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Tatsache
ist, daß manche Schiffe für mehr bestimmt waren als nur für
die Statistik, und für mich gehörte dieses Schiff ganz sicher
zu dieser Kategorie.
Das Schiff wurde auf der Fairfield’s Werft in Govan, Clyde gebaut und lief im Oktober 1924 als „Letitia“ für die Anker-Donaldson Linie in Glasgow vom Stapel. Es war ein Dampf-Turbinen- Schiff mittlerer Tonnage hauptsächlich für die Auswandererfahrt nach Kanada konzipiert. Ausgestattet mit Einrich- tungen für Passagiere der 1. Klasse sowie 1000 Immigranten brachte sie, zusammen mit ihrem Schwesterschiff, der „Athenia“, (das erste im 2. Weltkrieg torpedierte Schiff), viele Auswanderer zu einem neuen Lebensabschnitt nach Kanada. Eine Beschäftigung, die sie in späteren Jahren in verschiedenen Teilen der Welt wiederholte. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde sie von der Admiralität angefordert, zum Hilfskreuzer umgebaut, dann zum Truppen- transporter und zuletzt zu einem Lazarettschiff für die Kanadische Regierung. Am Ende des Krieges brachte sie verwundete Soldaten zurück nach Kanada. Die „Captain Cook“/GLBX, ex „Letitia, ein 2-Schrauben-Turbinenschiff |
1946
an das Verkehrsministerium verkauft und auf den Namen „Empire Brent“ umgetauft,
setzte sie die Rückführung von Truppen fort und nach einem weiteren
Einsatz als Truppenschiff wurde sie an die Australische Regierung verchartert,
um britische Immigranten, die durch eine Flucht dem Schicksal und der Düsternis
der Nachkriegs- zeit entfliehen wollten zum verheißungsvollen Land
in der südlichen Hemisphäre zu befördern. Weil die Beförderung
subventioniert wurde, nannte man die Auswanderer auch die „ten pound Poms“.
Mit Zunahme neuer Tonnage wurde das Schiff nicht mehr benötigt und
1951 an die neuseeländische Regierung auf Abzahlung verkauft. Das
gleiche geschah mit der „Captain Hobson“ – beide Schiffe leisteten große
Hilfe in der Immigrantenfahrt zum Land der Großen weißen Wolke.
Da die Clyde-Werft den Umbau des Schwesterschiffes noch nicht beendet hatte,
brachte man das Schiff für einen teuren Umbau in die Barclay-Curle-Werft,
mit Einrichtungen für 1088 Passagiere in 2-, 4-, und 6-Bett-Kabinen
ging sie 1952 als „Captain Cook“ unter der Flagge von Donaldson Brothers&Black
wieder in Fahrt.
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![]() (Sie war das erste Schiff, das im Zweiten Weltkrieg torpediert wurde) |
Meine
Familie hatte immer eine Beziehung zur See, mein Vater kämpfte in
der Skagerrakschlacht und arbeitete später als Ingenieur auf der Werft
Harland & Wolf, er war daher sehr enttäuscht, als ich mich entschloß,
in die Royal Air Force einzutreten, war dann aber ein wenig besänftigt,
als er widerstrebend einsehen mußte, daß die Küstenwache
eine Verbindung zur maritimen Welt hatte. Nachdem ich zwei Jahre lang auf
die Schornsteine der vielen Schiffe herabgeblickt, und von unserer immer
sehr großzügigen Regierung als nicht mehr notwendig erachtet
wurde, ging ich zur Anker-Linie und trat als Zahlmeister-Assistent meinen
Dienst auf der „Cilicia“/GDGL an. Die Reise führte von England nach
Pakistan und Indien, hier kam ich das erste Mal mit dem Seefunk in Berührung.
Als ich genug verdient hatte um die dürftige Zeit als Student durchzustehen, meldete ich mich beim Glasgow Wireless College an, das ich ein Jahr später mit einem brandneuen Funkzeugnis verließ. |
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Die Tinte war noch nicht ganz trocken, da hatte ich bereits meinen Dienst als 4. Funkoffizier auf der „Captain Cook“/GLBX angetreten. Zusammen mit den Immigranten blickte ich in eine neue Zukunft. Wir wurden bestreikt. Während die Mannschaften der Schlepper mit ihren Arbeitgebern streiteten, fuhr ich mit der Straßenbahn von und zu meiner neuen Arbeitsstelle, kaum ein viel versprechender Beginn, und die Nachbarn dachten möglicherweise ich arbeitete bei der Sozialhilfe. |
Das
Schiff war mit herkömmlichen Marconi-Geräten ausgerüstet.
Meine Erinnerungen können mir einen Streich spielen, aber ich glaube
ich erinnere mich an Mercury- und Electra-Empfänger (einer von ihnen
enthielt keine ZLW-Arbeitsfrequenz) Oceanspan (oder waren es Worldspan
oder beides?), Reliance usw. Es gab kein Autoalarm an Bord da das Schiff
zu 24 Dienststunden verpflichtet wurde. Len Hooper war der Cheffunker,
Herr Carpenter der 2., Dick Gabriel der 3. und ich der 4. Funker. Der Chief
und ich teilten uns die 8 - 12 Wache, und dieses sollte, wie ich vermute,
lediglich eine Beschränkung auf die sozialen Aktivitäten eines
jungen Funkoffiziers sein. Das Komplott scheiterte aber in diesem Fall.
Mit zwei Jahren Seefahrzeit auf dem Buckel war ich kein „Ausflügler“ mehr und ich bin mir sicher, daß der Chief erstaunt war, als ich auf jeder Wache erschien ungeachtet des schlechtesten Wetters und begeisternd essend sobald ein Mahl angeboten wurde. Jedoch war ich nicht vorbereitet auf den Mißklang auf 500 kHz und den immensen Verkehr auf den meisten Seefunkbändern. Warum hatte man auf der Funkerschule nie den wirklichen Funkverkehr geübt? Allmählich jedoch wurde alles zweitrangig, anfänglich jedoch war ich drauf und dran im ersten Hafen auszusteigen, wäre er nicht über 3000 Meilen entfernt gewesen. |
![]() vor dem Motorrettungsboot in dem sich ein Notsender befand, den er nie einsetzen mußte. |
Jene,
die auf großen Passagierschiffen gefahren sind, wissen, wie ein langer
Seeturn auf Menschen wirkt, deren frühere Erfahrungen mit der See
sich auf eine Reise, entweder den Clyde abwärts, oder auf eine Überquerung
des Mersey beschränken. Die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung
unter den Passagieren oblag einem Polizeioffizier des Ministeriums in Zusammenarbeit
mit dem Neuseeländischen Immigrations Offizier der auf jeder Reise
mitfuhr. Einer dieser „Master-at-Arms“ war ein großer freundlicher
Ex-Polizist aus Glasgow, an den mich nur das Klingeln seiner Schlüssel
erinnert, wenn er auf Wache war. Er schaute immer in die Funkstation nachdem
der Steward den 22-Uhr-Tee und belegte Brote serviert hatte, vorrangig
um seine Runde auf dem Vordeck zu machen.
Den Passagieren war nach 22 Uhr verboten sich an gewissen Plätzen aufzuhalten. Das Schiff hatte doppelsitzige Rettungsboote, die im wärmeren Klima ein bevorzugter Platz für ein Stelldichein waren. Der Einsatz der beiden Suchscheinwerfer die auf dem Brückendeck montiert waren, konnten gelegentlich, wenn sie gut eingestellt waren, wirken wie die im Follies Bergere. Eine andere seiner Aufgaben war es, den 3. Funker durch alle Passagierskabinen zu begleiten, um die Leitungen der Lautsprecher zu überprüfen oder zu reparieren, da manche Passagiere, um Ruhe und Frieden zu haben, sie entfernt hatten. Schlafsäle lagen abgesondert, daher der Schutz für unseren gutaussehenden 3. Funker – alles nur zu seinem Besten. |
Die
Disziplin der Mannschaft lag nach allem was man hörte, im argen. Besatzungen
die von der Clyde kamen, waren nicht gerade für ihr tadelloses Benehmen
bekannt. Der Steuermann, ein Mr. Allen, hatte sich der Sache jedoch mit
Erfolg angenommen , er besaß den Respekt aller Offiziere und wurde
von ihnen mit Sir angesprochen, da er strikte Disziplin verlangte. Die
Mannschaft jedoch tat dieses als Unsinn ab, und wegen seiner dunklen Gesichtsfarbe
nannten sie ihn "Black Bob". Es wäre eine interessante Statistik die
Durchschnittszahl der *"Declined
to Reports" im Seefahrtsbuch am Ende einer jeden Reise zu kennen, aber
selbst seine heldenhaften Bemühungen schlugen fehl, wenn wir in Capetown
auf der Heimreise, mit Truppen aus Singapur (wegen der Suezkrise den langen
Weg um Afrika herum), und dem Lotsen an Bord nicht genügend "nüchterne"
Matrosen hatten, um die Arbeit an der Pier zu erledigen. "Hier weht ein
anderer Wind" sagten sie und ich freute mich einen Moment darüber,
daß ich die Verantwortung für die Funkstation hatte. Ein anderer,
an den ich mich gut erinnere war ein begeisterter Schiffsarzt, der, als
er hörte, daß ich etwas von Fotografie verstand, mir unbedingt
seine Dia mit dem letzten Ungeziefer zeigen wollte, das er den Passagieren
bzw. den Besatzungsmitgliedern entnommen hatte. Das Schiff war ganz sicher
eine Universität auf See für kleine Jungen.
Gab es da irgendwelche Nachteile in diesem idyllischen Leben? Gebaut
für die kürzere Strecke über den Atlantik, gab es auf dem
Weg über den Pazifik immer Probleme mit dem Frischwasser. Gegen Ende
der Reise war man froh, wenn man morgens seine Tasse Kaffee und heißes
Wasser zum Rasieren bekam, oft durfte man sich auch nur für eines
entscheiden.
Die Ankunft in Wellington war eine spannungsvolle Zeit, selten wußten die Passagiere bis dahin für welchen Teil Neuseelands sie bestimmt worden waren, und wenn der Ansprechpartner nicht zugegen war, dann mußten sie bei nächster Gelegenheit die Heimreise antreten. Nach Hause zurückkehrend gab es rund um die Uhr viel zu tun, da jedoch viele Soldaten sich um Arbeit bemühten, waren sie auch für die Funkstation sehr von Vorteil. Nie waren die Eingänge der Antennen so auf Hochglanz poliert. Meine letzte Aufgabe an Bord der GLBX war es, die QTP-Meldung an GPK bei Erreichen des Clyde im Februar 1957 abzugeben. Ich hatte mich bereits entschieden meine Marconi-Arbeit aufzugeben und einen Vertrag für das doppelte Geld bei der Union Steamship Company of New Zealand abgeschlossen. Es folgten zwei angenehme Jahre mit Fahrten um Tasmanien herum auf der „Kawaroa“/ZMBX, der „Kawatiri“/ZMKX und der „Karamu“/ZMQI. 1959
kehrte ich mit der Absicht nach England zurück, zunächst wieder
zur Schule zu gehen, um das Radar Certificate, das vom United Kingdom Board
of Trade erteilt wurde, zu erwerben. Das B.O.T. war auch zuständig
für alle anderen maritimen Vorschriften. Drei Monate dauerte dieser
Lehrgang. Mit diesem Zeugnis in der Tasche, konnte man als Funker mehr
Geld verdienen.
Das lange Leben der Letitia/Empire Brent/Captain Cook endete im Februar 1960 mit ihrer letzten Reise Nr. 25, sie erreichte Glasgow und den Fluß, den sie so gut kannte. Nach einer längeren Liegezeit auf dem Clyde forderte die Schrottpresse ihr Opfer. Während unserer Hochzeitsreise mußten wir eine Pause in der Thomas-Klinik in Inverkeithing einlegen, und sahen die Reste unseres schönen Schiffes. Eine kurze stille Erinnerung, einige verborgene persönliche Geheimnisse, Erinnerungen an Personen .... jetzt war es aber Zeit aufzubrechen! In
späteren Jahren wurde ich Funkamateur und die Erinnerungen an die
„Captain Cook“ setzten sich fort durch die Gestaltung meiner QSL-Karte,
auf der ich das ehemalige Rufzeichen von „Wellington Radio“/ZLW in mein
Rufzeichen ZL2ZLW mit einbezog, und auch durch meine Anwesenheit bei den
gelegentlichen Wiedersehen mit den ehemaligen Passagieren und Besatzungsmitgliedern
in Neuseeland.
* „Declined to Reports“ waren Eintragungen im Seefahrtsbuch, die entscheidend dafür waren, ob die Seeleute weiterfahren konnten oder gefeuert wurden. Die wichtigsten Angaben zum Schiff: Gebaut 1924 als „Letitia“ der Anker-Donaldson Linie, 13.475 BRT, umgetauft auf den Namen "EMPIRE BRENT" 1946, umgetauft auf den Namen "CAPTAIN COOK" 1951, verschrottet 1961 |