant zu beobachten. Was man da bei der Wache auf 500 kHz alles an exotischen Rufzeichen hörte, war fast unglaublich. Auf dieser riesigen Wasserfläche waren (und sind wohlauch heute noch) mit Leistungen von einigen hundert Watt dämpfungsarme Funkverbindungen über einige 1000 km möglich. Manche Schiffe fuhren nur mit Mittelwellen-Funkausrüstung quer über den Pazifik, von Australien und Neuseeland bis nach den USA und Kanada. Auch der Funker auf "Gustav Pistor" / DGNT sagte mir, im Pazifik brauche er keine Kurzwelle, er mache alles nachts auf Mittelwelle.
Ich kam gezwungenermaßen einmal dazu, das zu probieren. Im Rahmen des 1957 laufenden ersten "Geophysikalischen Jahres" hatte das "Hydrographic Office" in Honolulu uns gebeten, Wetterbeobachtungen vor allem im Südpazifik zu machen, wo nur wenige Schiffe unterwegs waren. Dafür wurde unser Kapitän entschädigt mit wertvollem Kartenmaterial für unser Fahrtgebiet. Die Wetterbeobachtungen hatte ich als OBS-Telegramm (in Fünfergruppen von Zahlen verschlüsselt) möglichst an nichtkommerzielle Küstenfunkstellen zu senden. Diese "OBSe" haben einen Zeitwert, müssen also vorrangig befördert werden. Einmal fiel mir beim Einschalten des Kurzwellensenders der Paketschalter in der Schalttafel auseinander. Ich mußte den Mittelwellensender im Notbetrieb aus der Batterie speisen. Die Funkverbindung mit der Coast-Guard-Station Honolulu, Hawaii Radio, NMO, klappte trotzdem sofort ohne Probleme, kein Wunder bei einer eine Meile langen Antenne (laut Jeffrey Herman, KH2PZ/KH6). Reparieren konnte ich dann später, ein passender Paketschalter fand sich im Reserve-Store des Maschinenraumes.
Im Rahmen dieses Geophysikalischen Jahres startete ja die damalige Sowjetunion 1957 auch den ersten Erdsatelliten "Sputnik". Sein gemorstes "S" konne ich in meinem Schiffsempfänger E66a auf 20 MHz gut hören; die zweite Frequenz des Sputnik auf 40 MHz war mit dem Gerät nicht mehr zu empfangen. 1957 war ein Jahr mit maximaler Sonnenfleckentätigkeit und daher optimalen Ausbreitungsbedingungen auf Kurzwelle. Der Funkverkehr aus dem Pazifikraum mit der Heimat ging am besten in der Dämmerung auf 12 MHz über Lyngby Radio / OXZ. Diese Küstenfunkstelle bei Kopenhagen tastete Sender auf bis zu vier Seefunkbändern (z. B. 6/8/12/16 MHz) gleichzeitig und hörte abwechselnd auf einem dieser Bänder. So konnte man an Bord immer gut erkennen, welches Band am besten zu hören war und dann anrufen, wenn OXZ angab, auf 12 MHz zu hören. Im Vergleich dazu waren die Wachzeiten von Norddeich Radio auf 8 MHz und 16 MHz nicht so günstig. Die Deutsche Welle empfingen wir damals im 25-m-Band (umgerechnet ebenfalls etwa 12 MHz) über das Programm für Nordamerika, denn der Großkreis dieser Aussendung führte weiter in die Südsee. Nach dem Wechsel auf 31 m im Rahmen des Winterplanes für die USA konnten wir die Deutsche Welle nicht mehr hören, und andere Sendungen der Deutschen Welle auf 25 m waren zeitlich nicht so günstig.

Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)
Nicht nur Mahina Radio hatte seine Probleme mit Funkstörungen, auch ich zunächst an Bord meines Schiffes. Besonders schlimm wurde es bereits auf der Anreise zum Pazifik, in der Karibik. Bei 36 Grad Celsius Luft- und 33 Grad Wassertemperatur (bei denen der Wirkungsgrad unserer Dampfmaschine mit Abdampfturbine spürbar abfiel)  hatten sich etliche Besatzungsmitglieder aus verständlichen Gründen Ventilatoren aus Vorräten des Maschinenstores für ihre Kabinen besorgt, die jedoch nicht entstört waren und teilweise grob passend zugefeilte Kohlebürsten hatten. Ich mußte dem Kapitän erklären, daß ich durch solche Machenschaften in der Ausübung meiner Tätigkeit als Funker behindert würde, machte aber den Vorschlag, die Lüfter zu entstören, wenn man mir bestimmte Kondensatoren zur Verfügung stellen würde. In Vancouver erhielt ich dann von ihm die ersehnte Tüte mit den Kondensatoren und machte mich an die Arbeit: Ein Kondensator von Bürste zu Bürste, einer von einer Bürste ans Metallgehäuse, wie ich es einmal in einem Buch gesehen hatte. So eine Beschäftigung war für mich eine Herausforderung und selbst während der Funkwache durchaus durchführbar. Die gewählte Methode war erfolgreich, nur die zugefeilten Kohlebürsten feuerten immer noch viel zu stark. Ich bat daher unseren "Chief" (1. Ingenieur), das Zufeilen von Kohlebürsten zu unterbinden, und das klappte auch. Nach dieser Aktion störte nur noch ein Lüfter in einer der Windhuzen für den Maschinenraum etwas. An den kam ich erst heran, nachdem er einmal ausgefallen war. Danach hatte ich wirklich alle Störquellen auf dem Schiff beseitigt, und trotz der hohen Temperaturen in der Südsee blieb für die weitere Reise auch das Hören am Empfänger wirklich eine ungestörte Freude. Heute ist EMV ja eine Wissenschaft für sich geworden und in Europa gestützt von einer Direktive aus Brüssel. Trotzdem produziert die Industrie immer neue Geräte und Verfahren mit oft unerwarteten Störeffekten. Alle Funkanwender sollten daher weiter auf der Hut sein und dafür sorgen, daß das kostbare Funkspektrum auch weiterhin geschützt bleibt.
Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB


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Version: 02-Mar-05 / Rev.: 20-Mar-05 / HBu