Die technische und betriebliche
Entwicklung der deutschen Funktelegrafie
Autor: Hans Höher (Siehe Nachwort)           Abschrift: Rolf Marschner DL9CM

Betriebsdienst
 Von der ersten experimentellen drahtlosen Signalübermittlung im Jahre 1897 über 5 km durch Marconi bis zur praktischen Nutzung in Deutschland vergingen nur zwei Jahre. Erste Anwendung fand die neue Nachrichtentechnik im Jahre 1899 auf dem Feuerschiff „Elbe 1“ bei Cuxhaven.
 Das alleinige Recht auf Ausübung der Funkbetriebes besaß damals die Marconi Gesellschaft in London. Um der Gefahr eines Weltfunkmonopols durch die organisatorisch und wirtschaftlich überlegene britische Firma zu begegnen, erwarb 1905 die Firma Telefunken das Recht, auf deutschen Schiffen Empfangs- und Sendeeinrichtungen zu errichten und zu betreiben. Um dieser Vereinbarung eine breite Basis zu geben, lud die deutsche Reichsregierung zu einer „Weltfunkkonferenz“ nach Berlin ein mit dem Ziel, jedes Funkmonopol zu beseitigen. Das Ergebnis dieser Tagung, der von 30 Ländern am 3. Oktober 1906 gebilligte erste „Weltfunkvertrag“, verschaffte dem Funkverkehr international freie Bahn. Führend in der Welt wurden schnell drei Funkgesellschaften, das waren in den USA die „Radio Corporation of America“ (RCA), in England die „Marconi Wireless Co Ltd.“ und in Deutschland der „Telefunken-Konzern“. Da die Eigenheiten des funktechnischen Betriebsdienstes ein besonderes Unternehmen erforderten, entstand 1908 die Firma „Internationaler Telefunken Betrieb“, aus der 1911 die Debeg hervorging.

„Norddeich Radio“
Die bedeutendste ortsfeste Küstenfunkstelle für die Schiffsfunkstellen wurde „Norddeich Radio“, 1. Rufzeichen KND, 1913 geändert in KAV. Das Gelände dafür hatte die Reichs-Post- und Telegrafenverwaltung am 15. August 1905 für 16.037 Mark gekauft, die darauf errichtete Station wurde unter Beteiligung des Reichsmarineamtes 1907 in Betrieb genommen. In dem zweistöckigen Stationshaus arbeitete anfangs ein sogenannter Knallfunkensender „so laut, daß das donnerartige Geräusch der Funken noch im 2 km entfernten Norddeich zu vernehmen war“. Das Personal bestand aus fünf Funkern, die „ununterbrochen“ Dienst taten wegen der international festgeschriebenen dauernden Hörbereitschaft auf der Seenotwelle (500 kHz = 600 m). 1910 wurden die ersten Sender durch Tonfunk- oder Löschfunkensender ersetzt und diese wiederum 1912 von Poulsensendern der Fa. Lorenz. Über diese Sender erfuhr z. B. am 15. Mai 1912 die Weltöffentlichkeit von der Schiffskatastrophe der „Titanic“ im Atlantik. Neben dem nautischen Funkverkehr erhielten die Schiffe auf 150 kHz = 2000 m im Pressedienst täglich um 7 und 23 Uhr von Wolffs Telegrafenbüro Berlin die wichtigsten Tagesnachrichten. Der Telegrammdienst Schiff-Land/Land-Schiff  wurde 1912 zugelassen. Gefunkt wurde auf Langwellen, die wegen der Tag-Nachtunterschiede in der Wellenausbreitung stark atmosphärischen Störungen ausgesetzt sind. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellten die 380 Debeg-eigenen Funkstellen den zivilen Funkverkehr ein. „Norddeich Radio“ wurde von der kaiserlichen Marine übernommen, die Debeg leitete die Ausbildung der Funkoffiziere. Nach Kriegsende übernahm die Reichstelegrafenverwaltung „Norddeich Radio“. Mit der Verlegung der Empfangsanlagen nach Westgaste im Jahre 1923 und mit dem Einsatz von Kurzwellensendern und –empfängern um 1926 konnten die Betriebsbedingungen Zug um Zug verbessert werden. Als Folge der „Internationalen Weltfunkkonferenz“ in Washington mußten gemäß dem „Weltnachrichtenvertrag“ vom 23. November 1927 alle Schiffe mit mehr als 300 Fahrgästen drei Funker an Bord haben, Schiffe mit 150 – 300 Fahrgästen zwei Funker und Schiffe ab 25 Fahrgäste und alle Frachtschiffe einen Funker. Das Betriebspersonal setzte sich in dieser Zeit zusammen aus ehemaligen Angehörigen der Debeg, der Deutsch Atlantischen Telegrafen-Gesellschaft, die vom Telegrafenamt Emden kamen, und aus 10 Postsupernumeraren. Ähnlich waren die Personalverhältnisse bei „Elbe Weser Radio“, „Kiel Radio“, „Rügen Radio“ und „Warnemünde Radio“. Um 1936 waren alle deutschen Fahrgastschiffe mit Kurzwellenanlagen ausgerüstet. Das erneute Aus für den zivilen Funkverkehr brachte der Zweite Weltkrieg. Am 26. August 1939 übernahm ein Marinekommando die Station „Norddeich Radio“ und betrieb sie bis zur Einnahme durch die Briten, die den Sender der „British Liberation Army I“ vom 9. Juni 1945 bis zum 1. April 1946 zur eigenen Nutzung übertrugen. Danach wieder im Postbesitz durfte sich „Norddeich Radio“ nur Peilaufgaben widmen, ab 1947 auch dem kommerziellen Überseefunkverkehr mit Südamerika. Erst 1948 war es wieder ausschließlich Küstenfunkstelle. Durch den Einsatz der jeweils neuesten Technik hat „Norddeich Radio“, jetzt eine Dienststelle des Fermeldeamts 6 Hamburg (Stand 1990), seinen Ruf als zuverlässige Brücke zwischen Land und See stets gewahrt.

Deutsch Atlantische Telegraphengesellschaft (DAT)
Personalwirtschaftlich mit der Funktelegrafie verflochten war der Überseekabeldienst. Seine Geschichte geht zurück auf 1851 mit der Kabelverbindung zwischen Dover und Calais. Ab 28. Juli 1866 verband die erste atlantische Seekabellinie Deutschland mit England von Norden bis London, bis Irland verlief die Linie oberirdisch sowie als Seekabel und führte ab Valentia (Irland) wieder als Seekabel über 3400 km bis Hearts Content auf Neufundland. Dieses Kabel wurde 73 Jahre lang bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges genutzt. Die erste deutsche von ausländischen Gesellschaften unabhängige Kabelverbindung nahm man am 1. September 1900 zwischen Emden – Horta (Azoren) – New York in Betrieb. Betriebsgesellschaft wurde die am 21. Februar 1899 gegründete DAT. Das Personal stellte das Telegrafenamt Emden. Starke Verkehrszunahme erforderte bereits 1904 ein zweites deutsches Atlantikkabel. Die zwischenzeitliche Einführung von Stanzapparaten der Fa. Creed & Co Ltd., London, mit Schreibmaschinentastatur, von neuen Verstärkern und Übertragern ließen die Telegrammübermittlung in wenigen Minuten zu. Um 1913 beschäftigte das TA Emden 350 Telegrafengehilfen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrachen die Briten die Emdener Überseekabel, den Transatlantikverkehr übernahm die Funktelegrafie. Erst 1924 konnte wieder Anschluß an das Weltkabelnetz gewonnen werden mit einer Verbindung von Emden zur „Eastern Telegraph Company“ in London. Mit dem Überseefunk aber war der DAT durch die „Transradio AG“ starke Konkurrenz erwachsen. Mit den Leitvermerken „Via DAT“ oder „Via Transradio“ konnte der Kunde den Übermittlungsweg wählen. Am 27. Januar 1926 nahm die DAT zwei weitere Kabel in Betrieb, die Emden direkt mit den Azoren verbanden und stellte 1926 und 1930 160 neue Kräfte ein. 25 davon gelang der begehrte Auslandseinsatz in Horta, die anderen Angestellten wurden an technische Einrichtungen der Post bei den Telegrafenämtern in Emden, Hamburg und an einigen Plätzen des Auslandssaales im Berliner Haupttelegrafenamt beschäftigt. Ihre Vergütung erhielten sie seit dem 1. April 1929 aus der Postkasse.
Beabsichtigt war, den Überseekabeldienst 1930 ganz in die Regie der Deutschen Reichspost zu überführen. Wegen der sich verschlechternden Wirtschaftsverhältnisse kam es dazu jedoch vorerst nicht. Um aber das hochqualifizierte Personal nicht zu verlieren, wurden die DAT-Angestellten am 1. April 1931 – ein Jahr früher als die Kräfte der „Transradio AG“ – als Angestellte in den Reichsdienst übernommen und nach Ablegung der Verwaltungsprüfung am 1. Dezember 1939 in das Beamtenverhältnis (gehobener Dienst) überführt. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrachen wiederum feindliche Streitkräfte die DAT-Kabel. Für das deutsche Seekabelnetz ging damit eine Ära zu Ende. Der Neuanschluß deutscher Linien an das Weltkabelnetz mit der Wiederaufnahme des Betriebes 1954 und die Rückgabe von zwei Kanälen des früheren Azorenkabels im Jahre 1957 an die DAT, die bereits 1952 ihren Firmensitz nach Köln verlegt hatte, bedeutete nur eine kurze Episode. Neue Medien ließen die bisherige Betriebstechnik schnell an Bedeutung verlieren.

Inlandsfunk
Die Reichstelegrafenverwaltung besaß bis Ende 1918 nur einige Küstenfunkstellen. Erst der militärische Zusammenbruch erzwang 1919 die Übernahme der Großfunkstelle „Königs Wusterhausen“ durch die Post. Betriebszentrale für den Funkverkehr wurde das Haupttelegrafenamt Berlin (HTA) 6. Verwaltungsmäßig betreut wurde der neue Dienstzweig von der Abt. V des Reichspostministeriums, aus der die „Reichsfunk-Betriebsverwaltung“ hervorging. 1920 umbenannt in „Telegrafentechnisches Reichsamt“ und 1928 in „Reichspostzentralamt“, das ein eigenes Dienstgebäude in Berlin-Tempelhof erhielt. Aus der ersten Funklinie zwischen Weimar (Sitz der Deutschen Nationalversammlung) und Berlin (Sitz der Reichsregierung) entwickelte sich als Folge der damaligen Radikalisierung im politischen Leben und der damit verbundenen Gefährdung der drahtgebundenen Nachrichtenwege der „Innerdeutsche Städtefunk“. Im Endausbau, um 1922 gab es 21 Stationen, und zwar in Berlin, Bremen, Breslau, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Elbing, Erfurt, Frankfurt am Main, Friedrichshafen, Hamburg, Hannover, Konstanz, Königsberg (Pr.), Leipzig, Liegnitz, München, Nürnberg, Oppeln, Stettin und Stuttgart. Alle waren mit Empfangsanlagen und je einem 1 kW Sender (ARS 78) ausgestattet. Zentralstation war Berlin mit 4 Sendern im HTA und 16 Sendern in Königs Wusterhausen. Die 20 Empfangsantennen waren in der Hauptempfangsstelle Zehlendorf zusammengefaßt.
Als Verwaltungsordnung diente die am 1. April 1905 erlassene „Vorschrift für den Gebrauch der Funkentelegraphie im öffentlichen Verkehr“. Hierzu sei vermerkt, daß das Funkwesen im Fernmelderecht dadurch stets eine Sonderstellung einnahm, daß alle Bestimmungen nur als Verordnungen ergingen. Bis 1945 nahm lediglich das Gesetz gegen Schwarzsender eine Ausnahmestellung ein. Wegen der schnellen Akzeptanz des Telefons und des Einsatzes von Typendruckern (650 Buschtaben je Min.) verlor der Städtefunk ab 1922 wieder an Bedeutung. Am 7. Juni 1924 wurde er eingestellt, danach diente er noch einige Jahre der Flugsicherung.

Europa-Funk
Durch die Entwicklung von Röhrensendern und die Gittertastung war es zwischenzeitlich möglich, innerhalb von Europa ganztägig sicher die Morsezeichen zu empfangen. Voraussetzung für die Nichtbeeinflussung des gleichzeitig kommenden und gehenden Telegrafiebetriebes, also für den Duplexbetrieb, war die räumliche Trennung der Sende- und Empfangsanlagen. Die Post hatte dem Rechnung getragen durch den Bau einer Funkempfangsanlage in Berlin-Zehlendorf. Zum Zeitpunkt deren Inbetriebnahme am 21. Juni 1921 bestanden bereits drei Funklinien. Seit Juli 1919 mit Moskau, seit Juni 1920 mit Bukarest und seit Juli 1920 mit Budapest. In kurzen Abständen erhöhte sich diese Zahl auf 16. Die nachstehende Tabelle zeigt den Zugang der Stationen sowie deren Hauptrufzeichen.

Moskau 31.07.1919
RKA
Wien 28.12.1923
OEW
Sofia 01.10.1929
LZB
Bukarest 06.06.1920
YOA
Riga 03.03.1924
YLQ
Vatikan 01.07.1931
HVJ
Budapest 04.7.1920
HAR
Belgrad 20.11.1924
YTB
Helsinki 02.01.1932
OHA
Madrid 19.05.1921
EAM
Lissabon 05.01.1927
CUE
Rom 01.08.1933
IRE
Barcelona 01.11.1921
EAB
Istanbul 04.10.1927
TAG
Tallin 04.05.1923
ESA
Zagreb 01.09.1929
YTZ
Hauptrufzeichen der Königs Wusterhausener Europafunk-Sender waren DKD, DKJ, DOC. Alle vorstehend aufgeführten Funklinien dienten dem öffentlichen Telegrammverkehr. Lediglich Moskau machte von 1919 bis zum Frühjahr 1924 eine Ausnahme, es ließ in dieser Zeit nur Staatstelegramme zu. Durch das ab 1925 eingesetzte übertragungssichere Creedsystem wurde Schreibempfang mit Undulator die Regel.

Überseefunk
 Frühe Erfahrungen in der Überbrückung weiter Entfernungen mittels Langwellen hatten deutsche Techniker schon ab 1911 mit den Großfunkstellen „Nauen“ und „Kamina“ (Togo) gewonnen. Mit dem ab 1913 aufgenommenen privaten Telegammverkehr zwischen den USA (Sayville bei New York) und Deutschland lagen auch betriebliche Erkenntnisse vor. Mit dem Kapital der seit 1903 bestehenden Firma „Telefunken“ wurde am 21. Januar 1918 die „AG für drahtlosen Überseeverkehr“ gegründet. Gegenstand dieses Unternehmens war der Betrieb von Einrichtungen für den telegrafischen Verkehr im In- und mit dem Ausland. Zur Erfüllung dieser Aufgabe stützte sich die Gesellschaft auf die Großfunkstelle im havelländischen Luch bei Nauen. Mit der 1913 von der Firma Homag errichteten Großfunkstelle „Eilvese“ bei Hannover verfügte das Deutsche Reich zwar noch über eine zweite Station, diese erreichte aber nie die Bedeutung von Nauen. Beide arbeiteten anfangs im Wechselverkehr, d. h. die Antennen mußten jeweils von Hören auf Geben umgeschaltet werden. Wegen des ab 1919 möglichen Diplexverkehrs wurden für Nauen in Geltow und für Eilvese in Hagen abgesetzte Empfangsstationen errichtet.
In das Jahr 1919 fällt auch der eigentliche Beginn des kommerziellen Überseefunks. Die RCA hatte dazu am 23. Juli 1919 den Anstoß durch den lakonischen Funkspruch gegeben:

„Will you accept commercial messages from us?“

Die Hagener Empfangsstation war für den Empfang der amerikanischen Gegenstation in Tuckerton mit 2,5 km langen Eindrahtantennen ausgestattet. In Eilsvese wurden die Sender abwechselnd von Berlin und Hamburg getastet. 1921 beteiligte sich die „Drahtlose Überseeverkehrs AG“ mit 60% am Kapital der neu gegründeten „Eilvese GmbH“ und übernahm auf Pachtbasis die Großfunkstelle Eilvese sowie den gesamten betrieblichen Bereich des Überseefunks. Rechtsnorm dafür war ein Vertrag vom gleichen Jahr mit dem Reich, der die Klausel enthielt, daß die DRP ab 1. Januar 1932 das Recht habe, die technischen Anlagen beider Gesellschaften sowie die dazugehörigen Betriebszentralen käuflich zu erwerben. Die Annahme und Zustellung von Telegrammen blieb der Post vorbehalten. Für Eilvese und die Betriebszentrale in Hamburg wurde die Konzession schnell bedeutungslos. Der gesamte Betriebsdienst wurde am 14. Juni 1932 zentralisiert, in Räume des Postfuhramtes Berlin verlegt und die „Drahtlose Überseeverkehrs AG“ am 12. Oktober 1923 handelsgerichtlich umgeschrieben in „Transradio AG“. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesellschaft nur zwei Partner in Übersee, das waren New York seit dem 23. Juli 1919 und Kairo seit dem 15. März 1923. Der Betriebsdienst wurde von ehemaligen Funkoffizieren der Debeg und von beurlaubten Beamten des HTA wahrgenommen. Auf Grund eines Angebotes der Post hatten sich die Beamten des HTA unter Wahrung ihrer Rechte zu der Privatgesellschaft abordnen lassen. Das Postinteresse an dieser Ausleihe war groß, denn der verlorene Krieg, das verkleinerte Reich und die zurückgekehrten Soldaten hatten einen erheblichen Personalüberhang zur Folge. Nach Ablauf der dreijährigen Beurlaubung konnten die Beamten zwischen dem Verbleib bei der Transradio als Angestellte oder der Rückkehr in den Postdienst wählen. Die meisten verblieben bei der Privatgesellschaft.

Funksendeplatz beim HTA Berlin, 1940
Dank der privatwirtschaftlichen Initiative der „Transradio AG“ nahm der außereuropäische Telegrammverkehr eine ähnlich gute Entwicklung wie der Europafunk. Selbst die Inflationszeit, die 1923 mit Milliardenbeträgen pro Wort ihren Höhepunkt erreichte, konnte die Telegrammflut kaum stoppen. 1924 normalisierten sich die Verhältnisse wieder. Bis in die Sommermonate nahm das Verkehrsaufkommen nach Übersee so zu, daß es von der „Transradio AG“ zeitweise allein nicht mehr bewältigt werden konnte, von den täglich anfallenden 1500 bis 2000 Telegrammen wurden dann ca. 300 auf dem Kabelweg übermittelt. Zu den Verkehrssteigerung trugen wesentlich die zwischenzeitlich neu geknüpften Funkverbindungen mit Buenos Aires (ab 16.07.1924) und Batavia Zentrum (ab 10.02.1925) bei.
Den Personalbedarf deckte die „Transradio AG“ ab 15. Mai 1925 (Kursus 1) durch eine gemeinsam mit der Debeg in Berlin, Belle-Alliance-Straße 6, betriebene Funkschule. In neunmonatigen Lehrgängen wurden je Kursus (der 2. Lief 1926, der 3. 1927, der 4. 1928 und der 5. 1929) 25 Teilnehmer nach Vorgaben der Reichspost ausgebildet. Während der Ausbildung hatten die Anwärter 65.- RM Schulgeld zu zahlen, sie mußten die Obersekundareife haben, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie ein ärztliches Eignungsattest beibringen, und sie durften nicht älter als 21 Jahre sein. Die neunmonatige Ausbildung wurde mit der praktischen Prüfung abgeschlossen, nach deren Bestehen die theoretische Ausbildung mit einer Abschlußprüfung beim RPZ folgte. Im Gegensatz zum Europafunk mit 8 Touren, sah der Überseefunk bei einem Wochenleistungsmaß von 48 Stunden 4-tägigen Tourendienst vor.
1. Tag 13 – 21 Uhr, 2. Tag 07 – 13 Uhr   und 21 – 24 Uhr, 3. Tag 00 – 07 Uhr, 4. Tag 14 – 22 Uhr. 
Während des Jahres zahlte die „Transradio AG“ den Funkgehilfen 50% vom Anfangsgehalt, das 216.- RM betrug und maximal bis auf 421.20 RM steigen konnte. Nach bestandener Hauptprüfung konnte jeder Angestellte eine Zusatzprüfung ablegen und wurde danach entsprechend seiner Leistung (nach dem Leistungsprinzip der RCA) in eine der drei Leistungsstufen des Haustarifs eingestuft. Maximal wurden gefordert: Fehlerhaftes Morsehören = 30 Wörter/min, Niederschrift mit der Schreibmaschine und 25 Wörter/min, Niederschrift mit der Hand, Recorderlesen 45 Wörter/min, Handsenden 25 Wörter/min, Stanzen 40 Wörter/min, Klopferhören 20 Wörter/min. Ausgang der 20er Jahre brachte der Einsatz von Kurzwellen eine größere Übertragungssicherheit im Verkehr mit den Überseestationen. Der erste amerikanische Sender auf Kurzwelle war die Station „WGH“. Die schnelle Beherrschung der unterschiedlichen Ausbreitungscharakteristiken der Kurzwellen durch die Tag-Nachtunterschiede, der Einsatz von Richtantennen (Raumdiversity) in Verbindung mit Doppelrecordern (die die Zeichen eines ausländischen Senders von zwei voneinander entfernten Antennen erhielten), um so Schwunderscheinungen auszugleichen, machten schließlich die Übertragungsergebnisse so gut, daß Umleitungen über Kabel oder Verkehr mittels Langwellen kaum noch notwendig wurden. Lediglich die ersten Kurzwellenempfänger hatten Tücken. Bat der Betriebsbeamte um ein Nachstellen der Empfänger, so genügte oft die Körperkapazität des Beamten in Beelitz, um den Empfang zu verbessern. Wegen Platzmangel verlegte die „Transradio AG“ am 1. Juni 1931 ihre Betriebszentrale in das Haupttelegrafenamt Berlin. Zwischenzeitlich waren folgende neue Gegenstationen hinzugekommen:

Rio de Janeiro 03.05.1926 Bangkog 15.01.1929 Mexiko 05.08.1929
Manila 10.08.1927 Santiago de Chile 01.04.1929 Teheran 26.10.1930
Mukden 05.02.1929 Osaka 21.04.1929 Shanghai 06.12.1930
Der Umzug bedeutete aber auch Beginn der Übernahme des gesamten Überseefunks (mit 22 Sendeplätzen und 44 Empfangsplätzen) durch die DRP. Daß diese mit dem 1. Januar 1932 den frühesten Termin, den ihr der Vertrag von 1921 einräumte, wahrnehmen würde, ging bereits aus dem Haushaltsplan der DRP für 1928 hervor, von dem ab Rücklagen für den Erwerb des Überseefunks ausgewiesen waren. Entscheidend für den Beschluß des Reiches, den Überseefunk selbst wahrzunehmen, waren wirtschaftliche Gründe. Die DRP hatte der „Transradio AG“ und der DAT vertraglich Mindesteinnahmen garantiert. Daraus erwuchs eine dauernde Zuschußwirtschaft. Nach Ansicht der „Transradio AG“ wäre eine Fusion mit der DAT effektiver für den Verkehrsfluß gewesen. Voraussetzung dafür wäre aber wieder eine Reichsgarantie für Mindesteinnahmen und die vorherige Sanierung beider Gesellschaften gewesen. Die aber hätte die DRP tragen müssen.
Mit dem Erwerb der Anlagen war die Verpflichtung verbunden, das bewährte Betriebsteam des privaten Funks als Angestellte in den Reichsdienst zu übernehmen. Für die Ausbildung des Nachwuchses hatte die DRP nunmehr selbst zu sorgen. Die Funkschule der „Transradio AG“ war bereits Anfang 1931 geschlossen worden. Die Debeg bildete ihre „Bordfunker“ nun in einer eigenen Schule in Hamburg aus. Am 29. Dezember 1933 forderte der Reichspostminister die OPD Berlin auf, 40 Kräfte baldigst einzustellen. Für deren Ausbildung wurde das Telegrafenschulamt (TSA) in der Magazinstraße 8 – 11 bestimmt. Die ersten 20 Lehrgangsteilnehmer wurden im April 1934 einberufen, weitere 20 im August des gleichen Jahres. Von den damit neu ausgebildeten 40 Funkeleven gingen im September 1935 24 zum Luftamt Berlin zur Reichsflugsicherung. Da wegen dieser Personalreduzierung der HTA-Bedarf ungedeckt blieb und immer neue Gegenstationen mit dem HTA funktelegrafisch verbunden wurden
Aracay 01.07.1931 Hsinking 01.09.1933 Chengtu 26.11.1937 Lima 16.05.1938
Beirut 23.08.1931 Las Palmas 19.08.1936 Bogota 02.05.1938 Kabul 06.03.1940
herrschte im Funk praktisch immer Personalmangel. Aus den ersten vier Kursen wurden bis 1944 insgesamt 60, von denen die beiden letzten kriegsbedingt nicht mehr zu Ende geführt werden konnten.
Als bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die deutschen Überseekabel (wie 1914) von den Briten gekappt wurden, schwoll der Funkverkehr – trotz des Abbruches vieler internationaler Wirtschafts- und Privatbeziehungen noch einmal gewaltig an, nicht zuletzt durch die in Krisenzeiten zahlreichen, stets mit Vorrang zu behandelnden und äußerst umfangreichen chiffrierten Staatstelegramme. Erst das Eingreifen der USA in das Kriegsgeschehen (11.12.1941) ließ das Telegrammaufkommen erheblich sinken. Letzte Gegenstation des kommerziellen Überseefunkes war bis zum 23. April 1945, dem Tag der Einnahme Nauens durch die Rote Armee, Osaka. Bis zur Wiederaufnahme des deutschen Überseefunkes sollten 2 Jahre und 6 Monate vergehen.

Sonderdienste
Unter diesen Sammelbegriff fielen zwischen 1920 und 1945 Funkdienste für folgende Körperschaften:
Continental Telegraph Compagnie Wolffs Telegrafen-Büro AG, Berlin-Charlottenburg (Parlamentberichte, 1920 – 1933),
Telegraphen Union Internationaler Nachrichtendienst GmbH, Berlin-Kreuzberg (Wirtschaftsnachrichten, bis 1933),
Sozialdemokratischer Pressedienst, Berlin-Kreuzberg, Union Sport Verlag GmbH, Berlin-Mitte, Pressefunkdienst,
Deutscher Wirtschaftsfunkdienst,
Deutsche Hochseerundfunk GmbH, Hamburg (Wettermeldungen für die deutsche Flotte, Fischmarktberichte und Bunkerkohlenpreise),
Wetterdienst (für den zivilen Flug- und Schiffsverkehr),
Funkpeilstellen,
Deutsches Nachrichtenbüro (DNB), Berlin-Mitte. (Es versorgte das Auswärtige Amt und während des Krieges die militärischen und politischen Sonderzüge und das Oberkommando des Heeres mit Informationen.)

Ab Mitte der 30er Jahre erlangte die „Transocean GmbH“ die größte Bedeutung. Ihre Aufgabe war es, Nachrichten in deutscher, englischer und französischer Sprache über Wirtschaft, Politik und Sport in überseeische Länder und den Hochseeschiffen für deren Bordzeitungen zu senden. Um Nauen zu entlasten, errichtete die Gesellschaft in Remate bei Niederbarnim eine eigene Sendestelle. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, die ein besonders hohes Aufkommen an Presseberichten erwarten ließen, und an deren reibungsloser Übermittlung die DRP größtes Interesse hatte, übernahm die DRP die Anlage mit einem 100-kW Sender, vier 50-kW- und drei 10-kW-Sendern, 11 Dipolantennen, 6 Rundstrahlern, 2 Vertikalstrahlern und einer Rhombusantenne.


Dieser Bericht erschien unter dem Titel 
Die technische, betriebliche und personelle Entwicklung der deutschen Funktelegrafie“
in der Zeitschrift „Archiv für deutsche Postgeschichte“, Heft 2/1990, im Original und wurde hier auszugsweise abgedruckt. 
In der AGCW-Info 1/99 folgt der zweite Teil: „Die Funktelegrafie nach 1945“.

Nachwort:
Wir danken dem Autor, Herrn Hans Höher, sowie der Gesellschaft für deutsche Postgeschichte e.V. für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck. Dank gebührt auch unserem Mitglied Franz Matschl-Uhlig, DD3FMA, AGCW-DL #2306, der diesen Beitrag einsandte.
Zur Seefunk-Homepage
Version 11-oct-99 / Rev.: 25-May-08 / 11-Jun-11 / HBu