Kreuzfahrtschiff Wilhelm Gustloff / DJVZ
Fotos: Funkschau (1) und NDR-TV (4)  - 

Funkstation des Kreuzfahrtschiffes "Wilhelm Gustloff" / DJVZ
Das Foto zeigt eine für die zweite Hälfte der 30er Jahre typische Funkausrüstung deutscher Handels- und Fahrgastschiffe. Die Sender sind in eine Stellwand eingebaut und von vorn zu bedienen. Für Wartungszwecke ist die komplette Sendeanlage von hinten zugänglich. Hier sind folgende Geräte vorhanden (von links nach rechts): Der Mittelwellensender S356 S, er leistet 200 Watt, dann ein 150 W Kurzwellensender SK 12 303 von Lorenz, ein zweiter Kurzwellensender von Lorenz, der SK 12 305. Der Frequenzbereich beider Sender liegt zwischen 3,3 und 20 MHz. Ganz rechts steckt ein Grenzwellen-Telefoniesender S318 von Telefunken (1,5 bis 3,3 MHz). In der Einbaureihe unterhalb der Sender sind Stromversorgungs- und Steuergeräte untergebracht. Laut Ausrüstungsliste befanden sich noch ein Notsender vom Typ A 0,2E und eine Rettungsbootstation Telefunken Rb.St.1999 an Bord.
Auf den Tischen ist die Empfangsanlage untergebracht. Ganz rechts steht ein Langwellenempfänger Telefunken E 360 (10 - 1000 kHz), ein 1938 schon recht betagtes Gerät das ab 1926 hergestellt wurde. Ganz links auf dem Tisch steht ein Kurzwellenempfänger E390 Gr, den Telefunken ab 1936 herstellte. Auf dem Foto nicht sichtbar befindet sich in der Station noch ein Allwellenempfänger Telefunken E381H  (10 kHz bis 20 MHz). Im Kartenhaus neben der Brücke steht noch ein Funkpeiler E374 N.
Mit dieser Funkstation hätte man im Frieden bei einem Seenotfall am Abend in der winterlichen Ostsee (ufb Ausbreitungsbedingungen für 500 kHz) jede See- und Küstenfunkstelle in Europa alarmieren und um Hilfe rufen können! 
Es kam anders . . . weil eine der oben angeführten Bedingungen nicht erfüllt war: Es herrschte nicht Frieden sondern Krieg!
Schiffsansichten der "Wilhelm Gustloff" / DJVZ
Das Passagierschiff "Wilhelm Gustloff"/DJVZ wurde 1936 bis 1938 als Baunummer 511 von der Hamburger Werft Blohm & Voss für die Deutsche Arbeitsfront gebaut. Der Stapellauf erfolgte am 5. Mai 1937, am 16. März 1938 wurde das Schiff in Dienst gestellt. Bereedert wurde die "Wilhelm Gustloff" von der "Hamburg-Süd". Die Vermessung: 25484 BRT, Länge: 208,55 m, Breite: 23,59 m. 4 Maschinen mit je 8 Zylindern lieferten 9500 PS auf 2 Schrauben, das Schiff lief damit 15,5 Knoten.[³] Vor und während des Zweiten Weltkrieges diente das Schiff zunächst für Kreuzfahrten, dann als Truppentransporter (Rückkehr der "Legion Condor" aus Spanien) und ab Kriegsausbruch zunächst als "Hospitalschiff D" dann als Unterbringungsschiff für die 1. (später 2.) Unterseeboots-Lehrdivision in Gotenhafen (vor 1939 und nach 1945 wieder: Gdynia). Als sowjetische Truppen im Januar 1945 den Landweg von Ostpreussen nach Westen besetzten, wurde die "Wilhelm Gustloff" und mehr als 70 weitere Schiffe für die Flucht von Deutschen aus Ostpreussen über die Ostsee eingesetzt. Dabei kam es durch die Torpedierung und Versenkung der "Wilhelm Gustloff" am 30. Januar 1945 zum bisher grössten Verlust an Menschenleben in der neuzeitlichen Schiffahrt. Die genaue Zahl der Opfer ist unbekannt, sie liegt zwischen 9300 und 9500. Die Torpedierung der "Gustloff" und weiterer Schiffe danach in den ersten Februartagen 1945 mit zusammen noch einmal fast 15000 Opfern, kann ich weder rechtlich noch moralisch beurteilen. Ich schliesse mich aber gern der Aussage eines Überlebenden[¹] der Katastrophe an:
"Das Bild des Krieges hat zwei Seiten. Das eine zeigt den Sieger, den Befreier, den Unschuldigen. Das andere den Besiegten, den Befreiten, den Schuldigen. Doch Täter und Opfer, Unschuldige und Schuldige, gibt es auf beiden Seiten. Die Versenkung der "Wilhelm Gustloff" gibt ein Beispiel dafür."
Bei der Suche nach Hinweisen auf Funkverkehr vor und nach diesem katastrophalen Seenotfall ergaben sich nur wenige und sich zum Teil widersprechende Aussagen:
Herr Johann Fuchs, überlebender Funker der "Wilhelm Gustloff" berichtet über den 27. Januar 1945: "Wir übernahmen inzwischen die Funkstelle, die sich am Brückendeck oben befand und hielten dort abwechselnd Wache. Ich sehe heute noch die Kommandobrücke, die Signalräume und die Funkräume vor mir."[²]
Herr Heinz Schön, Überlebender der Katastrophe und damals als (ziviler) Zahlmeisterassistent der Hamburg-Süd an Bord, berichtet mir in einem Telefongespräch am 24.01.2007: "Ich habe in den letzten Nächten der "Gustloff" in einer Funkerkammer geschlafen, es waren keine zivilen Funker an Bord. Es war auch keine Funkstation mehr an Bord . . . die war schon lange lange ausgebaut. Ein Unterbringungsschiff benötigt doch keine Funkstation! Für die Fahrt über die Ostsee nach Kiel und Flensburg kamen Marinefunker mit einem 'Rucksackgerät' (Tornister-Funkgerät?) an Bord. Dieses UKW-Gerät (!) reichte nur 2000 Meter weit."
Zwischen dem Auslaufen von Gotenhafen und der Katastrophe wird von zwei "Funksprüchen" berichtet: 
quote[¹]
Auf Höhe der Halbinsel Hela erhält die Gustloff über Funk den Befehl zu ankern und die Mitteilung, daß in Gotenhafen 2 Torpedoboote eingetroffen seien, die noch Brennstoff bunkern müssen und dann zur "Gustloff" auslaufen sollen. Auf ihrem Weg muß ein Boot wegen eines Schadens umkehren. So bleibt lediglich das Torpedoboot "Löwe" als Geleitschutz. Inzwischen ist es Nacht geworden. Die Fahrt wird fortgesetzt, mit dem Geleitschiff "Löwe" voraus. Beide Schiffe sind vollkommen abgedunkelt. Schneetreiben hat eingesetzt. Windstärke 6 rührt die Ostsee zu beachtlichem Wellengang auf. "Hohe Brecher schlagen über die Back". Das Thermometer zeigt -18° Luft- und 0° Wassertemperatur.
unquote und quote[¹]
Um 20.35 Uhr trifft ein Funkspruch ein: "Ein aus 6 Fahrzeugen bestehender Minensuchverband befindet sich auf Gegenkurs. Es besteht Kollisionsgefahr." Das stellt den Kapitän vor die Schwierigkeit, sich für eine von zwei Gefahren entscheiden zu müssen: Zusammenstoß mit entgegenkommenden Schiffen oder durch Setzen der Positionslichter Sichtbar-Werden auch für den Feind. Petersen läßt die Positionslichter setzen, ohne zu ahnen, daß der sowjetische Kommandant Marinesko sie vom Turm seines U-Bootes sofort ausmacht.
unquote. Weiter heisst es bei[¹] quote
Das U-Boot-Ortungsgerät des Begleitschiffes "Löwe" ist eingefroren!
unquote und  nach den Torpedotreffern um ca. 21:16 quote[¹]
Der Funker Rudi Lange findet ein noch tauglich gebliebenes UKW-Gerät und setzt damit bis zuletzt, unter Einsatz seines Lebens, seine Notrufe ab. Außer den Funksprüchen des Rudi Lange, die nicht weiter als 2000 Meter reichen, und dem Abschuß roter Leuchtkugeln hat die "Gustloff" keine Möglichkeit, auf ihre Seenot aufmerksam zu machen. Doch nun zeigt sich der Wert des Torpedobootes "Löwe": Es gibt - ebenfalls über UKW - den Funkspruch weiter, dreht bei und holt Schiffbrüchige an Bord. Ein Minensuchboot empfängt den UKW-Funkspruch und setzt weitere Funksprüche ab. Der Schwere Kreuzer "Admiral Hipper" steuert mit Höchstgeschwindigkeit von 32 Knoten auf die Unglücksstelle zu. Begleitet wird er vom Torpedoboot T36. T36 "macht Motorengeräusche in allernächster Nähe" aus. Auch nur eine Minute längeres Verweilen an dieser Stelle würde den Untergang des Schweren Kreuzers "Admiral Hipper" bedeuten mit seinen 3000 Menschen an Bord, davon die Hälfte Flüchtlinge. Sofort setzt sich das Schiff vom Unfallort wieder ab.
unquote
Stabantenne der "Wilhelm Gustloff"
Diese Antenne wurde bei der Wrackuntersuchung durch ein Spezialschiff der deutsches Bundesmarine im April 1992 auf dem Meeresboden in der Nähe der "Wilhelm Gustloff" gefunden. Allerdings konnte ich auf keinem der mir bekannten Fotos der "Wilhelm Gustloff" eine Antenne dieser Bauform ausmachen.

Mir ist klar, daß es leicht ist, heute aus meinem gut geheizten Wohnzimmer heraus Fragen zu Vorgängen im Kriegswinter 1945 zu stellen. Bei etwa 9500 (Neuntausendfünfhundert) Opfern drängt sich aber Einiges auf: 
1.) Wer hat die Meldung über die sechs "Entgegenkommer" aufgegeben und verbreitet, die den Kapitän zur Aufhebung der Verdunklung verleitete? Diese sechs Schiffe hätten doch auch irgendwann am Unfallort eintreffen und Hilfe leisten müssen! 
2.) Gab es diesen Konvoi oder die Meldung überhaupt oder war sie vielleicht garnicht für die "Gustloff" bestimmt? 
3.) Eine Meldung über U-Bootsgefahr in der Ostsee, die zur gleichen Zeit verbreitet wurde, konnte wegen eines Schneetreibens (QRN) nicht aufgenommen werden!
4.) Warum wurde der Tiefwasserweg durch die Ostsee gewählt und nicht in flacheren Gewässern navigiert? Das hätte U-Boote eventuell beim Tauchen behindert, sichtbar gemacht oder am Torpedoschuss gehindert!
5.) Warum wurden an Bord kaum seemännische Vorbereitungen für einen Seenotfall getroffen, z.B. Fahrt mit bereits ausgeschwungenen Rettungsbooten? Vielleicht wegen des Windes von Stärke 6?
6.) Laut [¹] gab es lediglich im Hospital der "Wilhelm Gustloff" einen Katastrophenplan.
Vielleicht lassen sich alle diese Fragen mit einem einzigen Argument beantworten: Das für eine "seemännische" Durchführung der Reise notwendige Fachpersonal stand nicht mehr zur Verfügung, weil es zum Wehrdienst einberufen worden war!


Siehe auch:   Erklärungsversuch von Peter Volk († 2011)

Quellen:
[¹]Heinz Schön in "Ostsee '45 - Menschen Schiffe Schicksale"
[²]In "Die Flagge", Offizielles Organ des Österreichischen Marineverbandes, Heft Nr.2/2005, Seite 5
[³]Schiffsdaten aus "WIKIPEDIA.de"
und unzählige Internetseiten, die sich mit dieser Katastrophe beschäftigen.
Bildnachweis:

Bild 1  Quelle: "Funkschau" (1939)
Bild 2, Bild 3, Bild 4 und Bild 5: NDR-Fernsehen in "Der Untergang der Wilhelm Gustloff"
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Version: 27-Jan-07 / Rev.: 08-Oct-09 / 22-May-11 / HBu