Eine Reise mit vielen Überraschgungen
Eine Reise vom Kontinent um das Kap der Gute Hoffnung zum Persischen Golf
nach der Suezkrise im Jahre 1968 aus Sicht eines Funkers.
Aufgeschrieben von Rolf Marschner, DL9CM

Schneesturm, Minustemperaturen, Ostwind, gerade aus Flensburg kommend bin ich in Hamburg eingetroffen, um wieder auf der „Ockenfels“ / DLCD einzusteigen. Es ist saukalt!  Bevor ich jedoch mit einem Taxi an Bord fahre, suche ich noch nach einem Buchladen um mich für die Reise einzudecken. Mal ehrlich, ich weiß nicht, wie Sie es als Funkoffizier (FO) empfunden haben, für mich war der Abschied abgehakt. Ich wußte meine Familie in guter Obhut und jetzt war wieder „Tastfunk“ angesagt, d.h. ich freute mich auf eine neue Reise und auf meine Arbeit. An Bord angekommen, dauerte es nicht mehr lange, bis das Schiff auslaufen sollte. Wir hatten Stückgut geladen und sollten nach Bremen fahren. Schnell noch ein Gespräch über Hamburg Radio auf UKW, um meiner Frau mitzuteilen: „Ich bin gut angekommen, schon an Bord, und alles ist OK!  Tschüss mein Schatz bis in vier Monaten!“

Nach dem Ablegen war es mir sehr wichtig, so schnell wie möglich die Antennen aufbringen zu lassen, für eine schnelle Arbeit ließ ich mich auch nicht lumpen, die Matrosen erhielten für jedes Aufholen eine Buddel „Becks“ von mir. Auf der „Ockenfels“, einem sogenannten „Picasso“-Dampfer, waren die Mittelwellen-Sendeantennen vom vorderen Mast zur Bugspitze gespannt, d.h. beim Laden und Löschen brauchten sie nicht herab genommen zu werden. Dagegen waren die KW-Sende- und Empfangsantennen vom Ausgang der FT-Station zu den ersten beiden Schwergutpfosten gespannt, sie mußten während des Lade- und Löschbetriebes heruntergenommen werden. Während dieser Zeit lagen sie aufgerollt und sauber an Deck verstaut, um eine Beschädigung zu vermeiden. Noch schnell einen Blick zur Seefahrtschule hoch, wo, so hoffte ich jedenfalls, jetzt alle zukünftigen OM’s uns sehen würden. Nach dem Passieren von Schulau setzte ich eine TR-Meldung an „Norddeich Radio“ ab, es lag nichts vor und somit hatte ich nichts anderes zu tun, als die Seenot- und Anruffrequenz 500 kHz zu beobachten. Am nächsten Tag lagen wir in Bremen und übernahmen weitere Ladung. Herr Mügge, unser Funkinspektor, dem ich einen kurzen Besuch abstattete, lud mich in  sein Rekrutierungsbüro am Marktplatz ein, wo wir beide eine Tasse Kaffee tranken und über Gott und die Welt sprachen. Von Bremen ging es weiter über Rotterdam nach Antwerpen. Als wir das Weser-Feuerschiff passiert und den Lotsen abgesetzt hatten, nahm ich die Wetterberichte - sie kamen so schön in zeitlicher Reihenfolge -, erst von DAN, dann von PCH, von OSA, GNI und GLD. Damit hatte ich alles abgedeckt, der Kapitän hatte eine Vorhersage für alle Gebiete die vor uns lagen, und immer wenn wir aus einem Seegebiet heraus waren, entfiel auch der dazugehörige Wetterbericht. Ab Ausgang des Englischen Kanals, bis zur Iberischen Halbinsel nahm ich den Bericht von „Landsend Radio“/GLD, dann folgte der WX von „Monsanto Radio“/CTV. Wer kennt nicht schon den Text, meistens hatte er den gleichen Wortlaut, „light to gentle breeze“ usw., hätte man einen in der Konserve gehabt, einen für den Sommer und einen für den Winter, man hätte nur das Datum ändern brauchen. Das Wetter hatte sich erheblich verbessert, es war hier schon richtig warm. Der Dienst ist geprägt von Routinearbeit, morgens und abends den Wetterbericht aufnehmen, mittags das Zeitzeichen von DAN, eintragen des Mittagsstandortes und um 13:30 GMT die große „tfc list“ mitschreiben. Ansonsten die Anruf- und Notfrequenz 500 kHz beobachten, besonders während der Seenotpausen von x-Uhr 15-18 und x-Uhr 45-48. Von 16:15 bis 17:15 GMT kommt die Presse von „Norddeich Radio“. Abends auf der letzten Wache nehme ich an der „Hansa“-Periode teil, eine willkommene Abwechslung, hört man doch, wo Schiffe der „Hansa“ sind und ob sie einem entgegenkommen, außerdem werden die sogenannten „Offizierslisten“ ausgetauscht und in ein kleines Vokabelheftchen eingetragen. Wer fährt jetzt wo, ist er schon befördert worden oder noch nicht. Letztgenanntes ist hauptsächlich wichtig für die Nautiker und Ingenieure, sie nahmen bei jeder Gelegenheit Einsicht in das Heftchen. Ungefähr ab Höhe Gibraltar kommt schlechtes Wetter auf, ein Wetter, das ich so in diesem Seegebiet noch nicht erlebt habe. Wind in Sturmstärke, verdammt rauhe See. Die „Ockenfels“ hat übereinandergestapelt Röhren von Mannesmann an Deck liegen, außerdem haben wir wieder vollgeladene „Hansa“-Bargen an Deck. Wir müssen mit der Nase gegen den Wind einige Tage gen Westen fahren. Die See kommt so an Deck, daß die Ladung verrutscht, sie bleibt allerdings an Deck liegen. Nachdem sich der Sturm gelegt hat, fahren wir westlich um die Kanarischen Inseln herum und müssen Dakar als Nothafen anlaufen, um alles wieder richtig zu stauen. „Dakar Radio“/6VA, das Rufzeichen ist gut zu geben, hört mich sofort auf KW, aber auch bei dieser Funkstelle tat man gut daran, sofort nach der „tfc list“ zu rufen. Dann war sie nämlich nur für kurze Zeit QRV. Nachdem die Decksladung wieder vernünftig gestaut ist, geht es weiter Richtung Süden. Wir kommen jetzt in ein Gebiet, wo es für eine kurze Zeit keinen Wetterbericht in englischer Sprache gibt, bis man in den Bereich von „Kapstadt Radio“/ZSC kommt. Der Hochseewetterbericht beginnt beim Äquator und besteht aus zwei Teilen, Teil 1 ist der Küsten-, Teil zwei der Hochseewetterbericht. Das erste Vorhersagegebiet für uns ist Ascension, der Wetterbericht von Kapstadt kommt pünktlich und wird auf fast allen KW-Bändern gesendet, so daß man ihn gut empfangen kann. Er endet mit dem Bereich der Straße von Mosambik. Ich nehme in von jetzt ab täglich zweimal, bis wir an Madagaskar vorbei sind und dann der Bericht von „Mauritius Radio“/3BM kommt. Manchmal begann er mit den folgenden Worten: „Good Afternoon to all Seaman and Landlubbers“. Da ich auch von diesem Schiff wieder Wettermeldungen (OBSE) absetze, höre ich auch meinen speziellen Freund von „Walvisbay Radio“/ZSV wieder, gesehen haben wir uns nie, aber wir kennen uns von der Taste. Die Rufzeichen DEER, DEET und DEJM „verbinden uns“. Waren wir weit von der Küste entfernt, sendete ich meine OBSE über Kurzwelle an „Simonstown Radio“, ich erinnere mich noch gut, auf der „Lichtenfels“/DEET von Goa nach Europa, schickte ich ungefähr zwischen Ausgang Mozambik-Kanal und Durban ein OBS an ZSQ. Der OM der Küstenfunkstelle fragte mich, ob ich nicht Interesse hätte, dort zu arbeiten. Ein Haus würde man mir sofort zur Verfügung stellen. Was mich hinderte dort anzufangen, war in erster Linie meine Frau, in zweiter Linie die Apartheitspolitik, oder sollte ich hier vielleicht doch lieber die Reihenfolge ändern? Zwei Tage vor Kapstadt hatten wir wieder ziemlich rauhe See, aber wie so oft in diesem Seegebiet, schien die Sonne dabei. Auf den „Picasso“-Schiffen war die Funkbude nicht nur sehr klein, sondern auch noch ein Stockwerk höher als die Wohnkammer. Man ging also richtig „auf Arbeit“. An seinem Tisch sitzend, hatte man rechts in Reichweite die Sender stehen, links die Empfänger.

Die Senderseite der FT-Station  auf der „Ockenfels“
Bei rauher See, die Brücke stand ganz vorne, fast auf der Back, fuhr man wie in einem Fahrstuhl, immer hinauf und hinunter. Das war sehr gewöhnungsbedürftig, ja im wahrsten Sinne Wortes: „Zum Kotzen!“ Bekamen wir gleich zu Anfang der Reise schlechtes Wetter, ging es mir meistens sehr schlecht, später gewöhnte ich mich daran. Kam die See von vorne, und der Bug stieß mit lautem Krachen in ein Wellental hinein, übernahmen wir viel Wasser, die Mittelwellenantennen waren voller Meeressalz und die Abstrahlung ging ziemlich schnell herunter. Es war daher immer gut, wenn es irgendwann regnete, damit dieses Salz wieder abgewaschen wurde. Dieses „Fahrstuhlfahren“ hatte mein Kollege auf der „Marienfels“/DLBH, ein Schwesterschiff der „Ockenfels“ mal mit 4m/sek gemessen. Haben Sie jetzt eine bessere Vorstellung davon? In Kapstadt hielten wir nur kurz, um die Post zu übernehmen, unsere „ETA“-Meldung hatte ich rechtzeitig über ZSC geschickt. Die Übergabe klappte schnell und schon waren wir wieder unterwegs in Richtung Durban und weiter zum Mozambik-Kanal. Herrschte hier schlechtes Wetter, hörte man garantiert irgendwann Sicherheitsmeldungen (TTT-Meldungen) von Schiffen, die angekündigten, daß irgendwo Baumstämme im Wasser trieben. Sie brachen einfach durch Unterspülung an der Küste von Madagaskar ab und fielen ins Meer. Hauptsächlich im Norden der Insel war dies der Fall. „Mauritius Radio“/3BM, heute wie alle anderen durch das GMDSS ersetzt, sendete pünktlich seinen Wetterbericht, begann aber vorher immer mit der Bitte, OBSE pünktlich und kontinuierlich zu senden, damit sie mit in die Wetterberichte einbezogen werden konnten. Schiffe, die den Persischen Golf ansteuerten, mußten an der Golf-Periode der Hansa teilnehmen. Das heißt, ein Schiff an der Pier in Khorramshahr fungierte als Küstenfunkstelle und vermittelte die Telegramme aller sich im Golf befindlichen Schiffe. Die Hauptagentur der „Hansa“ befand sich in Khorramshahr. Diese Golfperiode wurde auf 4 MHz, 8 MHz und 12 MHz durchgeführt. 1967 während des Krieges zwischen Israel und den Arabischen Staaten, wurde eine zusätzliche Periode auf 16 MHz eingeführt, um den Schiffen, die um Afrika herumfuhren, die Möglichkeit zu geben, sich schon einmal formlos zu melden. Ich selbst habe als Stationsschiff oft diesen Funkverkehr durchgeführt. Jeder Funker hatte natürlich den Ehrgeiz, sich schon von weit her zu melden, manche gaben schon ihren QTH, als sie Kapstadt passiert hatten. Das funktionierte auch hervorragend. Wir befinden uns zwischenzeitlich schon im Indischen Ozean zwischen den Seychellen und Sokotra. Auf der Insel Sokotra so sagte man, soll es noch Piraten geben, ich habe in dem Seegebiet davon nie etwas bemerkt. Trotzdem weiß ich heute, daß es tatsächlich Fälle gegeben hat, und Schiffe auf gemeinste Art angegriffen worden sind. Die Piraten ließen sich irgendwo treiben, und wenn ein Schiff in ihre Nähe kam, signalisierten sie Motorschaden oder Kraftstoffmangel. Kam ihnen das Schiff zur Hilfe, schossen sie einfach drauflos. Kurz vor Einlaufen in den Golf von Oman nahm ich den Wetterbericht von „Karachi Radio“/ASK, dieser Wetterbericht umfaßte die Seegebiete vom Arabischen Meer über den Golf von Oman bis zum Persischen Golf. Die Hansa-Schiffe bedienten fast alle Häfen im Persischen Golf, fuhr man nach Khorramshahr oder Basrah (Iraq), wurde in Outer Bar der Lotse an Bord genommen, der uns dann den Shatt el Arab bis hinauf an die Pier in Khorramshahr, oder in den Hafen von Basrah brachte. War das Schiff für Basrah bestimmt, mußte man in Outer Bar ein Telegramm an den Hafenkapitän bzw. an die Gesundheitsbehörde Basrah schicken, in dem u.a. folgendes stand:

„.... no syphilis, no gonorrhea, no smallpox, no yellow fever, no chinese on board“.

Es kam vor, daß in Khorramshahr gleich mehrere Schiffe der Reederei hintereinander an der Pier lagen, das war immer sehr interessant, denn man hatte ausgiebig Zeit, mit den Funkkollegen zu sprechen, oder etwas zu unternehmen. Der Shatt e Arab besteht aus den Flüssen Euphrat und Tigris, die sich vereinen um gemeinsam in den Persischen Golf zu münden. Das heißt die Pier in Khorramshahr lag direkt am Fluß. Waren viele Schiffe dort, so konnte es sein, daß einige von ihnen mitten im Fluß vor Anker lagen und darauf warteten, an die Pier zu kommen. Schiffe, die von der Pier ablegen wollten, fuhren an den Ankerliegern vorbei bis sie einen freien Platz hatten, auf dem sie wenden konnten. Man warf den Anker, und ließ sich einfach von der Strömung drehen, nahm den Anker wieder auf und fuhr den Fluß wieder hinunter. Nachdem wir die Ladung gelöscht hatten, machten wir es genau so. Als wir an den Ankerliegern vorbeifuhren, kollidieren wir mit einem von Basrah kommenden „Kümo“, der vollkommen gegen alle Regeln verstoßend, plötzlich zwischen den vor Anker liegenden Schiffen auf die linke Seite hinüberfuhr. Wir haben an Backbordseite ein Loch in der Vorpiek und verlieren Frischwasser. Nach dem Wenden auf dem Fluß, fahren wir zum Bunkern nach Abadan weiter. Hier wird dann auch der ganze Papierkram der Kollision erledigt. Beim Ablegen in Abadan, die Strömung ist wohl ziemlich stark, außerdem wird wohl die Leine nicht zum richtigen Zeitpunkt losgemacht, krachen wir achterkante Backbordseite gegen die Pier, Ergebnis: ein cirka 2 m langes und 1 m breites Loch. Wir gehen vor Anker und notdürftig wird eine Stahlplatte über das Loch geschweißt. Natürlich wird aus Zeitgründen diese schwarze Platte nicht erst grau angestrichen. Unser nächster Hafen ist Dubai, ein Reedehafen. Hier sollen wir u.a. leere „Hansa“-Pontons an Deck nehmen um sie zurück nach Bremen zu bringen. Sie werden von einem Schlepper aus dem Hafen zu uns gebracht. Da der Schlepper gleich mehrere dieser Pontons schleppt und keinen genügend großen Bogen um unseren Bug macht, kollidiert einer dieser Pontons mit unserem Schiff. Wieder reißt es ein Loch in den Bug, dieses Mal an der Steuerbordseite. Wir erhalten daraufhin die Order, in Karachi in die Werft zu gehen. Während der Werftliegezeit, es sind genau acht Tage, bin ich nur QRV auf UKW, denn in diesem Hafen ist das Senden verboten. Trotzdem kann ich anderen Hansa-Schiffen die auf der Reede liegen über UKW Informationen der Agentur übermitteln. Bei „Norddeich Radio“ hatte ich den Blindfunk angemeldet, höre also nur diesen „Einseitigen Dienst“ ab und nehme nachmittags die Funkpresse. Die Stahlplatte, die in Abadan notdürftig angeschweißt worden war, wird hier noch einmal herausgenommen und besser verschweißt. So fahren wird dann nach acht Tagen Richtung Heimat, vorher sollen wir jedoch noch Benghazi anlaufen um dort Ladung zu übernehmen. Auf der Rückreise passiert nichts außergewöhnliches, treffen wir unterwegs ein anderes „Hansa“-Schiff, dann fragen die Nautiker uns immer: „Was habt ihr denn da hinten an der Bordwand?“ Wir entgegnen dann „wo, wir sehen nichts!“
Benghazi: Bekam man seinen Liegeplatz ganz an der Innenpier, so lief man in den Hafen ein und wurde von zwei Schleppern ganz langsam an die Pier gedrückt. Beim Auslaufen wurde das Schiff von der Pier weggezogen, kurz vor der Einfahrt langsam gedreht und konnte dann auslaufen. Wir hatten beim Auslaufen einen Lotsen an Bord, der wie so oft bei diesen „Picasso“-Schiffen, nur einen kurzen Bug mit dem Steuerstab vor sich hatte, aber das lange Schiff hinter sich nicht beachtete. Ergebnis, er drehte viel zu schnell und unser Heck rauschte mit der Schraube über die Mole. Ergebnis: Wir gingen auf der Reede vor Anker und ließen einen Taucher kommen, der uns mitteilte, daß kein Flügel gebrochen, aber zwei zum Teil verbogen seien. Wir konnten unsere Heimreise damit fortsetzen. Wenn man von einer ca. vier Monate langen Reise zurückkam, dann empfand man die Arbeit der europäischen Küstenfunkstellen als sehr wohltuend. „Landsend Radio“/GLD, diese Funkstelle war vor allem nachts schon von weitem zu hören, kündigte mit ihrem markanten Ton die ersten Heimatgefühle an. Heute denke ich manchmal, es wäre eine schöne Geste gewesen, hätte man dieser Funkstelle mit einem SVC dieses auch mal gesagt. Wo das Schiff in die Werft ging, entzieht sich meiner Kenntnis, denn ich ging für einige Tage in Urlaub und wurde dann von Herrn Mügge auf dem Semi-Containerschiff „Gutenfels“/DEAQ, das im neueingerichteten Container-Dienst zwischen dem Mittelmeer, Lissabon und der Ostküste der USA fuhr, eingesetzt. Doch davon später!
Hasta Luego 73 .-.-. +


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Version: 24-Feb-01 / Rev.:13-Jun-11 / HBu