Die
"Francisca Sartori" wurde auf der "Meyer"-Werft in Papenburg speziell für
den Hamburg-Chicago-Dienst konzipiert. Schiffe für die Schleusenfahrt
in den "Kanadischen Seen" mußten ganz besondere Abmessungen haben.
Schon vor der Fertigstellung hatte ich als Funkoffizier angemustert, und
gehörte zum Team der Bauaufsicht. Das Schiff wurde Anfang des Jahres
1954 fertiggestellt und vom Stapel gelassen. Aber "Oh!" "welches Omen?"
– das Schiff blieb nach der Taufe, auf halber Strecke, beim Stapellauf
hängen.
"Mit
dem Schiff, das kann nicht gut gehen".
Aufgrund
des Vorfalles musterte mehr als die Hälfte der angeheuerten Seeleute
ab, nur die Schiffsoffiziere blieben an Bord. Nun, die Besatzung konnte
wieder aufgefüllt werden, als Chefsteward sprang ein Hotelkellner
ein, ein lustiger Kerl mit viel Mutterwitz.
Ob
die Nordatlantikroute schön ist? Darüber kann man geteilter Meinung
sein, ich selbst fand sie, genau wie die Fahrt auf den "Großen Seen"
sehr interessant.
Es
bestand die Möglichkeit, wenn man an Bord nicht unbedingt gebraucht
wurde, während der Schleusenfahrt auszusteigen und mit einem Taxi
zu den Niagara Fällen zu fahren. Während unserer Liegezeiten
in Chicago und Milwaukee, kamen häufig deutsche Auswanderer an Bord,
wir haben auf diese Weise viele Freundschaften geschlossen. Jahre später,
als ich Funker bei der Lufthansa war hatte ich Gelegenheit, diese Besuche
zu erwidern. Hatten wir Chicago angeflogen, benutzte ich während der
"Layover"-Zeit den "North Shore Train" um nach Milwaukee zu fahren. Frankes
hießen meine Freunde, Er war Berliner, Sie kam aus Sachsen.
Aber
zurück zur "Francisca Sartori":
Im
Dezember 1955 geschah es. Wir hatten den St. Lorenz Strom verlassen und
setzten an zur Atlantiküberquerung. Am 9.Dezember ging es los... Neufundland
lag hinter uns, als ein gewaltiger Sturm losbrach. Zunächst war es
nur ein Sturm, aber dann wurde es ein Orkan! Zeitweise waren die Seen 18
Meter hoch. Nein, ganz ehrlich, nicht wir haben die Höhe der Seen,
man konnte dazu nicht mehr Wellen sagen, gemessen, aber das US-Marine-Schiff
"Blue Jacket", das unseren SOS-Ruf aufgefangen hatte und, uns zur Hilfe
kam.
Die
Seen peitschten über das Deck unseres Schiffes. Zwei zusammenlaufende
Seen gingen über die Brücke hinweg und rissen ein großes
Loch in die Vorderfront. Überall drang Wasser ein, das Ruderhaus und
meine Funkstation wurden völlig zerstört. Viele Bulleys wurden
eingedrückt und die Kabinen standen unter Wasser. Vier Besatzungsmitglieder
wurden erheblich, weitere leicht verletzt. Die Glaswolle, mit der die Schiffswände
isoliert waren, hatten wir jetzt in unseren Kleidern und es juckte wahnsinnig.
Die
FT-Station der "Francisca Sartori"
Wie konnte
ich den Seenotruf senden?
In
der Funkstation waren sämtliche Geräte zerstört. Durch den
Wassereinbruch waren auch die Generatoren, die den Strom für die Station
lieferten, unbrauchbar geworden. Ein Rettungsboot auf dem Achterdeck war
mit einem Notfunkgerät ausgerüstet, aber wie dort hinkommen und
das Gerät bergen? Alle Schiffsmotoren waren wegen erhöhter Feuergefahr
oder Defekt stillgelegt. Von irgendwelchen Batterien konnte noch an wenigen
Plätzen des Schiffes klägliches Licht erzeugt werden, ansonsten
herrschte in der Nacht auf dem Schiff absolute Dunkelheit. Das Schiff trieb
quer zur See und die ankommende See tobte über das Deck hinweg. Gott
sei Dank hielten die modernen Stahlluken den darüber fegenden Wassermassen
stand. Nachdem ich die überkommenden Wassermassen beobachtet hatte,
rechnete ich mir eine Chance aus, wie ich zwischen zwei überlaufenden
Seen nach hinten zum Achterdeck kommen konnte. Irgendwann riskierte ich
es und zwei Matrosen waren mir dabei behilflich. Wir erreichten das Achterdeck
und konnten den Notsender bergen. Wir setzten uns in den Maschinenraum
und nahmen den Sender in Betrieb. Zum Notsender gehörte eine Antenne,
die mit einem Ballon versehen war. Im Nachhinein gesehen, war es natürlich
völlig blödsinnig, diese Antenne bei dem herrschenden Wetter
auszufahren, der Kupferdraht riß nur wenige Meter hinter dem Antennenausgang
und der Ballon wurde von einer Orkanböe durch die atlantische Winternacht
getragen.
Die
"Francisca Sartori" im Orkan
Ein
zwischen zwei Windhutzen angebrachtes Kupferkabel diente dann als Antenne,
und es funktionierte! |
|
Zerstörte
Brücke und Funkstation
|
Einer
der Matrosen drehte zur Stromerzeugung die Kurbel des Notsenders und ich
konnte endlich, das vom Kapitän angeordnete "SOS"-Signal senden. Innerhalb
kürzester Zeit hatte ich Funkkontakt zu 13 Schiffen, und später,
auf Kurzwelle, auch mit "Norddeich Radio". Außer von der "Blue Jacket",
der "Nordstern" (auf dieser fuhr ich dann 1 1/4 Jahr später als Funkoffizier),
erhielten wir auch Beistand von einem norwegischen Tanker. Nach drei Tagen,
der Orkan tobte immer noch, konnte das Maschinenpersonal die Maschinen
wieder in Gang bringen, Kapitän Steffen ließ das "SOS"-Signal
widerrufen. Ganz langsam wurde wieder Fahrt aufgenommen. Auf Grund der
seitlich anrollenden Seen konnte aber der Plan des Kapitäns, die Azoren
anzulaufen, nicht verwirklicht werden, und so nahm das Schiff Kurs auf
Lissabon. Am 17. Dezember trafen wir dort ein.
Das
Lotsenboot vor der Tejo-Mündung
Innerhalb
der nächsten 14 Tage wurde das Schiff notdürftig seetüchtig
gemacht, und dann für die Heimreise über Rotterdam nach Hamburg
freigegeben. Dank der besonnenen Ruhe und der Umsicht unseres Kapitäns,
hat das Schiff und seine Besatzung überlebt. In Hamburg lag die "Francisca
Sartori" für längere Zeit in der Werft und wurde repariert. Nach
dieser Zeit nahmen wir die Kanadafahrt wieder auf und ein ganzes Jahr ging
alles gut, doch dann kam wieder die Erinnerung an den Stapellauf zurück.
"Francisca
Sartori" - Zweiter Teil
Langsam
wurde es wieder Winter, munter ging es in Richtung Kanada. Es war eine
ruhige Fahrt, aber dann kam der Nebel. Kurz vor St. Pierre Miquelon war
die Sicht gleich Null! Kapitän Steffen hatte Urlaub genommen und wir
hatten einen "flotten Mann" als Kapitän an Bord. Wenn er die Wache
auf der Brücke übernommen hatte, gehörte ihm das Radargerät
ganz alleine, niemand außer ihm, durfte es bedienen. In dem nun starken
Nebel dirigierte er den Rudergänger nach den Anzeigen des Radar‘s.
"Ich
habe die Boje von St. Pierre Miquelon in Sicht!" rief er, und gab dem
Rudergänger entsprechende Kurskorrekturen. Doch dann gab es einen
kräftigen Schlag und es folgte ein Krachen,
"es war nicht die Boje
von St. Pierre, sondern ein Felsen".
"Radar
assisted Collision"
2
grosse Löcher im Schiffsboden
|
|
"Maschine
voll zurück" war das Kommando des Kapitäns. "Hinter uns und um
den Felsen herum mißt die Wassertiefe 80 Meter und hier oben sitzen
wir erst einmal trocken", bemerkte der 3. Offizier, ein ehemaliger Korvettenkapitän
der Kriegsmarine. Der Kapitän korrigierte daraufhin sein Kommando,
"Maschine stop"
Die
Passagiere, die wir an Bord hatten waren geschockt, unser Chefsteward jedoch
verstand es, sie schnell wieder zu beruhigen.
Ich
sendete ein Dringlichkeitsmeldung "XXX", daraufhin kam ein Schlepper von
St. Pierre Miquelon, der auch Taucher an Bord hatte. Sie stellten bei ihren
Untersuchungen fest, daß unser Schiff zwei 10 Meter lange und zwei
Meter breite Löcher im Schiffsboden hatte. Glück im Unglück,
über den entstandenen Löchern lagen die Wassertanks, es konnte
also kaum Wasser in das Innere des Schiffes eindringen. Die Taucher dichteten
ab, was abzudichten war, und dann ging es los.
Dem
Schlepper gelang es, uns vom Felsen herunterzuziehen. Mit "langsamer Fahrt"
konnten wir den Hafen von St. Pierre anlaufen. Beim Einlaufen beschädigten
wir die Schraube durch Grundberührung. Nun lagen wir im Hafen, wo
unser Schiff notdürftig für die Fahrt auf dem St. Lorenz nach
Montreal hergerichtet wurde. Die Werftliegezeit dauerte sechs Wochen, dann
war unsere "Francisca" repariert. |
Das Pech
verfolgte uns weiterhin. Für die Schleusenfahrt auf den Kanälen,
die von einem See in den anderen führen, hatten wir jeweils einen
Lotsen an Bord. Der Winter war bedrohlich nahe. Da die "Großen Seen"
und die Kanäle im Winter zufrieren, mußten wir uns beeilen.
Daß der Kapitän ein "flotter Mann" war, hatte ich bereits erwähnt.
Er wollte die verlorene Zeit etwas aufholen, setzte sich über die
Einwände des Lotsen hinweg und verkürzte die Kanalfahrt, indem
er auf Wildgewässer auswich. Es gab wieder Grundberührung und
wir mußten in Detroit in die Werft. Zwei Bodenplatten wurden ausgewechselt.
Von Chicago aus haben wir, nachdem die Ladung gelöscht war, ganz schnell
die Heimreise angetreten. Durch das inzwischen verbreitete Eis konnten
wir uns hindurchmogeln, machten kurz in Montreal fest und traten dann von
hier aus endgültig die Fahrt über den Atlantik an.
Im nördlichen
Atlantik hatten wir eine Kollision mit einem "Growler", konnten aber die
Reise fortsetzen. In Rotterdam stellte sich uns ein Frachter, ein ganz
"alter Kasten" in den Weg, den wir dann leicht rammten.
Unser
Aushilfskapitän verließ das Schiff, ohne sich von uns zu verabschieden.
Später, ich hatte auf der "Nordland" als Funker angemustert, traf
ich ihn wieder, er war 1. Offizier auf einem deutschen Frachtschiff.
Die
"Francisca" lag in Hamburg für kurze Zeit in der Werft. Im "Hamburg-Montreal-Shuttle"
bin ich anschließend auf der "Nordland" und auf der "Nordmeer" gefahren,
bis ich Ende 1956 der Seefahrt den Rücken kehrte um als Bordfunker
bei der Lufthansa zu fliegen.
Von
meiner Zeit als Bordfunker bei der Lufthansa und später als Flugdienstberater,
einer navigatorischen Tätigkeit, werde ich, se dens quiser, später
einen Bildbericht zusammenstellen. Im Notverkehr mit "Norddeich Radio"
war FO Wefers mein Partner.
Fünf
Tage im Orkan
Bericht
des Kapitäns des deutschen Dampfers "Francisca Sartori"
Am Jahresende
macht das Elektroschiff "Francisca Sartori", 2151 BRT, der Reederei Sartori
und Berger, Hamburg-Kiel, im Hafen von Rotterdam fest. Das Schiff hat,
wie berichtet, im Nordatlantik einen orkanartigen Sturm überstanden.
Ein schwerer Brecher hatte einen Teil der Kommandobrücke eingedrückt.
Die Mannschaft hat furchtbare Stunden durchlebt, in denen sie und ihr Schiff
in höchster Gefahr waren. Vier Besatzungsmitglieder wurden verletzt.
Es geht ihnen jetzt wieder gut.
Der
Chef der Reederei, Charles Sartori, hat dem Hamburger Abendblatt den Verklarungsbericht
des Kapitäns Karl Steffen zur Verfügung gestellt. In der nüchternen
Sprache des 46jährigen Schiffsführers zeigt sich frei von jeder
Dramatisierung, was das Schiff und seine braven Seeleute in den Dezembertagen
bei Windstärke 10 bis 12 durchgemacht habe.
Hier
der Bericht des Kapitäns:
9.
Dezember –
Der
Wind dreht von West 4 bis 5 über Süd auf Süd-Südost
und frischt bis Mittag auf Stärke 10 auf. Wind und See zunehmend.
Das Schiff stampft und schlingert äußerst heftig. Wasser über
Deck, Luken und Aufbauten.
07:20
Uhr: Das Schiff setzt sehr hart ein. Um Schäden zu vermeiden gehen
wir auf halbe Fahrt.
09:20
Uhr: Wir drehen bei, wegen hoher grober See. Heftige Sturmböen.
Der
Wind dreht von Südsüdost in den Nachmittagsstunden auf Westsüdwest
10 bis 12 und erreicht in den frühen Abendstunden Orkanstärke.
Das Schiff arbeitet sehr schwer. Brecher über Back und Luken. Spritzwasser
über das Peildeck. Versuchen durch langsame Fahrt das Schiff steuerfähig
zu halten und Querseen zu vermeiden. Das Schiff nimmt viel Wasser über.
Im
Orkan, hier der QTH
|
|
19:00
Uhr: Eine gewaltige See bricht über das Schiff, drückt die
Steuerbordvorkante des Ruderhauses ein, zerstört den größten
Teil des Ruderhauses, der Funkstation und des Kartenhauses.
19:05
Uhr: Maschine stop. Auf dem Brückendeck und im Brückenfahrpult
entstehen Kurzschlußbrände.
19:10
Uhr: Um einen Schiffsbrand zu vermeiden, wird das gesamte elektrische
Licht abgeschaltet. Fenster im Kapitän-, Wohn- und Schlafraum werden
von den Brechern eingedrückt. Das Wasser überflutet diese Räume
und den Salon. Ferner werden sämtliche Passagierkammern und die auf
dem Hauptdeck liegenden Offizierskammern überschwemmt. |
10.
Dezember –
Gewaltige
Wassermengen überfluten das Schiff. Das Fenster der Kabine Nr.20 wird
eingedrückt. Die Kabine steht unter Wasser. Das Schiff legt sich wiederholt
durch den orkanartigen Wind und durch die See minutenlang bis zu 40 Grad
auf die Seite. Die eingedrungenen Wassermassen richten erheblichen Schaden
an.
Ab
07:00 Uhr wird wieder Kraft- und Lichtstrom erzeugt. Die vollen Tanks
und sämtliche Bilgen werden gelenzt. Die Tanks waren trocken, die
Bilgen hatte keine unnormale Wasserzunahme.
Ab
09:30 Uhr werden mit dem Notfunkgerät des Rettungsbootes SOS-Rufe
abgegeben, da das Schiff sich noch in höchster Gefahr befand.
13:45
Uhr wird Fahrt wieder aufgenommen, nachdem Ruder und Maschine klargemeldet
haben.
Die
starke Gefährdung der Brücke und auch die Gefahr für die
Ladung erforderte, den Kurs auf die Azoren abzusetzen, um dort die Verletzten
zu landen und die gröbsten Schäden zu beseitigen.
Aufgrund
der ausgesandten SOS-Rufe hielten einige Schiffe auf uns zu. Vom US-Marineschiff
"Blue Jackett", das gegen 14 Uhr auf unserer Position eintraf, erhalten
wir genaue Position. Nach Wiederaufnahme der Fahrt widerrufen wir SOS-Signal.
11.
Dezember –
Grobe
See, Schiff arbeitet schwer. Brecher über Deck und Luken. Können
Kurs nicht mehr halten. Gehen auf 105 Grad. Schiff schlingert heftig in
grober See und durcheinanderlaufender Dünung.
12.
Dezember –
08:00
Uhr: Ändern Kurs auf 85 Grad, da Schiff auf altem Kurs viel Wasser
über Deck und Aufbauten nimmt. Entschließe mich, Kurs auf Lissabon
abzusetzen, da wegen Wetterlage die Azoren nicht angesteuert werden können.
13.
Dezember –
Westliche
Winde, steile achterlich See, Schiff arbeitet sehr schwer. Wasser über
Deck und Luken. Das Schiff holt bis zu 30 Grad nach beiden Seiten über.
14
Dezember –
Westliche
Winde, steile achterliche See. Schiff arbeitet sehr schwer. Wasser über
Deck und Luken. Das Schiff holt bis zu 30 Grad nach beiden Seiten über.
16.
Dezember –
Wind
und Seegang etwas abnehmend. Schiff schlingert zeitweise heftig in grober
achterlicher See und westlicher Dünung.
17.
Dezember –
12:55
Uhr: Lotse an Bord vor der Tejo-Mündung.
17:15
Uhr: Schiff gut vertäut im Nothafen von Lissabon
Soweit
der Bericht des Kapitäns. |
Epilog:
"Glücklich
der Mann, der den Hafen erreicht hat, und hinter sich ließ die Stürme.
Und jetzt warm und ruhig sitzt im guten Ratskeller zu Bremen".
Ignaz
Kirchhoff
Einige
Daten des Schiffes der "Francisca Sartori":
Elektro-Diesel-Schiff,
Tdw = 3951, BRT = 2588, NRT = 1605, LüA = 90.6 m, Breite = 12.85 m,
2400 PS, 13 kn, Besatzung: 26
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