Erste Fax- und Datenübertragungen via Inmarsat
Ein Bericht von © 2008: Joachim Paul, DJ7WL

Faxbetrieb
Telex und Telefon waren die Betriebsarten der ersten Marisat und Inmarsat Anlagen, moderne Reeder wünschten sich aber zusätzlich auch Fax- und Datenübertragung. Besonders die Faxübertragung wurde stark nachgefragt weil sich z.B. Staupläne, Explosionszeichnungen, Schaltzeichnungen etc. per Telex oder Telefon nur schlecht übermitteln ließen. 
Kein Hersteller von Satcom Anlagen bot zu dieser Zeit geeignete Geräte an. Deshalb habe ich mich 1978/79 daran gemacht, die Faxübertragung via Satcom zu realisieren. Die technischen Vorbedingungen waren nicht besonders günstig zu diesem Zeitpunkt. Es wurde noch das Marisat System genutzt. Inmarsat wurde erst 1979 gegründet. Alle Verbindungen in das Landnetz liefen über die USA und in der Anfangszeit war auch noch Handvermittlung üblich. Während bei Verbindungen innerhalb Deutschlands über das Landnetz Laufzeiten von einigen Millisekunden einzurechnen sind, konnten bei einer Satellitenverbindung durchaus Laufzeiten von über 1000 Millisekunden auftreten. Die erste Generation der Satcom Anlagen hatten Vierdrahtschnittstellen zum Anschluss von Fax- und Datenendgeräten. Die zu dieser Zeit zur Verfügung stehenden Faxgeräte der Klasse 2 hatten einen Zweidrahtanschluss. Bei einem typischen Faxgerät der Klasse 2 wurde ein DIN A 4 Bogen mit der Vorlage auf eine Trommel gespannt, der anschließend zeilenweise abgetastet und zur Gegenstation übertragen wurde. Unabhängig vom Inhalt der Vorlage dauerte eine derartige Übertragung immer ca. 3 Minuten.
Für die Durchführung der nötigen Arbeiten und Erprobungen hatte ich mir bei der Debeg in Hamburg gute Arbeitsbedingungen geschaffen. Auf dem Antennendeck waren die Satcom Antennen installiert und im Labor unmittelbar unter dem Antennendeck waren die Elektronik- einheit sowie die Endgeräte installiert. Neben den Inmarsatgeräten waren hier auch Telefonleitungen mit internationalem Zugriff vorhanden. Der große Vorteil einer solchen Anordnung ist es, dass die Endgeräte an der Satcom und am Landnetz unmittelbar nebeneinander im gleichen Raum stehen und Fehler sofort sichtbar sind.
 Sesacom und Debeg 3211a Antennen
Debeg Labor für Schulung und Erprobung
Aus dem Gruppe 2 Faxgerät habe ich die Weiche entfernt, die Sende- und Empfangsleitungen getrennt herausgeführt und mit der Vierdrahtschnittstelle der Sesacom Anlage verbunden. Zusätzliche Pegelsteller wurden integriert und sorgfältig einjustiert. Die Electronic der Faxmaschine wurde an die geänderten Laufzeitbedingungen angepasst. 
Das Faxsystem via Satcomstrecke wurde ausgiebig erprobt. Auf dem Forschungsschiff Gauss wurde ein derartiges System wenig später installiert und im Kontakt zum DHI in Hamburg praktisch genutzt. Es war das erste auf einem Schiff in Deutschland installierte und nutzbare Faxsystem. Nachteilig ist, dass im Gruppe 2 Faxbetrieb die Übertragung einer DIN A 4 Seite immer ca. 3 Minuten Übertragungszeit in Anspruch nimmt und damit relativ teuer ist. 
Die Debeg hat als erste kommerzielle Satcom Anlage die Debeg 3211 eingesetzt. Natürlich sollten an dieser Anlage auch Faxgeräte nutzbar sein. Anfangs gab es eine Vierdrahtschnittstelle und später wurde eine Telefonweiche in die Schnittstelle integriert.
Mit Gründung von Inmarsat 1979 wurden bald mehrere Erdefunkstellen in Betrieb genommen. In Deutschland war das die Erdefunkstelle Raisting. Damit verbesserten sich die Laufzeiten für den Fax- und Datenbetrieb deutlich. Auch die Selbstwahl von Verbindungen war nun möglich. Anschlussfertige Faxgeräte für den Betrieb über Inmarsat gab es aber nach wie vor nicht. 
Allerdings waren Geräte für den Faxstandard der Gruppe 3 lieferbar. Der wesentliche Vorteil dieser Geräte für den Betrieb über Satcom- strecken ist, dass eine Vorlage abgetastet wird und weiße Stellen schnell durchgeschoben werden also die Übertragungszeit reduziert wird. Bei einem Standard Testbogen beträgt die Durchlaufzeit nur noch eine Minute, was eine wesentliche Kostenreduzierung gegenüber dem Gruppe 2 Verfahren bedeutet. Auch das Handshakeverfahren zum Beginn der Übertragung wurde in Gruppe 3 wesentlich verbessert. Laufzeit und Signalqualität werden dabei gemessen, das wirkt sich direkt auf die Übertragungsgeschwindigkeit aus.
Soweit die Theorie und die praktischen Erfahrungen aus den Gruppe 2 Versuchen. Nun galt es, einen Lieferanten für Geräte zu finden, die sich an die Bedingungen im Satcom Betrieb anpassen lassen. Viele Hersteller von Faxgeräten wurden in das Labor der Debeg eingeladen um ihre Geräte im praktischen Betrieb zu testen. Keines dieser Geräte funktionierte unter den beschriebenen Bedingungen. Letztlich habe ich mit der Fa. Kalle Infotec und deren Hamburger Vertretung einen flexiblen Lieferanten gefunden. In gemeinsamer Arbeit haben wir Standardgeräte für den Betrieb über  Satcom modifiziert. In der Anfangszeit mussten Hard- und Software an den Satcombetrieb angepasst werden. Ideal war die Bedingung für eine Faxübertragung, wenn auch das Endgerät an der Landseite ein Kalle Infotec war, weil der Handshake dann besonders schnell durchgeführt wurde, was Übertragungszeit einsparte. Danach hat die Debeg über viele Jahre ausschließlich Kalle Infotec Geräte eingesetzt, weil die Geräte anderer Hersteller zu dieser Zeit nicht funktionierten.
Kalle Infotec Fax an portabler Inmarsat Anlage
Im Jahre 1984 wurde der Nachfolger der Debeg 3211 die Anlage Debeg 3211a eingeführt. Die Abmessungen und das Gewicht der Antenne wurden deutlich reduziert sowie viele weitere Verbesserungen damit bereit gestellt. An der Unterdeckeinheit wurde jetzt ein PC für die Bedienung und den Telexbetrieb eingesetzt. Die Fax und Datenschnittstelle wurde weiter verbessert. Die Ein- und Ausgangspegel wurden komfortabel vom PC aus gemessen und einjustiert. 
Jede Anlage, die an Bord eines Schiffes zum Einsatz kommt, wird von verschiedenen Stellen zugelassen. Der zulässige Kompass- abstand wurde beim DHI in Hamburg ermittelt. Alle Inmarsatfunktionen wurden im Zusammenspiel mit einer Land-Erdefunkstelle (LES) im Comissioningtest erprobt. War alles in Ordnung, wurde die Anlage für den weltweiten Betrieb freigeschaltet. Die Ein- und Ausstrahlungs- festigkeit für die Zulassung der Debeg 3211a habe ich zusammen mit den Herren der zuständigen Behörde direkt an Bord ermittelt.
Zulassungsmessung an der 3211a Antenne
Zulassungsmessung an der Unterdeckeinheit
Zulassungsmessung an der Unterdeckeinheit
Grössenvergleich  3211a Antenne /  3211 Antenne
Im Jahr 1982 wurde auf der Bremer Vulkan Werft die "Europa"  gebaut. Die Debeg hat die Kommunikations- und Navigationsausrüstung geliefert, unter anderem eine Debeg 3211a sowie ein Faxgerät Kalle Infotek Gruppe 3. Zur Inbetriebnahme bin ich in Bremen an Bord gegangen. Ich habe das System eingepegelt und erfolgreich mit einem Faxgerät im Debeg Labor getestet. Hapag Lloyd hatte von einigen Faxgeräten im Hause am Ballindamm die Telefonnummern mitgebracht. Mir wurde versichert es handelt sich bei allen Geräten um Gruppe 3 Faxanschlüsse. Leider war das dann nicht so. Nach mehreren Fehlversuchen haben wir dann doch ein  Gruppe 3 Gerät gefunden und damit erfolgreich getestet. Alle Anderen waren noch Gruppe 2 Geräte.
3211a Antenne auf der Europa
Europa mit Satcom Antenne in Bremen
Da im Laufe der Jahre immer mehr normale Faxverbindungen auch über Satellitenverbindungen vermittelt wurden, mussten auch andere Hersteller ihre Hard- und Software anpassen. Viele dieser Geräte konnten jetzt ohne weitere Modifikation direkt an eine Inmarsat Anlage angeschlossen werden. Besonderer Wert wurde von Seiten der Debeg auf die Echounterdrückung und Laufzeiteinstellung gelegt. Bei einem Test im Debeg Labor konnte man schnell feststellen ob der Prüfling geeignet war. Dann gab es eine Zulassung dafür.

Erste Datenübertragungen
Die Ausgangslage für die ersten Datenübertragungsversuche war ähnlich zum Faxprojekt. Es gab keine Erfahrung mit der Datenübertragung über Marisat- und Inmarsatstrecken und es gab keine betriebsbereiten Geräte für diesen Dienst. Schon gar nicht in Deutschland.
Hier hatte die Post das Monopol für die Datenübertragung und reagierte allergisch auf externe Versuche in dieser Richtung. Da ich, wie oben beschrieben, eine gute Testumgebung für derlei Versuche geschaffen hatte, habe ich die Deutsche Post eingeladen mit eigenem Gerät eine Erprobung bei der Debeg durchzuführen. Die Post erschien dann auch mit einem Übertragungswagen und allerlei Gerät darin. Die damaligen Postmonopol-Modems waren große schwere Kästen. Mit einiger Mühe haben wir dann die richtige Anpassung zwischen Postmodem und Satcom Anlage hergestellt. Ein Postmodem wurde als Gegenstation an einem Telefonanschluß im Labor installiert. Dieses Modem wurde erfolgreich über eine Landleitung mit einem anderen Postmodem getestet. Danach wurde versucht via Inmarsat eine Verbindung herzustellen. Nach vielen Versuchen gab die Post auf, ohne zur damaligen Zeit den Grund für die Fehlversuche herauszufinden. Nach späteren Untersuchungen ergtab sich: Die Postmodems waren von der Hard- und Software her für den Betrieb innerhalb Deutschlands evtl. auch noch in Europa brauchbar, weil dabei die Antwortzeiten im fehlerkorrigierenden Betrieb im Millisekundenbereich liegen. Nun sollten sie aber plötzlich 1000 Millisekunden auf eine Antwort warten. Da haben sie schlicht den Dienst eingestellt.
Der Betrieb eines Importmodems am deutschen Telefonnetz war strafbar. Man konnte hier auch offiziell keine Modems erwerben. Ich habe mir dann aus den USA geeignete Geräte beschafft und diese in meiner Testumgebung am Postnetz und an der Debeg 3211a in Betrieb genommen. Mein erster erfolgreicher Versuch lief mit 300 bit/s im ungesicherten ASCII Betrieb. Die Satcom Verbindungen hatten typisch einen guten Signal/Rauschabstand aber man hatte manchmal mit Echoproblemen und sonstigen kleineren Geräuschen zu tun, die natürlich die ASCII Übertragung störten und Zeichen verfälschten. Ein Laufzeitproblem gab es bei dieser Art Übertragung natürlich nicht. Das war also nicht der Weg, ein fehlerkorrigierendes Verfahren musste her. Als erstes habe ich das Xmodem Protocoll eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird die zu übertragene Nachricht in Blöcke aufgeteilt, diese werden einzeln übertragen. Jeder Block trägt eine Prüfsumme mit sich, die Gegenstation wertet diese aus und speichert den Block entweder ab wenn ok, oder sendet bei einem Fehler ein Wiederholungszeichen. Die empfangenen Blöcke werden vom Overhead befreit und wieder richtig zusammengesetzt. Die so übertragene Nachricht ist dann fehlerfrei. Der Nachteil im Betrieb über Inmarsat sind die Laufzeiten im System. Jeder gesendete Block wartet ca. 700-1000 Millisekunden auf das OK oder Wiederholungszeichen, was den Durchsatz stark behindert. In der Anfangszeit habe ich mit 1200 oder 2400 bit/s zwischen den Modems gearbeitet. Mit verbesserten Modems habe ich im Inmarsat-Kanal später mit 9600 bit/s arbeiten können. 
Einen besseren Datendurchsatz habe ich danach mit dem Ymodem Protocoll erzielt und danach mit dem Zmodem Protocoll. In diesem Protocoll werden mehrere Blöcke hintereinander gesendet, alle mit einer Nummer und Prüfsumme versehen. Die Gegenstation prüft die Blöcke und fordert, wenn nötig, die fehlerhaften Blöcke erneut an. Wenn also von 10 Blöcken nur einer fehlerhaft ist, dann ist der Durchsatz wesentlich höher - verglichen mit dem Xmodem Protocoll. Weitere Verbesserungen folgten insbesondere in der Ausnutzung des Inmarsat Voll Duplex Kanals.
Im Gegensatz zu den Faxübertragungen war der Druck der Kunden bei der Nutzung von Datendiensten in diesen Jahren noch nicht so hoch. Einige Reedereien haben sich Mailbox Systeme einrichten lassen, mit einem vollautomatisch arbeitenden PC mit Modem am Telefonnetz und lokaler Vernetzung dieses PC mit einigen Arbeitsstationen in der Reederei.
Es gab auch schon kommerzielle Dienste von denen man z.B. das Seewetter, Wasserstände, Hafendienste oder Navigationsnachrichten abrufen konnte. Die Blütezeit der Datendienste kam aber erst mit dem Internet so richtig in Fahrt.
J.Paul
Fortsetzung folgt.


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Version: 30-Oct-08 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu