|
Auf den Tischen ist die Empfangsanlage untergebracht. Ganz rechts steht ein Langwellenempfänger Telefunken E 360 (10 - 1000 kHz), ein 1938 schon recht betagtes Gerät das ab 1926 hergestellt wurde. Ganz links auf dem Tisch steht ein Kurzwellenempfänger E390 Gr, den Telefunken ab 1936 herstellte. Auf dem Foto nicht sichtbar befindet sich in der Station noch ein Allwellenempfänger Telefunken E381H (10 kHz bis 20 MHz). Im Kartenhaus neben der Brücke steht noch ein Funkpeiler E374 N. Mit dieser Funkstation hätte man im Frieden bei einem Seenotfall am Abend in der winterlichen Ostsee (ufb Ausbreitungsbedingungen für 500 kHz) jede See- und Küstenfunkstelle in Europa alarmieren und um Hilfe rufen können! Es kam anders . . . weil eine der oben angeführten Bedingungen nicht erfüllt war: Es herrschte nicht Frieden sondern Krieg! |
|
"Das Bild des Krieges hat zwei Seiten. Das eine zeigt den Sieger, den Befreier, den Unschuldigen. Das andere den Besiegten, den Befreiten, den Schuldigen. Doch Täter und Opfer, Unschuldige und Schuldige, gibt es auf beiden Seiten. Die Versenkung der "Wilhelm Gustloff" gibt ein Beispiel dafür." Bei der Suche nach Hinweisen auf Funkverkehr vor und nach diesem katastrophalen Seenotfall ergaben sich nur wenige und sich zum Teil widersprechende Aussagen: Herr Johann Fuchs, überlebender Funker der "Wilhelm Gustloff" berichtet über den 27. Januar 1945: "Wir übernahmen inzwischen die Funkstelle, die sich am Brückendeck oben befand und hielten dort abwechselnd Wache. Ich sehe heute noch die Kommandobrücke, die Signalräume und die Funkräume vor mir."[²] Herr Heinz Schön, Überlebender der Katastrophe und damals als (ziviler) Zahlmeisterassistent der Hamburg-Süd an Bord, berichtet mir in einem Telefongespräch am 24.01.2007: "Ich habe in den letzten Nächten der "Gustloff" in einer Funkerkammer geschlafen, es waren keine zivilen Funker an Bord. Es war auch keine Funkstation mehr an Bord . . . die war schon lange lange ausgebaut. Ein Unterbringungsschiff benötigt doch keine Funkstation! Für die Fahrt über die Ostsee nach Kiel und Flensburg kamen Marinefunker mit einem 'Rucksackgerät' (Tornister-Funkgerät?) an Bord. Dieses UKW-Gerät (!) reichte nur 2000 Meter weit." Zwischen dem Auslaufen von Gotenhafen und der Katastrophe wird von zwei "Funksprüchen" berichtet: quote[¹] Auf Höhe der Halbinsel Hela erhält die Gustloff über Funk den Befehl zu ankern und die Mitteilung, daß in Gotenhafen 2 Torpedoboote eingetroffen seien, die noch Brennstoff bunkern müssen und dann zur "Gustloff" auslaufen sollen. Auf ihrem Weg muß ein Boot wegen eines Schadens umkehren. So bleibt lediglich das Torpedoboot "Löwe" als Geleitschutz. Inzwischen ist es Nacht geworden. Die Fahrt wird fortgesetzt, mit dem Geleitschiff "Löwe" voraus. Beide Schiffe sind vollkommen abgedunkelt. Schneetreiben hat eingesetzt. Windstärke 6 rührt die Ostsee zu beachtlichem Wellengang auf. "Hohe Brecher schlagen über die Back". Das Thermometer zeigt -18° Luft- und 0° Wassertemperatur. unquote und quote[¹] Um 20.35 Uhr trifft ein Funkspruch ein: "Ein aus 6 Fahrzeugen bestehender Minensuchverband befindet sich auf Gegenkurs. Es besteht Kollisionsgefahr." Das stellt den Kapitän vor die Schwierigkeit, sich für eine von zwei Gefahren entscheiden zu müssen: Zusammenstoß mit entgegenkommenden Schiffen oder durch Setzen der Positionslichter Sichtbar-Werden auch für den Feind. Petersen läßt die Positionslichter setzen, ohne zu ahnen, daß der sowjetische Kommandant Marinesko sie vom Turm seines U-Bootes sofort ausmacht. unquote. Weiter heisst es bei[¹] quote Das U-Boot-Ortungsgerät des Begleitschiffes "Löwe" ist eingefroren! unquote und nach den Torpedotreffern um ca. 21:16 quote[¹] Der Funker Rudi Lange findet ein noch tauglich gebliebenes UKW-Gerät und setzt damit bis zuletzt, unter Einsatz seines Lebens, seine Notrufe ab. Außer den Funksprüchen des Rudi Lange, die nicht weiter als 2000 Meter reichen, und dem Abschuß roter Leuchtkugeln hat die "Gustloff" keine Möglichkeit, auf ihre Seenot aufmerksam zu machen. Doch nun zeigt sich der Wert des Torpedobootes "Löwe": Es gibt - ebenfalls über UKW - den Funkspruch weiter, dreht bei und holt Schiffbrüchige an Bord. Ein Minensuchboot empfängt den UKW-Funkspruch und setzt weitere Funksprüche ab. Der Schwere Kreuzer "Admiral Hipper" steuert mit Höchstgeschwindigkeit von 32 Knoten auf die Unglücksstelle zu. Begleitet wird er vom Torpedoboot T36. T36 "macht Motorengeräusche in allernächster Nähe" aus. Auch nur eine Minute längeres Verweilen an dieser Stelle würde den Untergang des Schweren Kreuzers "Admiral Hipper" bedeuten mit seinen 3000 Menschen an Bord, davon die Hälfte Flüchtlinge. Sofort setzt sich das Schiff vom Unfallort wieder ab. unquote |
|
Mir
ist klar, daß es leicht ist, heute aus meinem gut geheizten Wohnzimmer
heraus Fragen zu Vorgängen im Kriegswinter 1945 zu stellen. Bei etwa
9500 (Neuntausendfünfhundert) Opfern drängt sich aber Einiges
auf:
Quellen: [¹]Heinz Schön in "Ostsee '45 - Menschen Schiffe Schicksale" [²]In "Die Flagge", Offizielles Organ des Österreichischen Marineverbandes, Heft Nr.2/2005, Seite 5 [³]Schiffsdaten aus "WIKIPEDIA.de" und unzählige Internetseiten, die sich mit dieser Katastrophe beschäftigen. Bildnachweis: Bild 1 Quelle: "Funkschau" (1939) Bild 2, Bild 3, Bild 4 und Bild 5: NDR-Fernsehen in "Der Untergang der Wilhelm Gustloff" |