Erste Funkerin auf einem deutschen Trawler
Bei Suche nach „Johannes Krüss“ ihren Mann gestanden
Quelle: Unbekannt (evtl. "Nordsee Zeitung" im Sommer 1967)

Die Besatzung des Heckfängers „Seydisfjord“ der Hochseefischerei Kämpf & Co. KG traute ihren Augen nicht. Als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, trug eine Frau ihren Seesack an Bord und erklärte, sie wolle die Fangreise nach Grönland als Lehrfunkerin mitmachen. Und tatsächlich: Der Auftritt war kein verfrühter Aprilscherz. Ruth BRETTSCHNEIDER hatte als einzige Frau unter 26 Männern angemustert, um sich eine steife Brise um die Nase wehen zu lassen. Sie hat damit praktisch Neuland beschritten. Bisher gab es zwar schon weibliche Funkerinnen in der Handelsschiffahrt, aber nicht in der Hochseefischerei, in der dringend Funkernachwuchs gefragt ist. Daß Wasser immer noch keine Balken hat, erlebte die unerschrockene Funkerin gleich auf ihrer ersten Reise. Während die „Seydisfjord“ vor Westgrönland fischte, verschlang die grausame See den Trawler „Johannes Krüss“ vor Kap Farvel. Trotz dieses Unglücks will Ruth Brettschneider die Seefahrt nicht an den Nagel hängen. „Ich mache weiter“, versichert sie.
Auf hoher See war sie dagegen nicht immer so zuversichtlich gewesen, ob ihre Liebe zum Meer nicht nach der ersten Fahrt abkühlen würde. Auf sie stürmten zu viele neue Eindrücke ein. Wenn sie gar nicht weiterwusste, wandte sie sich an Funker Heinz OPPEL, der sie in die Geheimnisse der drei Sender und Empfänger einweihte. Falsche Rücksicht übte er nicht. „Ich habe sie hart ‚rangenommen.“
Etwas andres blieb ihm auch gar nicht übrig. Als die Nachricht eintraf, dass die „Johannes Krüss“ sich nicht mehr melde, überstürzten sich die Ereignisse. Die Funkbude musste ständig besetzt sein,  da die „Seydisfjord“ Order erhalten hatte, die Suchaktion zu leiten. Funksprüche nach dem verschwundenen Trawler jagten in den Äther hinaus, Antworten trafen von 60 Fischereifahrzeugen ein. Außerdem mussten Wetterberichte abgesetzt, Eispositionen eingeholt und Fangplätze festgestellt werden. „Es war ein großer Aufgabenbereich“, berichtet die Funkerin. „Ich musste mir große Mühe geben, alle zu verstehen.“

Auf dem Funklehrgang an Land war es dagegen vergleichsweise ruhig zugegangen. Fünf Monate lang büffelte Frau Brettschneider, um das Klassenziel, das Seefunk-Sonderzeugnis, zu erreichen. Allerdings war sie nicht ganz unvorbelastet zu dem Lehrgang gegangen. Vor zehn Jahren hatte sie eine Empfangslizenz erworben, um als Funkerin in die Welt hinaushorchen zu dürfen.

An dieses Hobby erinnerte sich die alleinstehende Frau, als sie sich überlegte, wie sich ihr Drang zum Reisen mit der Notwendigkeit des Geldverdienens vereinbaren ließe. Ein Vortrag über die Hochseefischerei brachte sie auf den Gedanken, ihren Start auf einem Trawler zu versuchen. Sie klopfte bei der Reederei Kämpf an und stieß nicht auf taube Ohren. Direktor Helmut Kämpf: „Wir müssen uns einen Stamm von Funkerinnen anschaffen, weil es für Fischdampfer zu wenig Funker gibt.“
Um ihr den Sprung von der Schultheorie zur Praxis zu erleichtern, stellte die Reederei sie einem erfahrenen Funker zur Seite. Nach der ereignisreichen Fangreise vor Grönland wird Frau Brettschneider auf einem anderen Trawler allein in der Funkbude sitzen. Angst vor der Seekrankheit wird sie dann aber im Gegensatz zur ersten Fahrt nicht mehr kennen. Vorsichtshalber hatte Heinz Oppel stets einen Eimer in Reichweite gestellt. Er brauchte nie gelehrt zu werden.
Wie die Frau während der vierwöchigen Fahrt mit den 26 Männern ausgekommen ist? Obwohl Ruth Brettschneider im Umgang mit den Seebären sehr gute Erfahrungen gemacht hat, glaubt sie doch: “Man muß schon eine gehörige Portion Lebenserfahrung mitbringen, um mit den besonderen Problemen fertig zu werden, die sich an Bord ergeben. Ein junges Mädchen würde das nicht schaffen.“
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Version: 30-Dec-06 / HBu