Die Funkstation des Revolutionskreuzers „Aurora“
Von O. Bytschkow und D. Tribelski - Übersetzung von S. Scheffczyk
Hier veröffentlicht mit der freundl. Genehmigung des Übersetzers - Quelle: Rolf Marschner DL9CM
Schiffsbeschreibung © 2009: Heinrich Busch, Berne

Der russische Kreuzer "Aurora" im Jahr 1903
Die Funkstation der „Aurora“, eine der ersten auf einem Kriegs-
schiff der russischen Flotte überhaupt, wurde im funktelegra-
fischen Werk der Baltischen Flotte hergestellt und von Februar
bis März 1917 an Bord installiert.[¹]

Rechts:  Historischer Stromlaufplan des Senders


 
 
 
 
 
 

Die Station bestand aus einem Sender vom Typ R2 mit Verlängerungsspule, Umformer und Morsetaste, einem Empfänger vom Typ PM (Marineempfänger) mit Kristalldetektor und Kopfhörer mit einer Hörmuschel, einem Wellenmesser Typ WG und der Leistungsschalttafel.

Der Sender ...
... der Funkstation wurde im Jahre 1911 von Leutnant I.I. Rengarten entwickelt und erhielt die Bezeichnung „Tönende Funkstation Typ UMO“ (Siehe Bild oben rechts). 
Als Speisequelle für den Sender diente ein Agregat, das aus einem Gleichstrommotor, der vom Bordnetz mit einer Spannung von 110 V betrieben wird, und aus einem Umformer besteht. Die Tastung des Senders erfolgt im Primärkreis der Speisung des Schwingkreises LKC mit Hilfe einer Morsetaste K. Die Kontakte dieser Taste sind zur Verminderung der der Funkenbildung aus Platin hergestellt. Um Stromspitzen beim Drücken der Taste zu vermindern, ist in den Primärkreis des Aufwärtstransformators L1L2 die Drossel Lr geschaltet. An der Sekundärwicklung des Transformators entsteht  eine Spannung von 4500 bis 5000 Volt, die die normale Funktion der Löschfunkenstrecke nach M. Wien gewährleistet. Die Löschfunkenstrecke ist eine robuste Konstruktion aus elf Kupferplatten. Die Entladung erfolgt bei relativ niedriger Durchschlagsspannung von 900 V. Dank der schnellen Entionisierung ist sie vor parasitären Folgeentladungen geschützt. Die Regelung der Sendeleistung erfolgt durch Veränderung der Anzahl der wirksamen Kupferplatten der Löschfunkenstrecke. Der Schwingkreiskondensator C besteht aus vier parallel geschalteten Papierkondensatoren von je 6000 cm Kapazität, so dass die Gesamtkapazität 24000 cm beträgt. Die Spule ist ein Variometer, das 12 Windungen versilberten Kupferbandes besitzt. Durch Drehen der Abstimmscheibe verändert sich die Zahl der im Schwingkreis wirksamen Windungen von Null bis 12. In den Antennenkreis ist die Verlängerungsspule La zur Abstimmung der Antenne auf eine bestimmte Wellenlänge in Reihe geschaltet. Die Resonanz der Antenne wird mit dem Amperemeter A kontrolliert.

Der Detektorempfänger ...
... der Station ist nach einer sogenannten komplizierten Schaltung aufgebaut. Er ist umschaltbar und kann in der „komplizierten“ Variante als Zweikreisempfänger betrieben werden, wobei die Kopplung beider abstimmbaren Schwingkreise induktiv erfolgt. Das Bild links zeigt den Detektorempfänger in der sogenannten „einfachen“ Variante. Hier arbeitet er als Einkreisempfänger. Der gewählte Wellenbereich ist „Kurzwelle“. Die „komplizierte“ Variante mit zwei abstimmbaren Schwingkreisen ist im Bild 2 rechts dargestellt. Der Wellenbereich ist „Langwelle“. Die technischen Parameter des Empfängers werden entscheidend von seinem Detektor bestimmt. Er war früher unter dem Namen Wellendetektor bekannt. Um 1915/16 verdrängten die Kontaktdetektoren aufgrund ihrer Vorteile andere Detektorarten.
Im Empfänger der Funkstation der „Aurora“ wurden zwei vorab eingestellte Kontaktdetektoren verwendet, so dass bei anliegender Funkverbindung nur noch ein Feinabgleich erfolgen mußte. Der erste Detektor besaß einen Zinkit-Chalkopyrit-Kontakt, der zweite einen Pyrit-Kupfer-Übergang. Außerdem wies der zweite Detektor, der von der Verwaltung der Flotte in Auftrag gegeben wurde, eine konstruktive Besonderheit auf. Sie bestand darin, dass im Kristallhalter drei Kristalle befestigt waren, von denen ein beliebiger benutzt werden konnte.
Im oberen Teil der Frontseite des Empfängers befindet sich der Antennenumschalter, mit dessen Hilfe die Antenne an den Sender oder Empfänger geschaltet wird. Die Arbeitsweise der „tönenden Funkstation“ beruht auf dem Prinzip der Löschfunkenstrecke, die gegenüber dem Knallfunkenprinzip mehrere Vorteile aufweist.
Um bei geringer Länge der Löschfunkenstrecke und bei niedriger Speisespannung die notwendige Leistung und damit Reichweite der Station zu erhalten, mußte die Zahl der Entladungen pro Zeiteinheit erhöht werden. In den Funkstationen des Typs UMO waren es bis zu 2000 Entladungen je Sekunde. In diesem Fall hört man das Signal des Senders im Kopfhörer nicht als Knarren wie bei den Knallfunkensendern, sondern als ununterbrochenen Ton, dessen Frequenz durch die des Umformers bestimmt wird.  Durch eine einfache Regelung war es möglich, in den Kopfhörern einen „musikalischen“ Ton bestimmter Höhe zu erhalten. Gerade dieser Ton der Signale bedingte die erhöhte Reichweite und Zuverlässigkeit der Funkstation mit Löschfunkenstrecke. Das war so, weil sich die Kopfhörer erstens als empfindlicher für die musikalischen Töne erwiesen. Sie gaben diese wesentlich besser wieder, als das Knarren der Knallfunkensender. Zweitens konnten die tönenden Signale besser voneinander und vom Pegel der Störungen unterschieden werden.

Die Inbetriebnahme des Senders ...
... einer solchen „tönenden Funkstation“ vollzog sich gewöhnlich so, dass zuerst der Sender auf die notwendige Wellenlänge abgestimmt wurde. Danach wurden die entsprechenden Klemmen der Verlängerungsspule geschlossen. Nun wurde der Umformer gestartet und mittels Einstellwiderstand der Stromfrequenz so geregelt, dass im Primär- und Sekundärkreis des Aufwärtstransformators Resonanz eintrat. In Anhängigkeit von der geforderten Reichweite des Senders wählte man mit Hilfe einer speziellen Tabelle die Anzahl der Kupferplatten der Löschfunkenstrecke. Anhand der Tontabelle wurde die Spannung bestimmt, die bei vorgegebener Länge der Löschfunkenstrecke den gewählten musikalischen Ton ergab. Diese Regulierung wurde mit dem Einstellwiderstand vorgenommen. 
Vor dem Beginn des Sendens wurde die Taste gedrückt und unter Kontrolle des Amperemeters des Senders eine Nachstimmung des Variometers vorgenommen, so dass Resonanz zwischen Schwingkreis und Antennensystem eintrat. Zur Kontrolle der Tonreinheit wurde ein Kontrollempfänger benutzt, den man als „Tonprüfer“ bezeichnete.


Foto links:   Der geschützte Kreuzer "Aurora" wurde ab 1897 auf einer Werft in Sankt-Petersburg gebaut und im Sommer 1903 in Dienst gestellt. 1904 wurde er dem Ostasien-Geschwader von Admiral Roschestwenskij zugeteilt und nahm an der monatelangen Überfahrt ums Kap der Guten Hoffnung nach Ostasien teil, mit dem Ziel, die von den Japanern angegriffene russische Enklave Port Arthur (Korea) zu entsetzen. Ende Mai 1905 kam in der Nähe der Japanischen Insel Tsushima es zu einer Seeschlacht, die für die russische Flotteneinheit in einer Katastrophe endete. Nur drei Schiffe des Geschwaders überstanden die Seeschlacht bei Tsushima, fuhren nach Manila und ergaben sich dort den Behörden. Nach Kriegende kehre die "Aurora" nach Sankt-Petersburg zurück und wurde in der Ostsee eingesetzt. Am 25. Oktober 1917 gab sie mit einem Kanonenschuss das Signal zum Sturm auf das Winterpalais. Diese Erstürmung gilt als Beginn der russischen Oktoberrevolution.
Nach dem 1. Weltkrieg blieb die "Aurora" in der Ostsee, 1941 sank sie nach einem deutschen Luftangriff im Leningrader Hafen. Schon 1944 wurde sie gehoben, bis 1947 in Stand gesetzt und diente bis 1961 als Ausbildungsschiff. In der Sowjetunion war die "Aurora" wegen des Kanonenschusses am 25. Oktober 1917 eine Art Nationalheiligtum, im St. Petersburg von heute ist sie Teil des Marinemuseums und eine beliebte touristische Attraktion.
[¹]
Wegen des Einsatzes der "Aurora" im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05 ist die Aussage "eine der ersten auf einem russischen Kriegsschiff überhaupt" im ersten Satz dieses Artikels anzuzweifeln. Bekannt ist, dass für die Überfahrt nach Ostasien alle grösseren Einheiten mit Stationen der deutschen Firma AEG (System Slaby/Arco)  ausgerüstet waren. Admiral Roschestwenskij hat sich mehrfach über die Unzuverlässigkeit dieser Knallfunken-Anlagen -  besonders im Funkverkehr mit den Kohleschiffen der Hapag und bei der Verbindungsaufnahme mit einer durch den Suez-Kanal anreisenden Nachhut - beschwert. = H. Busch +

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Version: 14-Mar-09 / HBu